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Landgericht Darmstadt Beschluss vom 31.01.2011 - 3 Qs 66/11 - 1100 Js 95011/10 - Zuständigkeit für Beschwerden

LG Darmstadt v. 31.01.2011: Zur Behandlung einer Beschwerde bei Zuständigkeitswechsel


Das Landgericht Darmstadt (Beschluss vom 31.01.2011 - 3 Qs 66/11 - 1100 Js 95011/10) hat entschieden:
  1. Mit der Beschwerde nach § 304 StPO können grundsätzlich nur aktuelle Entscheidungen des jeweils mit der Sache befassten Gerichts angefochten werden.

  2. Tritt durch Erhebung der öffentlichen Klage nach Einlegung einer Beschwerde ein Zuständigkeitswechsel vom Ermittlungs- zum Strafrichter ein, ist die Beschwerde gegen den Beschluss des Ermittlungsrichters gegenstandslos und prozessual überholt.

  3. Dies gilt auch, wenn zwischen dem zuständigen Ermittlungs- und Strafrichter Personenidentität vorliegt.

  4. Die Beschwerde ist auch in diesem Fall anhand des Begehrens des Beschwerdeführers als Antrag an den nunmehr zuständigen Strafrichter auf Aufhebung der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis zu behandeln.

Siehe auch Rechtsmittel im Strafverfahren und Die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren


Gründe:

Die Beschwerde des Beschuldigten vom 27.12.2010, die sich gegen den Beschluss des Amtsgerichts Offenbach vom 17.12.2010 richtet, ist als Rechtsbehelf nicht mehr statthaft. Denn die Beschwerde ist zwischenzeitlich gegenstandslos geworden und damit prozessual überholt.

Mit einer Beschwerde können grundsätzlich nur aktuelle Entscheidungen des jeweils mit der Sache befassten Gerichts angefochten werden (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 10.05.2000, Az: 3 ARs 9/00, Rz. 9, zitiert nach Juris). Tritt indes zwischen der Beschwerdeeinlegung und der Entscheidung über die Beschwerde ein Wechsel in der Zuständigkeit des mit der Sache befassten Gerichts ein, ist eine zuvor erhobene Beschwerde, die sich weiterhin auf die ursprüngliche Entscheidung bezieht, nicht mehr gegen eine Entscheidung des aktuell mit der Sache befassten Gerichts gerichtet. Die Beschwerde ist dann gegenstandslos bzw. prozessual überholt.

So liegt die Sache auch im vorliegenden Fall. Durch den nach Beschwerdeeinlegung des Beschuldigten ergangenen Antrag der Staatsanwaltschaft auf Erlass des Strafbefehls vom 28.12.2010 ist ein Zuständigkeitswechsel bezüglich der Entscheidung über eine vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis gemäß § 111a StPO von dem nach § 162 StPO zunächst zuständigen Ermittlungs- zum in der Sache selbst erkennenden Strafrichter eingetreten (vgl. dazu: OLG Düsseldorf, Beschluss vom 23.05.2000, Az: 1 Ws 324/00, zitiert nach Juris). Der bisher zuständige Ermittlungsrichter ist demnach ab Klageerhebung funktionell nicht mehr für die Entscheidung zuständig. Gemäß § 407 Abs. 1 S. 4 StPO wird durch einen Antrag auf Erlass eines Strafbefehls die öffentliche Klage (§ 170 Abs. 1 StPO) erhoben. Die Beschwerde des Beschuldigten gegen den Beschluss des Ermittlungsrichters ist damit im vorliegenden Fall wegen Wegfalls der Zuständigkeit des Ermittlungsrichters gegenstandslos geworden und prozessual überholt.

Hieran vermag auch der vom Amtsgericht hervorgehobene Umstand, dass zwischen zuständigem Ermittlungs- und zuständigem Strafrichter Personenidentität besteht, nichts zu ändern. Die Ratio für das Gegenstandsloswerden der ursprünglichen Beschwerde liegt nicht allein darin, dass nach dem Zuständigkeitswechsel eine andere Person im Richteramt zuständig ist und diese Gelegenheit haben muss, eine eigene Entscheidung zu treffen. Ihr Sinn und Zweck besteht vornehmlich darin, dass das nach Klageerhebung mit der Sache befasste Gericht, das im vorliegenden Fall auch über die endgültige Entziehung nach § 69 StGB zu entscheiden haben wird, erneut die Möglichkeit erhalten soll, nach neuestem Erkenntnisstand eine sachgerechte und aktuelle – ggf. zwischenzeitlich eingetretene Änderungen der Sachlage berücksichtigende – Entscheidung zu der Frage der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis zu treffen (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 10.05.2000, Az: 3 ARs 9/00, Rz. 9, zitiert nach Juris). Eine Änderung der Sachlage tritt indes unabhängig von der/den Person(en) ein, die auf deren Basis eine Entscheidung zu treffen haben.

Die Beschwerde des Beschuldigten kann auch nicht in eine Beschwerde gegen den Nichtabhilfebeschluss des nach Klageerhebung zuständigen Strafrichters umgedeutet werden. Unabhängig davon, ob man den Nichtabhilfebeschluss entgegen seinem Wortlaut als eigene Entscheidung des Strafrichters nach § 111a StPO verstehen könnte, hat der Angeschuldigte hiergegen jedenfalls keine Beschwerde eingelegt.

Da die „Beschwerde“ des Beschuldigten mangels Vorliegen eines anfechtbaren Beschlusses des nunmehr zuständigen Gerichts nicht so gedeutet werden kann, dass sie sich gegen diesen richtet, ist sie im Sinne des mit ihrer Einlegung zum Ausdruck gekommenen Begehrens des Beschuldigten als Antrag auf Aufhebung der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis zu behandeln (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 53. Aufl., § 111a Rn. 19 m. w. N.; vgl. auch: LG Arnsberg, NZV 2010, 367). Erst gegen den Beschluss des nunmehr zuständigen Strafrichters, der über diesen Antrag zu entscheiden hat, kann der Beschuldigte dann ggf. gemäß § 304 StPO statthaft Beschwerde einlegen.



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