Das Verkehrslexikon

A     B     C     D     E     F     G     H     I     K     L     M     N     O     P     Q     R     S     T     U     V     W     Z    

OLG Saarbrücken Urteil vom 12.03.2015 - 4 U 187/13 - Haftung eines Linksabbiegers, der mit einem ihn überholenden Motorrad kollidiert

OLG Saarbrücken v. 12.03.2015: Zur Haftung eines Linksabbiegers, der mit einem ihn überholenden Motorrad kollidiert


Das OLG Saarbrücken (Urteil vom 12.03.2015 - 4 U 187/13) hat entschieden:
  1. Bei einer Kollision eines Linksabbiegers mit einem ordnungsgemäß überholenden Kradfahrerin spricht der Beweis des ersten Anscheins für ein Verschulden des Abbiegenden, wenn sich der Unfall im unmittelbaren örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit dem Linksabbiegevorgang ereignet. Dieser Anscheinsbeweis kann erschüttert oder widerlegt werden durch unstreitige oder bewiesene Tatsachen, die einen atypischen Verlauf möglich erscheinen lassen.

  2. Wegen der besonderen Sorgfaltspflichten beim Abbiegen haftet derjenige, der verkehrswidrig nach links abbiegt und dabei mit einem ihn ordnungsgemäß überholenden Motorrad zusammenstößt, für den entstandenen Schaden grundsätzlich allein, ohne dass dem Überholenden die Betriebsgefahr des Motorrades zugerechnet wird.

  3. Da lediglich das Tragen eines Schutzhelms gem. § 21a Abs. 2 StVO gesetzlich vorgeschrieben ist, fällt es nicht schmerzensgeldmindernd ins Gewicht, dass die Geschädigte abgesehen vom Schutzhelm keine Motorradschutzkleidung trug. Das gilt insbesondere dann, wenn das Tragen von Motorradschutzkleidung die Verletzungen der Geschädigten nicht wesentlich beeinflusst und damit auch nicht verhindert hätte.

Siehe auch Unfälle mit Kradbeteiligung - Motorradunfälle und Motorradschutzkleidung - Mitverschulden


Gründe:

I.

Am ... ereignete sich auf der L 128 in M. ein Verkehrsunfall, an dem die am … 1991 geborene Klägerin als Fahrerin des Kraftrads (Krad) Suzuki GSX 600 FU mit dem amtlichen Kennzeichen ...-​... und der Beklagte zu 1 als Fahrer des Personenkraftwagens (Pkw) Peugeot 206 mit dem amtlichen Kennzeichen ..., dessen Halter der Beklagte zu 2 ist und der bei der Beklagten zu 3 haftpflichtversichert ist, beteiligt waren. An der Unfallstelle beträgt die zulässige Höchstgeschwindigkeit 70 km/h. Die Klägerin wollte in Richtung M. den vor ihr etwas langsamer fahrenden Beklagten-​Pkw überholen. Der Beklagte zu 1 beabsichtigte, nach links in eine Einfahrt auf das Gelände der Skaterbahn abzubiegen. Infolgedessen kam es zum Zusammenstoß zwischen Krad und Pkw, die Klägerin wurde durch die Luft geschleudert und kam mehrere Meter hinter der Anstoßstelle auf. Die Klägerin wurde lebensgefährlich verletzt. Wegen der Einzelheiten der Verletzungen und Verletzungsfolgen wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen (Bd. III Bl. 328 f. d. A.). Das Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Saarbrücken gegen den Beklagten zu 1 wegen fahrlässiger Körperverletzung (Aktenzeichen 61 Js (StA) 846/10) wurde nach Zahlung eines Geldbetrags in Höhe von 300 € an die Klägerin zur Wiedergutmachung durch Verfügung vom 07.02.2011 gemäß § 153a Abs. 1 StPO eingestellt.

Die Klägerin hat behauptet, als sie sich schon im Überholvorgang befunden habe, sei der Beklagte zu 1 ohne jede Ankündigung und ohne Betätigung des linken Fahrtrichtungsanzeigers abgebogen. Sie habe nicht mehr reagieren können und sei ungebremst gegen das Beklagten-​Fahrzeug gefahren. Die Verletzungen wären in diesem Umfang auch bei Tragen von (Leder-​) Motorradkleidung eingetreten. Im Rahmen der stationären Behandlung, insbesondere nach den Operationen, habe sie trotz schmerzstillender Medikamente unter unerträglichen Schmerzen gelitten. Sie leide weiterhin witterungs- und belastungsabhängig unter Schmerzen im Fuß. Außerdem sei ihr seelischer Zustand in der ersten Zeit nach dem Unfall labil gewesen, und sie habe Zukunftsängste gehabt. Nach ihrer Entlassung aus der Klinik sei sie erheblich auf die Mithilfe ihrer Familie angewiesen gewesen und habe nahezu vollständiger Betreuung bedurft.

Die Klägerin hat beantragt,
  1. die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an die Klägerin ein angemessenes Teilschmerzensgeld, mindestens jedoch 46.000 €, für den Zeitraum vom 01.07.2010 bis zum 07.11.2013 nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26.09.2011 zu zahlen,

  2. die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an die Klägerin 1.016,36 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26.09.2011 zu zahlen,

  3. festzustellen, dass die Beklagten gesamtschuldnerisch verpflichtet sind, der Klägerin sämtliche materiellen und immateriellen Schäden aus dem Verkehrsunfall vom ... auf der Straße L 128 in M. zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen und

  4. die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an die Klägerin außergerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 2.830,18 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26.09.2011 zu zahlen.
Die Beklagten haben beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie haben behauptet, der Beklagte zu 1 habe sich schon früh unter Betätigung des linken Fahrtrichtungsanzeigers zur Straßenmitte hin eingeordnet, weil er nach links in die dortige Freizeitanlage habe einfahren wollen. Kurz vor dem Abbiegen habe er sich durch einen Blick in den Rückspiegel nach hinten und Schulterblick vergewissert, dass der nachfolgende Verkehr seine Abbiegeabsicht erkannt habe und ihn niemand habe überholen wollen. Die Klägerin habe sich in diesem Zeitpunkt mit ihrem Kraftrad hinter ihm befunden und keine Anstalten zum Überholen gemacht, insbesondere keinen Fahrtrichtungsanzeiger gesetzt. Zudem müsse sich die Klägerin wegen des Nichtanlegens einer für Motorradfahrer empfohlenen Lederkleidung eine erhebliche Mithaftung für den erlittenen Personenschaden entgegenhalten lassen.

Das Landgericht hat die Klägerin (Bd. I Bl. 95 ff. d. A.) und den Beklagten zu 1 (Bd. II Bl. 232 d. A.) informatorisch angehört und Beweis erhoben gemäß dem Beschluss vom 19.01.2012 (Bd. I Bl. 107 f. d. A.), dem Hinweis- und Beweisbeschluss vom 23.10.2012 (Bd. I Bl. 181 ff. d. A.) in Verbindung mit dem Beschluss vom 28.02.2013 (Bd. I Bl. 234 d. A.) und dem Beschluss vom 03.07.2013 (Bd. II Bl. 286 f. d. A.). Mit dem am 28.11.2013 verkündeten Urteil (Bd. II Bl. 326 ff. d. A.) hat das Landgericht in vollem Umfang nach den Klageanträgen erkannt. Der Senat nimmt gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen in dem erstinstanzlichen Urteil Bezug.

Mit der gegen dieses Urteil eingelegten Berufung unterstellen die Beklagten unter Hinweis auf Beweisnot für die Berufungsinstanz eine eigene Haftung aus §§ 7, 17 StVG in Höhe von 50 v. H. und bezweifeln, ob bei einem Linksabbieger-​/Überholerunfall ohne weiteres ein Anscheinsbeweis unterstellt werden könne. Insoweit hätte die Klägerin zu beweisen, dass der Beklagte zu 1 seinen Abbiegevorgang in einem Zeitpunkt begonnen hätte, als sie ihren Überholvorgang bereits eingeleitet gehabt habe. Unabhängig davon sei ein etwaiger Anscheinsbeweis erschüttert, weil nach dem Sachverständigengutachten und der Aussage der Zeugin P. feststehe, dass sich die Klägerin zu Beginn der Abbiegebewegung mit ihrem Kraftrad noch hinter dem Pkw und noch nicht in einer klassischen Überholphase befunden habe. Entgegen der Auffassung des Landgerichts könne es nicht als haftungsbegründend gewertet werden, dass der Beklagte zu 1 nach eigenem Bekunden bei der Rückschau die Klägerin nicht gesehen habe. Es sei nicht auszuschließen, dass er die Klägerin bei ordnungsgemäßer Rückschau gar nicht habe sehen können. Davon abgesehen fehle es an der Kausalität für den Unfall; denn auch wenn er die Klägerin gesehen hätte, hätte er angesichts der sich ihm darstellenden Verkehrslage abbiegen dürfen.

Indessen hafte die Klägerin bei zutreffender Würdigung des unstreitigen Sachverhalts auch aus Verschulden. Lege man ihre Angaben zu Grunde, wonach sie bei einer Geschwindigkeit von 45 km/h einen Abstand von allenfalls vier Metern zum vorausfahrenden Pkw eingehalten habe, so liege ein grober Verstoß gegen § 4 StVO vor. Zudem habe sie entgegen § 5 Abs. 4a StVO das Ausscheren auf die Überholfahrbahn nicht rechtzeitig und unter Benutzung des Fahrtrichtungsanzeigers angekündigt, weil sie nach eigenen Angaben allenfalls in einer Entfernung von vier Metern nach links ausgeschert sein könne und dazu noch stark beschleunigt habe. Schließlich sei der Klägerin auch ein Verstoß gegen § 5 Abs. 3 Nr. 1 StVO anzulasten, der das Überholen bei unklarer Verkehrslage verbiete.

In Bezug auf die Körperverletzung müsse sich die Klägerin ein Mitverschulden anrechnen lassen, weil sie die erforderliche Motorradschutzkleidung nicht getragen habe. Selbst wenn auch mit einer solchen Kleidung der Knochen gebrochen wäre, wären die übrigen Folgen, insbesondere die entstellenden Narben mit Motorradkleidung nicht eingetreten.

Das dem Grunde nach mit 50.000 € ausgeurteilte Schmerzensgeld sei abgesehen von der Mithaftung deutlich zu hoch angesetzt. Angemessen wären bei voller Haftung und unter Berücksichtigung des immateriellen Vorbehalts allenfalls 30.000 €, so dass unter Berücksichtigung der vorgerichtlich bereits geleisteten Zahlung und der Mithaftung kein höherer Betrag als 11.000 € zuzusprechen sei.

Die die übrigen Schadenspositionen betreffenden Einwendungen blieben aufrechterhalten. Namentlich sei nicht nachzuvollziehen, warum in Bezug auf angeschaffte Kleidung kein Vorteilsausgleich angerechnet werden solle. Aus Rechtsgründen nicht erstattungsfähig seien die den Eltern entstandenen Fahrtkosten, die nach der Rechtsprechung ohnehin nur mit 0,21 €/km anzusetzen seien.

Schließlich seien auch die vorgerichtlich geltend gemachten Kosten zu beanstanden. Der Streitwert bemesse sich nicht nach den vorgerichtlich geltend gemachten, sondern nach den tatsächlich berechtigten Ansprüchen. Außerdem habe die Klägerin die von den Beklagten vorgerichtlich gezahlten Gebühren zu dem errechneten Anspruch hinzugerechnet, anstatt sie abzuziehen.

Die Beklagten beantragen (Bd. II Bl. 356 d. A.),
unter teilweiser Aufhebung des landgerichtlichen Urteils die Klage abzuweisen, soweit
  1. der Klägerin ein höheres Schmerzensgeld als 11.000 €,

  2. 1.016,36 € und

  3. außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 2.830,18 € zugesprochen wurden und

  4. das Landgericht eine höhere Haftungsquote der Beklagten als 50 % festgestellt hat.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung. Sie habe, wie sich (auch) aus den Feststellungen des Sachverständigen ergebe, den Überholvorgang bereits für den Beklagten zu 1 erkennbar eingeleitet gehabt, als der Abbiegevorgang eingeleitet worden sei.

Der Geltendmachung eines Teilschmerzensgelds stehe insbesondere nicht der Grundsatz der einheitlichen Schmerzensgeldbemessung entgegen, weil die Schadensentwicklung ungewiss und nicht absehbar sei. Die Bemessung des Anspruchs unterliege offensichtlich keinen Fehlern. So seien vor allem die nicht unerheblichen Primärverletzungen der Klägerin und die notwendige Heilbehandlung ebenso zu berücksichtigen gewesen wie die bis dahin erfolgte Narbenbildung. Ebenfalls zu Recht habe das Landgericht die verzögerte Schadensregulierung der Beklagten als Bemessungsfaktor einbezogen.

In Bezug auf die materiellen Schäden hätten die Beklagten erstinstanzlich im Schriftsatz vom 17.10.2011 die Fahrtkosten lediglich pauschal bestritten. In diesem Schriftsatz fehle auch Vortrag zum Abzug neu für alt hinsichtlich der beschädigten Kleidung. Gleiches gelte für die außergerichtlichen Anwaltskosten.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und die Sitzungsniederschriften des Landgerichts vom 12.01.2012 (Bd. I Bl. 94 ff. d. A.), 09.01.2013 (Bd. I Bl. 218 ff. d. A.) und 28.02.2013 (Bd. I Bl. 231 ff. d. A.) und des Senats vom 26.02.2015 (Bd. II Bl. 392 ff. d. A.) sowie die beigezogene Akte der Staatsanwaltschaft Saarbrücken (Aktenzeichen 61 Js (StA) 846/10), welche Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, Bezug genommen.

II.

Die Berufung der Beklagten ist nach den §§ 511, 513, 517, 519 und 520 ZPO statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden; sie ist mithin zulässig. Insbesondere ist es unschädlich, dass das Telefax der Berufungsbegründung vom 20.01.2014 (Bd. II Bl. 350 ff. d. A.) nicht unterschrieben ist (Bd. II Bl. 355 d. A.); denn die unterschriebene Urschrift ist am 21.01.2014 (Bd. II Bl. 356 ff. d. A.) und damit fristwahrend eingegangen. Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung (§ 520 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Wenngleich sich zur Zustellung des erstinstanzlichen Urteils an die Prozessbevollmächtigten der Beklagten kein Empfangsbekenntnis in den Akten befindet, ist davon auszugehen, dass die Zustellung nach der Verkündung stattgefunden hat und die innerhalb von zwei Monaten nach Verkündung eingereichte Berufungsbegründung daher in jedem Fall die Frist gewahrt hat. Unbeschadet dessen ist auf Grund der glaubhaften Angabe in der Berufungsschrift (Bd. II Bl. 345 d. A.) davon auszugehen, dass das am 28.11.2013 verkündete Urteil des Landgerichts den Prozessbevollmächtigten der Beklagten am 02.12.2013 zugestellt worden ist. Dazu passt es, dass die als Anlage zur Berufungsschrift am 23.12.2013 mittels Telefax eingereichte beglaubigte Ablichtung des angefochtenen Urteils (Bd. II d. A. beiliegend) den Eingangsstempel der Prozessbevollmächtigten der Beklagten vom 02.12.2013 trägt und das Empfangsbekenntnis der Prozessbevollmächtigten der Klägerin zeitnah vom Folgetag (03.12.2013) datiert (Bd. II Bl. 343 d. A.).

Das Rechtsmittel ist jedoch nur in Bezug auf einen Teil des materiellen Schadens begründet (nachfolgend unter 3.). Im Übrigen beruht die angefochtene Entscheidung weder auf einer Rechtsverletzung im Sinne des § 546 ZPO noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere, den Beklagten günstigere Entscheidung (§ 513 ZPO).

1. Das Landgericht ist zu Recht von der vollen Haftung des Beklagten zu 1 als Fahrer (§ 18 Abs. 1 StVG), des Beklagten zu 2 als Halter (§ 7 Abs. 1 StVG) und der Beklagten zu 3 als Haftpflichtversicherer (§ 115 Abs. 1 VVG) eines unfallbeteiligten Kraftfahrzeugs für die beim Verkehrsunfall vom ... entstandenen Schäden ausgegangen.

a) Die Ersatzpflicht der Beklagten ist vorliegend nicht gemäß § 7 Abs. 2 StVG ausgeschlossen, weil der Unfall offenkundig nicht durch höhere Gewalt verursacht worden ist. Darüber hinaus ist auch der für den Ausschluss der Ersatzpflicht des Beklagten zu 1 nach § 18 Abs. 1 Satz 2 StVG erforderliche Nachweis, dass der Schaden nicht durch ein Verschulden des Fahrzeugführers verursacht ist, nicht geführt. Die gesetzliche Verschuldensvermutung nach § 18 Abs. 1 Satz 1 StVG kann insbesondere widerlegt sein, wenn der Unfall auf einem technischen Fehler (z. B. geplatzter Reifen, Versagen der Bremsen) beruht; es ist dann aber Sache des Fahrers, den Nachweis zu führen, dass er deshalb schuldlos die Kontrolle über das Kraftfahrzeug verloren hat (Heß in Burmann/Heß/Jahnke/Janker, Straßenverkehrsrecht 23. Aufl. § 18 StVG Rn. 8). Ein technischer Fehler kommt hier nicht in Betracht. Die Verschuldensvermutung ist ferner widerlegt, wenn der Fahrzeugführer nachweist, dass er sich verkehrsrichtig verhalten hat (OLG Hamm NZV 1998, 463). Auch das ist nicht der Fall, wie nachfolgend unter c) ausgeführt werden wird.

b) Da die Klägerin als Fahrerin eines ebenfalls unfallbeteiligten Kraftfahrzeugs grundsätzlich gemäß § 18 Abs. 1 StVG haftet, hängt gemäß § 17 Abs. 1 StVG im Verhältnis der beteiligten Fahrzeughalter zueinander die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist. Nach anerkannten Rechtsgrundsätzen sind bei der Abwägung der beiderseitigen Verursacherbeiträge nur solche Umstände einzubeziehen, die erwiesenermaßen ursächlich für den Schaden geworden sind. Die für die Abwägung maßgebenden Umstände müssen nach Grund und Gewicht feststehen, d. h. unstreitig, zugestanden oder nach § 286 ZPO bewiesen sein. Nur vermutete Tatbeiträge oder die bloße Möglichkeit einer Schadensverursachung auf Grund geschaffener Gefährdungslage haben deswegen außer Betracht zu bleiben (Senat OLGR 2009, 394, 396 m. w. Nachw.).

c) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze fällt den Beklagten nicht nur die Betriebsgefahr des Kraftfahrzeugs des Beklagten zu 2, sondern auch das unfallursächliche pflichtwidrige und schuldhafte Verhalten des Beklagten zu 1 als Fahrzeugführer zur Last.

aa) Das Landgericht hat in Bezug auf den Beklagten zu 1 die Anwendung der höchsten Sorgfaltsstufe des § 9 Abs. 5 Fall 1 StVO nicht erwogen (vgl. Bd. II Bl. 332 bis 337 d. A.). Nach dieser Vorschrift muss sich der Fahrzeugführer beim Abbiegen in ein Grundstück so verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist. In Rechtsprechung und Schrifttum ist umstritten, ob Grundstücke im Sinne dieser Bestimmungen alle Verkehrsflächen sind, die - wie das Gelände der Skaterbahn, auf das der Beklagte zu 1 abbiegen wollte - nicht dem fließenden Verkehr dienen (so OLG Düsseldorf NZV 1988, 231 f. [Tankstellengelände]; 1993, 198, 199 [öffentliches Parkdeck eines Kaufhauses]; KG BeckRS 2011, 18121 [Parktasche]; OLG München BeckRS 2010, 26812 [freie Parkplätze auf dem Grundstück einer Sparkasse]; Senat r + s 2015, 93 [Zuwegung zu einer Gärtnerei]; König in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht 43. Aufl. § 9 StVO Rn. 45), oder ob nur nicht für den öffentlichen Verkehr bestimmte Flächen erfasst werden, also in erster Linie private Grundflächen und Privatwege (so OLG Hamm NZV 2014, 262; Burmann in: Burmann/Heß/Jahnke/Janker, aaO § 9 StVO Rn. 53 f.; Zieres in Geigel, Der Haftpflichtprozess 26. Aufl. Kap. 27 Rn. 292). Für die erstgenannte Auffassung spricht, dass § 9 Abs. 5 StVO der besonderen Gefahrenlage für den Folge- und Gegenverkehr des abbiegenden Verkehrsteilnehmers und für diesen selbst entgegenwirken soll, die mit dem Verlassen des fließenden Verkehrs verbunden ist (OLG Düsseldorf NZV 1988, 231 f.; vgl. auch BGHSt 15, 178, 183). Der Senat vertritt die erstgenannte Auffassung (r + s 2015, 93) und hält hieran fest. Gleichwohl kommt es vorliegend auf die Frage der Anwendbarkeit des § 9 Abs. 5 StVO nicht entscheidend an, weil selbst ohne Berücksichtigung der nach dieser Vorschrift zu Grund zu legenden höchsten Sorgfaltsstufe die Alleinhaftung der Beklagten gegeben ist.

bb) Das erstinstanzliche Gericht hat nämlich mit Recht einen unfallursächlichen Verstoß des Beklagten zu 1 gegen § 9 Abs. 1 StVO bejaht (Bd. II Bl. 332 ff. d. A.).

(1) Wer abbiegen will, muss dies gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 StVO rechtzeitig und deutlich ankündigen; dabei sind die Fahrtrichtungsanzeiger zu benutzen. Satz 2 der Vorschrift bestimmt, dass wer nach links abbiegen will, sein Fahrzeug bis zur Mitte, auf Fahrbahnen für eine Richtung möglichst weit links, einzuordnen, und zwar rechtzeitig. Vor dem Einordnen und nochmals vor dem Abbiegen ist auf den nachfolgenden Verkehr zu achten; vor dem Abbiegen ist es dann nicht nötig, wenn eine Gefährdung nachfolgenden Verkehrs ausgeschlossen ist (Satz 4).

(2) Das Landgericht hat zutreffend angenommen, dass bei einer Kollision des Linksabbiegers mit einem ordnungsgemäß (und: jedenfalls mit einem unmittelbar nachfolgenden, KG MDR 2010, 568; Senat r + s 2015, 93) Überholenden in der Regel - und so auch hier - der Beweis des ersten Anscheins für ein Verschulden des Abbiegenden spricht, wenn sich der Unfall im unmittelbaren örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit dem Linksabbiegevorgang ereignet (KG NZV 2006, 309, 310; MDR 2010, 568; OLG Naumburg NZV 2009, 227, 228; OLG München Schaden-​Praxis 2014, 368; Burmann in Burmann/Heß/Jahnke/Janker, aaO § 9 StVO Rn. 31a). Dieser Anscheinsbeweis kann erschüttert oder widerlegt werden durch unstreitige oder bewiesene Tatsachen, die einen atypischen Verlauf möglich erscheinen lassen (KG MDR 2010, 568).

(3) Nach den überzeugenden Feststellungen des Landgerichts haben die Beklagten diesen Anscheinsbeweis nicht entkräftet (Bd. II Bl. 333 d. A.).

(3.1) In der Klageerwiderung haben die Beklagten dargelegt, der Beklagte zu 1 habe sich schon sehr früh unter Setzen des linken Blinkers zur Straßenmitte hin eingeordnet und in dieser Position eine Strecke von zumindest 30 bis 40 m bei eingeschaltetem Blinker zurückgelegt. Kurz vor dem Abbiegen habe er sich (durch) einen Blick in den Rückspiegel nach hinten vergewissert, dass der nachfolgende Verkehr die Abbiegeabsicht erkannt und niemand ihn habe überholen wollen. In diesem Zeitpunkt habe sich die Klägerin mit ihrem Motorrad hinter ihm befunden, sei ordnungsgemäß mittig auf ihrer Fahrspur gefahren und habe keinerlei Anstalten zum Überholen gemacht. Sie habe auch nicht etwa den Blinker gesetzt (Bd. I Bl. 75 f. d. A.). Auf den Vortrag in der Replik der Klägerin, der Beklagte zu 1 behaupte in der Klageerwiderung selbst nicht, seiner doppelten Rückschaupflicht nachgekommen zu sein (Bd. I Bl. 83 d. A. oben), haben die Beklagten in der Duplik erwidert, abgesehen davon, dass angesichts des konkreten Verlaufs die Verletzung der ersten Rückschaupflicht gar nicht erst unfallkausal wäre, ergebe der Vortrag der Beklagten, mit dem ein verkehrsgerechtes Verhalten dargelegt werde, doch ohne weiteres, dass sich der Beklagte zu 1 selbstverständlich auch vor dem Einordnen zur Straßenmitte nach hinten über den nachfolgenden Verkehr vergewissert habe (Bd. I Bl. 93 d. A.).

(3.2) Bei der Anhörung als Partei hat der Beklagte zu 1 zunächst erklärt, er habe einen Schulterblick durchgeführt und auch in den linken Außenspiegel geschaut. Er sei sich sicher, dass er beides ausgeführt habe. Das sei auch unmittelbar vor dem Einbiegen gewesen, nicht etwa früher. Seine Einordnung auf der eigenen Fahrspur sei normal gewesen, er sei nicht besonders weit rechts gefahren oder besonders weit links. Er könne sich nicht erinnern, ob er den Blinker gesetzt habe (Bd. I Bl. 232 d. A.). Diese Einlassung passt nicht zur vorstehend wiedergegebenen detaillierten Darstellung in der Klageerwiderung, der Beklagte zu 1 habe sich schon sehr früh unter Setzen des linken Blinkers zur Straßenmitte hin eingeordnet und in dieser Position eine Strecke von zumindest 30 bis 40 m bei eingeschaltetem Blinker zurückgelegt.

(3.3) Wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, hat der Beklagte zu 1 auf Vorhalt der Angaben des Sachverständigen Dipl.-​Phys. M. seine vorherige Darstellung überdies relativiert und erklärt, bezüglich des Blicks in den Außenspiegel könne er sich zeitlich nicht mehr ganz genau festlegen (Bd. I Bl. 232 d. A. Mitte). Die im Rahmen der weiteren Befragung durch das Landgericht abgegebenen Erklärungen des Beklagten zu 1, das Krad vor dem Abbiegevorgang nicht gesehen zu haben (Bd. I Bl. 232 d. A.), leuchten nicht ein, wie das Landgericht mit eingehender Begründung zutreffend vermerkt hat (Bd. II Bl. 333 f. d. A.). Überdies hat die Zeugin R. P., die in gleicher Fahrtrichtung hinter den Beteiligten fuhr, plausibel beschrieben, dass sie vor sich ein Motorrad und davor ein blaues Auto wahrnahm (Bd. I Bl. 98 d. A.). Angesichts des aus den Lichtbildaufnahmen der Polizeiinspektion I. ersichtlichen übersichtlichen Straßenverlaufs vor der Unfallstelle hätte der Beklagte zu 1 bei der gebotenen Rückschau das Krad ebenfalls erkennen müssen, so dass seine Einlassung, das Krad vor dem Abbiegevorgang nicht gesehen zu haben, nur mit einem Unterlassen der gebotenen Rückschau zu erklären ist.

(3.4) Unabhängig von diesen Widersprüchen steht der Darstellung der Beklagten auch entgegen, dass die verletzte Klägerin gegenüber den am Unfallort hinzukommenden Personen erklärt hat, dass der Autofahrer nicht geblinkt habe, was der Zeuge M. B. glaubhaft bestätigt hat (Bd. II Bl. 335, Bd. I Bl. 233 d. A.). Das Landgericht hat dies zutreffend dahin gewürdigt, dass zumindest die Klägerin nicht wahrgenommen hatte, dass ein Fahrtrichtungsanzeiger am Beklagtenfahrzeug gesetzt war, zumal auch die Zeugin P. bekundet hat, sie habe keinen Blinker von dem Auto gesehen (Bd. II Bl. 336 d. A. oben). Überdies hat die Zeugin P., die aus ihrer Fahrposition das Unfallgeschehen überblicken konnte, bei der Vernehmung durch das Landgericht lebensnah wiedergegeben, dass sie in dem Moment noch dachte: „Oh Gott, was macht der Pkw-​Fahrer da.“, weil das Fahrmanöver des Beklagten zu 1 aus ihrer Sicht unerwartet war (Bd. I Bl. 98 d. A. Mitte).

d) Pflichtverstöße auf Seiten der Klägerin hat das Landgericht im Ergebnis zu Recht verneint.

aa) Entgegen der Auffassung der Berufung (Bd. II Bl. 360 d. A. oben) ist der Klägerin kein Verstoß gegen § 5 Abs. 3 Nr. 1 StVO anzulasten, der das Überholen bei unklarer Verkehrslage verbietet.

(1) Eine unklare Verkehrslage im Sinne dieser Vorschrift ist gegeben, wenn nach allen Umständen mit ungefährdetem Überholen nicht gerechnet werden darf (KG DAR 2002, 557 f.). Sie liegt auch dann vor, wenn sich nicht sicher beurteilen lässt, was Vorausfahrende sogleich tun werden. Dies ist dann der Fall, wenn bei einem vorausfahrenden oder stehenden Fahrzeug der linke Fahrtrichtungsanzeiger betätigt wird und dies der nachfolgende Verkehrsteilnehmer erkennen konnte und dem überholenden Fahrzeugführer noch ein angemessenes Reagieren - ohne Gefahrenbremsung - möglich war (KG DAR 2002, 557 f.; NZV 2006, 309, 310). Dagegen liegt eine unklare Verkehrslage nicht schon dann vor, wenn das vorausfahrende Fahrzeug verlangsamt, selbst wenn es sich bereits etwas zur Fahrbahnmitte eingeordnet haben sollte (KG DAR 2002, 557, 558; NZV 2010, 298, 299; OLG Naumburg NZV 2009, 227, 228).

(2) Unter Beachtung dieser Grundsätze hat das Landgericht eine unklare Verkehrslage nicht feststellen können (Bd. II Bl. 335 d. A.). Allein die Umstände, dass der Beklagte zu 1 die an der Unfallstelle zulässige Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h nicht ausschöpfte, sondern mit einer Ausgangsgeschwindigkeit von circa 45 km/h fuhr, und dass sich linkerhand die Zufahrt auf das Grundstück der Skaterbahn befand (vgl. Lichtbilder Beiakte Bl. 12), reichen für die Annahme einer unklaren Verkehrslage nicht aus. Die Behauptung der Beklagten, der Beklagte zu 1 habe sich schon sehr früh unter Setzen des linken Blinkers zur Straßenmitte eingeordnet und in dieser Position bei eingeschaltetem Blinker eine Strecke von zumindest 30 bis 40 m zurückgelegt (Bd. I Bl. 75 d. A.), ist, wie das Landgericht (aaO) zutreffend festgestellt hat, nicht bewiesen.

(3) Der Sachverständige Dipl.-​Phys. M. hat zwar an Hand von Stoß- und Simulationsrechnungen für den Anstoßzeitpunkt eine deutlich geringere Fahrgeschwindigkeit des Beklagten-​Pkw von 15 bis 20 km/h errechnet, so dass der Pkw vorkollisionär aus der von der Klägerin glaubhaft mit circa 45 km/h angegebenen Ausgangsgeschwindigkeit verzögert worden sein muss (Bd. I Bl. 129 d. A.; vgl. auch die Angabe des Beklagten zu 1, sie seien nicht schneller als 50 km/h gefahren, Bd. I Bl. 232 d. A.). Aus den überzeugenden mündlichen Erläuterungen des Sachverständigen vor dem Landgericht ergibt sich aber, dass selbst unter Zugrundelegung einer - aus prozessualer Sicht der Klägerin ungünstigen - normalen Betriebsbremsung die Verzögerung lediglich circa 2 s vor der Kollision eingesetzt hätte, eine unfallvermeidende Reaktion für die Klägerin aber auch dann nicht mehr möglich war (Bd. I Bl. 221 d. A.).

bb) Die Berufung macht weiter geltend, schon aus dem eigenen Sachvortrag der Klägerin ergebe sich ein grober Verstoß gegen § 5 Abs. 4a StVO (Bd. II Bl. 359 d. A. unten). Die Klägerin könne allenfalls in einer Entfernung von vier Metern zum Beklagten zu 1 links ausgeschert sein und habe dazu noch, jedenfalls nach eigener Aussage, entsprechend stark beschleunigt (Bd. II Bl. 360 d. A. oben). Dieser Berufungsangriff hat im Ergebnis keinen Erfolg.

(1) Das Ausscheren zum Überholen und das Wiedereinordnen sind gemäß § 5 Abs. 4a StVO rechtzeitig und deutlich anzukündigen; dabei sind die Fahrtrichtungsanzeiger zu benutzen. Die Ankündigungspflicht besteht in erster Linie gegenüber dem Nachfolgenden (a. A. Cramer, Straßenverkehrsrecht Bd. I 2. Aufl. § 5 Rn. 72: in erster Linie zum Schutz des Vorausfahrenden), aber auch gegenüber Vorausfahrenden, weil diese vor Fahrstreifenwechsel oder Richtungsänderung eine Rückschaupflicht haben (OLG Celle VM 1987, 27, 28; König in Hentschel/König/Dauer, aaO § 5 StVO Rn. 46; das BayObLG hat an seiner in BayObLGSt 1972, 188 = BayObLG DAR 1972, 338 vertretenen abweichenden Auffassung, wonach die Verpflichtung aus § 5 Abs. 4a StVO nicht gegenüber dem in gleicher Richtung vorausfahrenden Verkehr bestehe, auf Anfrage des OLG Celle nicht festgehalten, vgl. VM 1987, 27, 28). Die Zeichen nach § 5 Abs. 4a StVO sind zu geben, bis sich der Verkehr darauf einstellen konnte, und rechtzeitig genug, um zu warnen (OLG Düsseldorf DAR 2005, 217; König in Hentschel/König/Dauer, aaO § 5 StVO Rn. 46).

(2) Ein unfallursächlicher Verstoß der Klägerin gegen diese Bestimmungen ist nicht gegeben. Bei der Entfernungsangabe der Klägerin, auf die sich die Berufung bezieht, handelt es sich erkennbar um eine grobe Schätzung. Die Klägerin hat auf Frage des Landgerichts nach dem Abstand zu dem vorausfahrenden Fahrzeug bei Einleitung des Überholvorgangs geantwortet, das sei etwas schwierig zu schätzen, an Hand der Maße des Tisches im Gerichtssaal - die nicht festgestellt sind - schätze sie circa 4 bis 5 m (Bd. I Bl. 95 d. A. unten). Der Sachverständige Dipl.-​Phys. M. hat im Rahmen des schriftlichen Gutachtens und der mündlichen Erläuterung einleuchtend erklärt, dass sich das Krad bei Einleitung des Abbiegevorgangs durch den Beklagten zu 1 noch rund 7 bis 9 m hinter dem Heck des Pkw befand (Bd. I Bl. 130, 220 d. A.). Ferner hat er verdeutlicht, dass der Beklagte zu 1 beim unmittelbaren Ansetzen zum Abbiegen, d. h. 1,0 bis 1,5 s vor der Kollision im Rückspiegel wohl hätte erkennen können, dass das Motorrad überholen wollte, weil in diesem Zeitpunkt die Geschwindigkeitsdifferenz zwischen den Fahrzeugen circa 20 km/h betrug (Bd. I Bl. 219 d. A.). Auf Grund der vom Sachverständigen beschriebenen Geschwindigkeitsdifferenz und des auf circa 7 bis 9 m aufschließenden Krads lag es sehr nahe, dass das Krad sogleich überholen werde. In diesem Zeitpunkt hätte der Beklagte zu 1 sich noch entschließen können, den Abbiegevorgang abzubrechen und eventuell geradeaus zu lenken oder anzuhalten (Bd. I Bl. 220 d. A. oben). Aus der spitzwinkligen Kollisionsstellung zwischen den Fahrzeugen sowie der Anstoßkollision am Unfallort hat der Sachverständige Dipl.-​Phys. M. plausibel gefolgert, dass die Klägerin sich bei Beginn des Abbiegens des Pkw gerade in einem beginnenden Ausschervorgang zur Überholfahrt befand (Bd. I Bl. 130 d. A. Mitte). Unbeschadet dessen hat die Klägerin im Rahmen ihrer schlüssigen und detailreichen Unfalldarstellung glaubhaft erklärt, dass sie vor dem Herausziehen den Fahrtrichtungsanzeiger betätigt hatte (Bd. I Bl. 95 d. A.).

cc) Anders als die Berufung meint (Bd. II Bl. 359 d. A.), liegt auch kein Verstoß der Klägerin gegen § 4 StVO vor. Die Berufung bezieht sich auch insoweit auf die vorstehend unter aa) bereits erörterten Angaben der Klägerin im Rahmen der Anhörung, bei der diese auf Nachfrage des Gerichts nach dem Abstand zu dem vorausfahrenden Fahrzeug bei Einleitung des Überholvorgangs erklärt hat, das sei schwierig zu schätzen, an Hand der Maße des Tisches im Gerichtssaal schätze sie circa 4 bis 5 m (Bd. I Bl. 95 d. A. unten). Abgesehen davon, dass es sich bei diesen Angaben ersichtlich nur um eine grobe Schätzung handelt, ist das Unterschreiten des Sicherheitsabstands nur dann pflichtwidrig, wenn der zu geringe Abstand nicht nur ganz vorübergehend eingehalten wird (Zieres in Geigel, aaO Kap. 27 Rn. 144). Zu dem vorliegenden Verkehrsunfall ist es jedoch nicht deswegen gekommen, weil die Klägerin (nicht nur ganz vorübergehend) einen zu geringen Abstand gehalten hätte und auf das vorausfahrende Fahrzeug des Beklagten zu 1 aufgefahren wäre, sondern weil der Beklagte zu 1 verkehrswidrig nach links abbog, obgleich sich neben ihm ein überholendes Kraftrad befand, was er jedoch nicht erkannte.

e) Wegen der besonderen Sorgfaltspflichten beim Abbiegen haftet derjenige, der - wie hier der Beklagte zu 1 - verkehrswidrig nach links abbiegt und dabei mit einem ihn ordnungsgemäß überholenden Kraftfahrzeug zusammenstößt, für den entstandenen Schaden grundsätzlich allein, ohne dass dem Überholenden die Betriebsgefahr seines Fahrzeugs angerechnet wird (KG MDR 2011, 97, 98). Ein die Mithaftung der Klägerin begründendes Mitverschulden kann nach den vorstehenden Ausführungen nicht festgestellt werden.

2. Demzufolge steht der Klägerin auf Grund ihrer unfallbedingten Verletzungen ein Schmerzensgeld gemäß §§ 11 Satz 2 StVG, 253 Abs. 2 BGB zu, welches das Landgericht im Umfang des Klageantrags zu 1 rechtsfehlerfrei und überzeugend mit 50.000 € bemessen hat, so dass abzüglich bereits gezahlter 4.000 € noch weitere 46.000 € zu zahlen sind.

a) Die Zulässigkeit des Klageantrags zu 1 hat das Landgericht mit Recht stillschweigend bejaht. Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung ist es zulässig, den Betrag des Schmerzensgelds zuzusprechen, der dem Verletzten zum Zeitpunkt der Entscheidung mindestens zusteht, und später den zuzuerkennenden Betrag auf die volle abzuschätzende Summe zu erhöhen, die der Verletzte auf Grund einer ganzheitlichen Betrachtung der für den immateriellen Schaden maßgeblichen Umstände beanspruchen kann, wenn sich nicht endgültig sagen lässt, welche Änderungen des gesundheitlichen Zustands noch eintreten können (RG Warneyer 1917 Nr. 99, 143, 144; BGH NJW 2001, 3414, 3415; 2004, 1243, 1244). Macht die klagende Partei - wie im vorliegenden Fall - nach diesen Grundsätzen nur einen Teilbetrag eines Schmerzensgelds geltend und verlangt sie bei der Bemessung der Anspruchshöhe nur die Berücksichtigung der Verletzungsfolgen, die bereits im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung eingetreten sind, ist eine hinreichende Individualisierbarkeit gewährleistet (BGH NJW 2004, 1243, 1244).

b) Ohne Erfolg rügt die Berufung, das Schmerzensgeld sei abgesehen von der - wie noch ausgeführt werden wird: nicht gegebenen (nachfolgend unter ff)) - Mithaftung zu hoch angesetzt (Bd. II Bl. 360 d. A.).

aa) Das Schmerzensgeld verfolgt vordringlich das Ziel, dem Geschädigten einen angemessenen Ausgleich für diejenigen Schäden zu verschaffen, die nicht vermögensrechtlicher Art sind (Ausgleichsfunktion). Für die Bemessung der Schmerzensgeldhöhe sind Größe, Heftigkeit und Dauer der Schmerzen, Leiden und Entstellungen die wesentlichen Kriterien. Als objektivierbare Umstände besitzen vor allem die Art der Verletzungen, Art und Dauer der Behandlungen sowie die Dauer der Arbeitsunfähigkeit ein besonderes Gewicht. Hierbei zählen das Entstehen von Dauerschäden, psychischen Beeinträchtigungen und seelisch bedingten Folgeschäden zu den maßgeblichen Faktoren. Darüber hinaus sind die speziellen Auswirkungen des Schadensereignisses auf die konkrete Lebenssituation des Betroffenen zu berücksichtigen. Die beruflichen Folgen der Verletzung und ihre Auswirkungen auf die Freizeitgestaltung des Geschädigten sind Faktoren bei der Bestimmung des Schmerzensgeldes. Hierbei kommt es nicht zuletzt auf das Alter des Geschädigten an; denn ein und dieselbe Beeinträchtigung wird nicht in jedem Lebensalter gleich gravierend empfunden (Senat NJW 2011, 933, 935 m. w. Nachw.). Bei der Schmerzensgeldbemessung nach diesen Grundsätzen verbietet sich eine schematische, zergliedernde Herangehensweise. Einzelne Verletzungen bzw. Verletzungsfolgen dürfen nicht gesondert bewertet und die so ermittelten Beträge addiert werden. Vielmehr ist die Schmerzensgeldhöhe in einer wertenden Gesamtschau aller Bemessungskriterien des konkreten Falls zu ermitteln, wobei die in vergleichbaren Fällen zugesprochenen Schmerzensgelder einen gewissen Anhaltspunkt bieten können, ohne jedoch zwingend zu einer bestimmten „richtigen” Schmerzensgeldhöhe zu führen (Senat NJW 2011, 933, 935).

bb) Auch nach der Reform des Rechtsmittelrechts hat das Berufungsgericht die erstinstanzliche Schmerzensgeldbemessung auf der Grundlage der nach § 529 ZPO maßgeblichen Tatsachen gemäß §§ 513 Abs. 1, 546 ZPO in vollem Umfang darauf zu überprüfen, ob sie überzeugt. Hält das Berufungsgericht sie für zwar vertretbar, letztlich aber bei Berücksichtigung aller Gesichtspunkte nicht für sachlich überzeugend, so darf und muss es nach eigenem Ermessen einen eigenen, dem Einzelfall angemessenen Schmerzensgeldbetrag finden. Das Berufungsgericht darf es nicht dabei belassen zu prüfen, ob die Bemessung Rechtsfehler enthält, insbesondere ob das Gericht sich mit allen maßgeblichen Umständen ausreichend auseinander gesetzt und um eine angemessene Beziehung der Entschädigung zu Art und Dauer der Verletzungen bemüht hat (BGH NJW 2006, 1589, 1592 Rn. 30).

cc) Das Landgericht hat zutreffend und insoweit von der Berufung nicht angegriffen berücksichtigt, dass die damals 19 Jahre alte Klägerin ohne eigenes Verschulden einen Verkehrsunfall erlitt und dabei schwer verletzt wurde. Sie erlitt multiple Schnittwunden im Gesicht, eine Schnittwunde an der rechten Schulter, eine Femurschaftfraktur rechts, eine drittgradig offene Talusluxation rechts, eine knöcherne Absprengung des Talus rechts (offener Sprunggelenktrümmerbruch), ein Decollement und Kompartmentsyndrom am Fußrücken rechts, eine Fraktur des os cuboideum rechts (Fußwurzelknochenbruch), eine Fraktur des os cuneiforme lateral rechts (Bruch eines weitere Fußwurzelknochens) und eine Fraktur des MKF-​III Basis rechts (Bruch des dritten Mittelfußknochens). Sie befand sich insgesamt sieben Tage auf der Intensivstation, und es bestand Lebensgefahr. Laut dem Entlassungsbericht des Universitätsklinikums des Saarlandes vom 04.08.2010 erlitt die Klägerin während der intensivmedizinischen Betreuung eine Synkope (umgangssprachlich oft als „Kreislaufkollaps“ bezeichnet) mit über mehrere Minuten andauernder Bewusstlosigkeit. Im daraufhin durchgeführten cMRT fand sich jedoch kein Hinweis auf eine hirnorganische Ursache, und im weiteren Verlauf traten keine vergleichbaren Ereignisse mehr auf (Bd. I Bl. 15 d. A.). Der stationäre Aufenthalt im Universitätsklinikum des Saarlandes erstreckte sich vom 01.07. bis zum 04.08.2010, während des Monats Juli 2010 wurde die Klägerin dort insgesamt fünf Mal operiert. Als sechste Operation hat das Landgericht zutreffend die 2013 erfolgte Entfernung des bei der Operation am 08.07.2010 gesetzten Marknagels berücksichtigt (Bd. II Bl. 234, 243, 251, 301 d. A.).

dd) Das Landgericht hat auch die weiteren Verletzungsfolgen zutreffend einbezogen und gewürdigt (Bd. II Bl. 337 f. d. A.).

(1) Nach Beendigung des stationären Aufenthalts im Universitätsklinikum des Saarlandes begab sich die Klägerin unfallbedingt einmal wöchentlich in ärztliche Behandlung in das Chirurgisch-​Orthopädische Zentrum I. (Bd. I Bl. 6 d. A.). Im Zeitraum vom 28.10. bis zum 25.11.2010 nahm sie an einer Rehabilitationsmaßnahme in den Hochwald-​Kliniken in W. teil. Ausweislich des Entlassungsberichts der Hochwald-​Kliniken vom 30.11.2010 gestaltete sich der postoperative Verlauf insgesamt komplikationslos (Bd. I Bl. 30 d. A.). Alle verordneten Anwendungen wurden gut vertragen, und die Behandlung verlief komplikationsfrei. Weiter ist in dem Entlassungsbericht vermerkt, dass die Klägerin sich während der Maßnahme gut motiviert zeigte und kooperativ mitarbeitete. Auf Grund ihrer starken Beschwerden und der Funktionseinschränkungen musste die Rehabilitationsmaßnahme jedoch um sieben Tage verlängert werden (Bd. I Bl. 34 d. A.). Bei der dortigen Abschlussuntersuchung waren die anfänglich geklagten Beschwerden der Klägerin rückläufig (Bd. I Bl. 35 d. A.), die Entlassung erfolgte auf Grund der verbliebenen Einschränkungen freilich als „arbeitsunfähig bis auf weiteres“ (Bd. I Bl. 36 d. A.). Die Klägerin war somit auf Grund des Unfalls vom 01.07.2010 bis Mitte 2011 unstreitig (Bd. I Bl. 7, 77 f. d. A.) zu 100 v. H. arbeitsunfähig. Die unfallbedingte MdE beträgt bis auf Weiteres 25 v. H. und kann sich, wie der Sachverständige Prof. Dr. Prof. Dr. R. R. überzeugend ausgeführt hat, bei Progression der posttraumatischen Arthrose des oberen Sprunggelenkes weiter erhöhen (Bd. II Bl. 265 d. A.).

(2) Ferner verlor die Klägerin in ihrem beruflichen Fortkommen ein Jahr durch den Unfall. Sie hatte im Unfallzeitpunkt am 01.07.2010 gerade das Abitur abgelegt und wollte am 01.08.2010 mit einer Ausbildung zur Sozialversicherungsfachangestellten beginnen, was unfallbedingt erst zum 01.08.2011 möglich war (vgl. ärztlicher Entlassungsbericht der Hochwald-​Kliniken, W., vom 30.11.2010, Bd. I Bl. 35 d. A.). Sofern es in dem ärztlichen Bericht des Chirurgisch-​Orthopädischen Zentrums I. vom 12.04.2011 an die Prozessbevollmächtigten der Klägerin heißt, die Klägerin sei „weiterhin [Schreibfehler im Original] in Berufsausbildung“ (Bd. I Bl. 38 d. A.), ist ersichtlich ein im Entlassungsbericht der Hochwald-​Kliniken (Bd. I Bl. 35 d. A. unten) vermerktes vorbereitendes Praktikum, nicht aber der Beginn der Berufsausbildung gemeint.

(3) Daneben hat das Landgericht zutreffend und von der Berufung nicht angegriffen festgestellt, dass die Klägerin weitere Strecken nur unter Schmerzen bewältigen und nicht mehr schnell laufen kann, sie außerdem auf unebenem Untergrund, z. B. am Strand, gangunsicher ist (Bd. II Bl. 338 d. A. unten). Überdies kann die Klägerin ihrem Hobby, tanzen zu gehen, infolge des Unfalls nur noch bedingt nachkommen, zum Einen wegen auftretender Schmerzen, zum Anderen wegen des Gefühls der Unsicherheit innerhalb einer größeren, sich bewegenden Menschenmenge (Bd. II Bl. 339 d. A. oben).

(4) Wie der Sachverständige Prof. Dr. R. im Gutachten vom 29.04.2013 in jeder Hinsicht überzeugend ausgeführt hat, stellt sich auch mehrere Jahre nach dem Unfall das rechte Bein der Klägerin gleichsam als Problemzone dar. Der Oberschenkelbruch ist mit minimalem Achsfehler knöchern gut verheilt, doch sind im Wesentlichen Narbenbildungen zurückgeblieben. Im Bereich der Narbenbildung am ehemaligen Eintrittspunkt des Marknagels oberhalb des großen Rollhügels im Hüftbereich besteht eine funktionell zu erklärende Belastungsschmerzhaftigkeit. Entsprechendes gilt für den Bereich der ehemaligen Fixateur-​externe-​Narben (Bd. II Bl. 264 d. A.). Im Bereich des rechten Sprunggelenks und des rechten Unterschenkels trat als Folge des schweren Weichteil- und Knochen-​Traumas eine ausgeprägte Narbenbildung mit Defektbildung nach Schwenklappenbildung auf. Die dort auftretende Schmerzhaftigkeit bei Berührungsreizen hat der Sachverständige zutreffend als besonders unangenehm und einschränkend eingestuft (Bd. II Bl. 265 d. A.). Der Bewegungsumfang des rechten Sprunggelenks ist nicht nur auf Grund von Vernarbungen, sondern auch auf Grund einer knöchernen Apposition im Bereich des Sprungbeinhaltes mit Anschlagphänomen eingeschränkt. Außerdem bestehen von der ausgedehnten Vernarbung ausgehende Funktionsschmerzen. Schließlich ist eine beginnende posttraumatische Arthrose des oberen Sprunggelenks festzustellen (Bd. II Bl. 265 d. A.).

ee) Darüber hinaus ist bei der Bemessung des Schmerzensgeldes, wie die Berufung zutreffend bemerkt (Bd. II Bl. 360 d. A. unten), der im Klageantrag zu 3 enthaltene immaterielle Vorbehalt zu berücksichtigen.

ff) Anders als die Berufung meint, fällt im vorliegenden Fall nicht schmerzensgeldmindernd ins Gewicht, dass die Klägerin abgesehen vom Schutzhelm keine Motorradschutzkleidung trug.

(1) Allerdings wird die Frage, ob und inwieweit überhaupt das Nichtanlegen sogenannter Motorradschutzkleidung als Mitverschulden (§§ 9 StVG, 254 BGB) zu berücksichtigen ist, nicht einheitlich beantwortet (Übersicht bei Rebler MDR 2014, 1187 ff.). Gesetzlich vorgeschrieben ist nur das Tragen eines Schutzhelms (§ 21a Abs. 2 StVO), was die Klägerin beachtet hat.

(1.1) Laut dem vom Landgericht angeführten Urteil des OLG Brandenburg vom 23.07.2009 (12 U 29/09, MDR 2009, 1274 f.) kann bei der Bemessung des Schmerzensgeldes nach einem Verkehrsunfall der Umstand, dass der verletzte Motorradfahrer zwar einen Helm, jedoch keine oder nur zum Teil eine Schutzkleidung getragen hat, auch ohne eine entsprechende gesetzliche Verpflichtung mindernd im Wege des Mitverschuldens zu berücksichtigen sein (i. Erg. ebenso Knerr in Geigel, aaO Kap. 2 Rn. 58: je nach den Besonderheiten des Falles, vor allem der Art der entstandenen Schäden). Auf Grund der Instabilität des Fahrzeugs sei der Motorradfahrer nicht nur bei Rennveranstaltungen, sondern auch im normalen Straßenverkehr besonders gefährdet. Deshalb würden sämtliche maßgeblichen Verbände, die sich unter anderem mit der Motorradsicherheit befassten, einen Schutz bei jeder Fahrt mit sicherer Motorradbekleidung empfehlen (OLG Brandenburg MDR 2009, 1274, 1275). Was unter Motorradschutzkleidung genau zu verstehen sein soll, wird in einzelnen Entscheidungen unterschiedlich weit gefasst (Übersicht bei Rebler MDR 2014, 1187, 1190). Nach Auffassung von Rebler (MDR 2014, 1187, 1188) würden dazu üblicherweise gezählt:
- Motorradhelm,
- Handschuhe,
- Motorradstiefel,
- Protektorenkombi (Overall) oder Jacke und Hose mit Protektoren (Schutzpolstern),
- Rückenhöcker (Hump) und Genickschutz und
- Nierengurt (als sinnvolle Ergänzung).
(1.2) Nach anderer Auffassung gibt es jedenfalls zurzeit kein allgemeines Verkehrsbewusstsein, dass das Tragen von Motorradschuhen zum eigenen Schutz eines Motorradfahrers erforderlich ist. Diese Auffassung verneint ein Mitverschulden eines verletzten Motorradfahrers, der im Unfallzeitpunkt Sportschuhe trug (OLG Nürnberg ZfSch 2013, 436).

(1.3) Teilweise wird angenommen, daraus, dass der Gesetzgeber nur die Benutzung von Schutzhelmen für Krafträder vorgeschrieben habe, dürfe ein Kraftfahrer zumindest für Innerortsfahrten schließen, er verhalte sich verkehrsgerecht, selbst wenn er keine Motorradschutzkleidung trage. Eine Obliegenheit, Schutzkleidung zu tragen, möge es allenfalls für „hochvolumigere“ Motorräder geben (LG Heidelberg NZV 2014, 466, 467).

(2) Im Streitfall bedarf dieser Meinungsstreit jedoch keiner Entscheidung.

(2.1) Das Landgericht hat beanstandungsfrei festgestellt, dass das Tragen von Motorradschutzkleidung die hier interessierenden Verletzungen der Klägerin nicht wesentlich beeinflusst (Bd. II Bl. 340 d. A.) und damit auch nicht verhindert hätte. Der Sachverständige Prof. Dr. R. hat im Erstgutachten vom 29.04.2013 überzeugend ausgeführt, dass bei dem hier gegebenen Verkehrsunfall entscheidend ist, wie die untere Extremität der Motorradfahrerin bekleidet war. Die Schäden im Bereich des rechten Sprunggelenks wären selbst beim Tragen von Motorradstiefeln mit Protektoren entstanden, weil es sich um eine „rasante Verletzung mit hoher Lasteinwirkung“, bedingt durch das Einquetschen zwischen Motorrad und Pkw-​Karosserie, handelte. Allenfalls wäre möglicherweise das Hautdecollement geringer gewesen (Bd. II Bl. 266 d. A.). Im Ergänzungsgutachten vom 29.07.2013 hat der Sachverständige plausibel erläutert, dass die wesentlichen Erstkörperschäden in der Kontaktphase zwischen Motorrad und Pkw und nicht etwa in der Auslaufphase entstanden sind (Bd. II Bl. 296 d. A.).

(2.2) Die Berufung macht geltend, selbst wenn auch mit Motorradschutzkleidung der Knochen gebrochen wäre, wären die übrigen Folgen, insbesondere entstellende Narben, mit Motorradkleidung nicht eingetreten (Bd. II Bl. 360 d. A.). Diese Rüge ist unter Berücksichtigung der überzeugenden Feststellungen des Landgerichts und der erstinstanzlich eingeholten Gutachten nicht berechtigt. Die Berufung lässt außer Acht, dass die deutlich sichtbaren Narben überwiegend auf die Frakturen und die anschließende medizinische Behandlung, d. h. die Operationen, nicht z. B. auf ein Rutschen über Asphalt oder unbefestigten Boden (vgl. dazu das bereits gewürdigte Ergänzungsgutachten des Prof. Dr. med. Prof. Dr. R. vom 29.07.2013, Bd. II Bl. 296 d. A.), zurückzuführen sind. So hat der Sachverständige Prof. Dr. med. Prof. Dr. R. z. B. im Erstgutachten vom 29.04.2013 drei Narben im Verlauf des Oberschenkels fotografiert, die durch die Entfernung der Verriegelungsbolzen, also eine infolge des Unfalls erforderliche ärztliche Behandlung der knöchernen Verletzungen, nicht aber unmittelbar durch das Unfallgeschehen bedingt sind. Entsprechendes gilt für die ehemaligen Steinmann-​Nagel-​Eintrittstellen des Fixateur externe (Bd. II Bl. 256, 257 d. A.). Darüber hinaus hat das Landgericht eine wenn auch nicht sehr auffällige Narbe am Kinn der Klägerin festgestellt, sobald diese den Kopf etwas anhebt, sowie eine noch sichtbare, wenn auch nicht entstellende Narbe einer Schnittwunde an der rechten Schulter. Wie der Sachverständige Dipl.-​Phys. Jürgen Dipl.-​Phys. M. im verkehrstechnischen Gutachten vom 20.04.2012 überzeugend ausgeführt hat, schlug die Klägerin ausweislich der Beschädigung der Windschutzscheibe des Pkw mit dem Kopf gegen dieselbe und wurde vom Pkw „zeitweilig mittransportiert“, wodurch sich die Endlage der Klägerin erklären lässt (Bd. I Bl. 125 d. A.). Der Sachverständige Dipl.-​Phys. M. hatte schon bei dem im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren erstatteten Spurensicherungsgutachten vom 22.07.2010 die mögliche Anprallkonstellation des - behelmten - Kopfes der Klägerin und die Einblutung auf der linken Seite des Schutzhelms dokumentiert (Beiakte Bl. 77, vgl. auch Lichtbildaufnahme der Klägerin auf dem Krankenbett Bd. I Bl. 18 d. A.). Aus der Lichtbildmappe der Polizeiinspektion I. geht hervor, dass sich das Visier des Schutzhelms der Klägerin durch die Kollision vom Helm löste und sich in Endlage am aus Fahrtrichtung der Beteiligten gesehen linken Straßenrand befand (1. „Gegenaufnahme“ Beiakte Bl. 14, dort ist das Visier auf dem Bild mit dem Buchst. b) gekennzeichnet). Die demnach trotz des Helms offenkundig nicht zu verhindernden, zur Narbenbildung führenden Schnittwunden im Gesicht sind auch im Entlassungsbericht des Universitätsklinikums des Saarlandes vom 04.08.2010 vermerkt (Bd. I Bl. 14 d. A.). Die nach der unangegriffenen Feststellung des Landgerichts noch sichtbare, wenn auch nicht entstellende Narbe an der rechten Schulter fällt demgegenüber nicht ins Gewicht, so dass es keiner weiteren Aufklärung mehr bedarf, ob wenigstens diese Verletzung durch das von der Berufung angesonnene Tragen von Motorradschutzkleidung hätte verhindert werden können.

gg) Der vom Landgericht zugesprochene Betrag passt auch in das Gefüge der Rechtsprechung zur Höhe des Schmerzensgeldes.

(1) Insbesondere hatte das OLG Nürnberg in dem vom Landgericht herangezogenen Urteil vom 14.01.2002 (abgedruckt in OLGR 2002, 356 f.) unter Berücksichtigung eines immateriellen Vorbehalts ein Schmerzensgeld von 50.000 € für angemessen erachtet für eine junge Frau, die bei einem Verkehrsunfall schwere Weichteilverletzungen im Oberschenkel mit notwendigem plastisch-​chirurgischem Folgeeingriff und bleibenden großflächigen, entstellenden Narben (primärer Krankenhausaufenthalt, ohne Folgeeingriffe: 34 Tage), eine Bandruptur des linken Sprunggelenks, einen Abriss der spina iliaca mit andauernden Sitzbeschwerden sowie eine posttraumatische Belastungsreaktion erlitt. Als Dauerschaden verblieben dort großflächige, entstellende Narben am rechten Oberschenkel, Sitzbeschwerden, eine Läsion des nervus cutaneus femoris lateralis mit einer MdE von 10 v. H. und einer Gesamt-​MdE auf neurologisch-​psychologischem Gebiet von 30 v. H. Als besondere Umstände, die für die Entscheidung des OLG Nürnberg maßgebend waren, sind das Klagen über Kopfschmerzen, Konzentrations- und Merkfähigkeitsdefizite sowie Angstzustände und eine erforderliche psychotherapeutische Behandlung angegeben. Außerdem hat das OLG Nürnberg als Bemessungsfaktor zu Gunsten der Verletzten berücksichtigt, dass eine erfolgte (Teil-​) Zahlung von 15.000 DM angesichts der Verletzungen indiskutabel erschien und seit dem Unfall allein bis zum Erlass des Ersturteils vier Jahre vergangen waren, in denen die unmittelbaren Unfallfolgen am stärksten belasteten und eine angemessene Schmerzensgeldzahlung der Ausgleichsfunktion des Schmerzensgeldes vorrangig hätte gerecht werden können und müssen (OLG Nürnberg OLGR 2002, 356, 357). Der Anfang 2002 für angemessen erachtete Gesamtbetrag von 50.000 € entspricht infolge der Indexanpassung - bezogen auf das Jahr 2015 - heute einem Betrag von 60.658,00 € (Hacks/Wellner/Häcker, Schmerzensgeld Beträge 33. Aufl. Lfd. Nr. 33.3145).

(2) Das Zurückbleiben hinter diesem Betrag im vorliegenden Fall ist nach Auffassung des Senats damit zu rechtfertigen, dass entsprechende Beeinträchtigungen auf neurologisch-​psychologischem Gebiet bei der Klägerin nicht gegeben sind. Außerdem greift eine - von den Parteien und der Vorinstanz nicht erörterte - verzögerte Schadensregulierung als Bemessungsfaktor hier nicht Platz. Die schmerzensgelderhöhende Berücksichtigung des Regulierungsverhaltens - auf die sich die Klägerin jedenfalls nicht ausdrücklich beruft - setzt voraus, dass sich der leistungsfähige Schuldner einem erkennbar begründeten Anspruch ohne schutzwürdiges Interesse widersetzt (Senat NJW 2011, 933, 936 m. w. Nachw.; Palandt/Grüneberg, BGB 74. Aufl. § 253 Rn. 17). Die Beklagten haben auf den in Höhe von 50.000 € bestehenden Schmerzensgeldanspruch auf Grund des Unfallereignisses vom 01.07.2010 zwar lediglich vorgerichtlich 4.000 € gezahlt (die Klageschrift vom 01.09.2011 ist den Beklagten zu 1 und 2 am 23.09.2011 und der Beklagten zu 3 am 26.09.2011 zugestellt worden). Die Beklagten haben sich damit aber angesichts des streitigen Unfallhergangs nicht einem erkennbar begründeten Anspruch ohne schutzwürdiges Interesse widersetzt. In dem Hinweis- und Beweisbeschluss des Landgerichts vom 23.10.2012 heißt es zwar im Zusammenhang mit einem Vergleichsvorschlag, es komme derzeit durchaus ein Schmerzensgeld zwischen 40.000 und 50.000 € in Betracht (Bd. I Bl. 184 d. A.), gleichwohl wird in demselben Beschluss erst eine Beweisaufnahme zum Unfallhergang angeordnet. In der Berufungsbegründung vom 20.01.2014 gehen die Beklagten den Berufungsanträgen zufolge von einem berechtigten Schmerzensgeld in Höhe von 11.000 € und einer Haftungsquote der Beklagten von 50 v. H. aus (Bd. II Bl. 356 d. A.); im Übrigen ist ihnen ein schutzwürdiges Interesse nicht abzusprechen.

(3) Nicht vergleichbar mit dem vorliegenden Fall ist hingegen das vom Landgericht ebenfalls herangezogene Urteil des OLG München vom 26.09.1991 (ZfSch 1992, 264), bei dem der zugesprochene Schmerzensgeldbetrag von 100.000 DM unter Beachtung der Indexanpassung - wiederum bezogen auf das Jahr 2015 - eine Summe von 75.779,00 € ergeben würde (Hacks/Wellner/Häcker, aaO Lfd. Nr. 33.736). Im Fall des OLG München handelte es sich beim Verletzten um einen nicht näher beschrieben Mann, der sich zwei Krankenhausaufenthalten von circa sechs Monaten insgesamt mit mehreren Operationen, unter anderem Lateralisierung der Tibialissehne am linken Fußrücken und drei Hautverpflanzungen unterziehen musste und anfangs vier Wochen einen Dauerkatheter angelegt bekam. Überdies waren im Fall des OLG München die Dauerfolgen wesentlich schwerwiegender. So waren dort eine Verkürzung des linken Beins um 2 cm mit Muskelverschmächtigungen und Kapselschwellungen, eine Einschränkung der Beweglichkeit im Kniegelenk, eine Versteifung im unteren Sprunggelenk, eine Aufhebung der Beweglichkeit in linken Zehengelenken, knöcherne Durchbauungen in den Bruch- und Versteifungsbereichen, Durchblutungsstörungen im Unterschenkel und eine dauerhafte MdE 50 v. H. zu verzeichnen.

hh) Unter Berücksichtigung aller Umstände überzeugt daher die Bemessung des Schmerzensgeldes durch das Landgericht mit insgesamt 50.000 €, so dass unter Berücksichtigung vorgerichtlich gezahlter 4.000 € noch 46.000 € zu zahlen sind.

3. Entgegen der Auffassung des Landgerichts steht der Klägerin Ersatz für die als Hauptforderung geltend gemachten materiellen Schäden nur in Höhe von 344,72 € zu.

a) In Bezug auf die Fahrtkosten rügt die Berufung mit Recht, dass vorliegend die den Eltern der Klägerin entstandenen Fahrtkosten nicht erstattungsfähig sind.

aa) Für Vermögensnachteile, die nur mittelbar aus dem Eingriff in Schutzgüter eines anderen erwachsen, schuldet der Schädiger nur in den vom Gesetz zugelassenen Ausnahmefällen der §§ 844, 845 BGB Schadensersatz. Darüber hinaus sind nach gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung auf Grund wertender Betrachtung wegen ihrer engen Verbundenheit mit den Heilungskosten des Verletzten ausnahmsweise die Kosten für Besuche nächster Angehöriger am Krankenbett des Verletzten als dessen Gesundheitsschaden als erstattungsfähig anzusehen (BGHZ 106, 28, 30; BGH NJW 1991, 2340, 2341). Die Erstattungsfähigkeit ist auf den Kreis nächster Angehöriger und auf Besuche während des stationären Krankenhausaufenthalts des Verletzten beschränkt. Darüber hinaus können im Interesse einer sich am Gesetz orientierenden Abgrenzung auch die Besuchskosten nächster Angehöriger nur erstattungsfähig sein, wenn und soweit diese Besuche für die Gesundung des Patienten nach seiner Befindlichkeit medizinisch notwendig sind. Der Ersatz hat sich ferner auf die unvermeidbaren Kosten zu beschränken. Krankenbesuche aufgrund der engen persönlichen Verbundenheit ohne diese herausgehobene medizinische Notwendigkeit sind ungeachtet ihrer Erwünschtheit auch für das psychische und physische Befinden des Patienten selbst bei nächsten Angehörigen nicht erstattungsfähig. Entsprechendes muss für die Höhe der Aufwendungen gelten, soweit sie über das Unvermeidbare hinausgehen. Zu ersetzen sind die Fahrtkosten der wirtschaftlichsten Beförderungsart (BGH NJW 1991, 2340, 2341). Die Darlegungs- und Beweislast für die medizinische Notwendigkeit der Fahrtkosten liegt grundsätzlich beim Geschädigten, wobei jedoch keine übertriebenen Anforderungen zu stellen sind (OLG Hamm r + s 1993, 20 [sechsjähriges Kind]). Der Nachweis kann im Einzelfall auch durch Vorlage einer entsprechenden ärztlichen Bescheinigung erfolgen (OLG Hamm r + s 1993, 20; KG Schaden-​Praxis 2000, 378).

bb) Hier hat die Klägerin, wie in der Berufungsverhandlung im Einzelnen erörtert worden ist, nicht hinreichend dargetan, aus welchen Gründen ein Besuch ihrer Eltern zur Genesung medizinisch erforderlich gewesen sein soll.

(1) In der Klageschrift heißt es ohne Differenzierung und Begründung, die Klägerin begehre Fahrtkosten, welche durch Krankenhausbesuche der Eltern sowie Fahrten zu den behandelnden Ärzten entstanden seien (Bd. I Bl. 12 d. A.). Aus der als Anlage K 16 beigefügten Fahrtkostentabelle geht hervor, dass von den Fahrtkosten für insgesamt 3.358,2 km insgesamt 2.625 km auf 35 (keinen konkreten Tagen zugeordneten) Besuche der Eltern zwischen dem 01.07. und dem 04.08.2010 entfallen. Obgleich diese Besuche auf Grund der Schwere der Unfallverletzungen der Tochter verständlich und begrüßenswert sind, fehlt es an der nach der höchst- und obergerichtlichen Rechtsprechung erforderlichen Darlegung und dem Nachweis, dass alle diese Besuche für die Gesundung der Klägerin nach ihrer Befindlichkeit medizinisch notwendig waren.

(2) Das Landgericht hat ungeachtet des fehlenden Vortrags der Klägerin und ohne ärztliche Unterlagen oder sachverständige Beratung eine medizinische Notwendigkeit und Unvermeidbarkeit bejaht. Zur Begründung hat es darauf abgestellt, die Klägerin habe sich zunächst in Lebensgefahr befunden und unter Zukunftsängsten gelitten. Auf Grund der Entfernung der Klinik (in Homburg) zum Wohnort der Klägerin (in I.-​H.) hätten keinerlei anderweitige soziale Kontakte bestanden. Gerade in einer solchen Situation sei die psychische Unterstützung durch andere Familienmitglieder wichtig und stabilisierend und fördere zweifellos den Heilungsprozess (Bd. II Bl. 341 d. A.). Diese Begründung ist zwar nachzuvollziehen, erfüllt aber nicht die von der höchst- und obergerichtlichen Rechtsprechung aufgestellten Kriterien, an denen im Interesse der Rechtssicherheit und der sachgerechten Begrenzung des Ersatzes mittelbar erwachsener Vermögensnachteile Dritter festzuhalten ist. Danach reicht die Erwünschtheit für das physische und psychische Wohlbefinden des Verletzten gerade nicht aus, sondern müsste die medizinische Notwendigkeit für alle 35 Besuche ärztlich belegt sein, woran es hier fehlt.

cc) Auf die demnach allein verbleibenden Fahrtkosten für Arztbesuche und Behandlungen der Klägerin - die nach insoweit zutreffender Feststellung des Landgerichts nicht bestritten sind (Bd. II Bl. 341 d. A.) - entfallen (3.358,2 km - 2.625 km =) 733,2 km. Diese sind selbst auf der Grundlage eines von der Klägerin angesetzten - von der Berufung bezweifelten - km-​Satzes von 0,30 € (über-​) reguliert.

b) Beanstandungsfrei hat das Landgericht den Anspruch auf Ersatz der weiteren geltend gemachten materiellen Schäden zuerkannt.

aa) Wegen Beschädigung der beim Unfall getragenen Kleidung der Klägerin (90 €, Bd. I Bl. 9 d. A.), des Motorradhelms (100 €, Bd. I Bl. 10 d. A.), des Erwerbs neuer Kleidungsstücke für Krankenhaus- und Reha-​Aufenthalt (178 €, Bd. I Bl. 10 d. A.) sowie Heilbehandlungs- und Attestkosten und Zuzahlungen (93,44 €, Bd. I Bl. 11 d. A.) ist der Klägerin ein weiterer Schaden in Höhe von 461,44 € entstanden, auf den die Beklagten (45 € + 25 € + 46,72 € =) 116,72 € gezahlt haben, so dass insoweit 344,72 € verbleiben.

bb) Die Berufung (Bd. II Bl. 361 d. A.) rügt ohne Erfolg, es sei nicht nachzuvollziehen, warum bezüglich der angeschafften Kleidung kein Vorteilsausgleich angerechnet werden solle. Das Landgericht hat zutreffend berücksichtigt, dass es sich um T-​Shirts, Tops, Nachthemden und Sporthosen handelt, die jeweils geringwertig sind (Kaufpreise zwischen 5 und 15 €, Bd. I Bl. 10 d. A., Lichtbildkopien Bd. I Bl. 53 ff. d. A.) und auf Grund des unfallbedingten langen stationären Aufenthalts im Krankenhaus und in der Reha-​Klinik angeschafft wurden. Es leuchtet ein, dass, wie das Landgericht ausgeführt hat, nach Anschaffungspreis, Stückzahl und Verwendungszweck nach Beendigung der stationären Behandlung kein auszugleichender Vorteil bei der Klägerin verblieb.

4. Das Landgericht hat Rechtsanwaltskosten in Höhe von 2.830,18 € aus einem vor der Regulierung geltend gemachten Gegenstandswert von 52.288,90 € auf der Grundlage einer 2,1 Rahmengebühr gemäß Nr. 2300 VV RVG zugesprochen. Dagegen wendet sich die Berufung im Ergebnis ohne Erfolg. Zu den nach § 249 Abs. 1 BGB zu ersetzenden Kosten der Rechtsverfolgung gehören grundsätzlich auch die Kosten eines mit der Sache befassten Rechtsanwalts, soweit sie - wie hier - durch das Schadensereignis adäquat verursacht sind (BGH NJW-​RR 2007, 713, 714 Rn. 10). Soweit mit dem Rechtsmittel diese Kosten (pauschal) beanstandet werden, ist festzuhalten, dass die Beklagten den betreffenden Sachvortrag der Klägerin (Bd. I Bl. 13 d. A.) erstinstanzlich nicht bestritten haben (vgl. Bd. I Bl. 77 f. d. A.), neues Vorbringen also gemäß § 531 Abs. 2 ZPO nicht zuzulassen ist. Richtig ist zwar, dass als Gegenstandswert der Betrag der berechtigten Forderung zu Grunde zu legen ist. Dieser Betrag beläuft sich hier allein auf Grund des vor der Teilzahlung mit 50.000 € zu bemessenden Schmerzensgeldbetrags und der berechtigten materiellen Ansprüche auf mehr als 50.000 €, so dass - da bis 52.288,90 € kein weiterer Gebührensprung mehr eintritt (ein solcher erfolgt gemäß Anhang 2 zu § 13 Abs. 1 Satz 3 RVG erst bei mehr als 65.000 €) - die Bemessungsgrundlage nicht zu beanstanden ist. Da die Beklagten nicht behaupten, die Teilleistungen seien vor Entstehung der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten bewirkt worden, ist eine nachfolgende Teilerfüllung der Hauptforderung auf den Gegenstandswert ohne Einfluss.

5. Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 288 Abs. 1, 291 BGB. Die geltend gemachten Rechtshängigkeitszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz (§§ 288 Abs. 1, 291 BGB) kann die Klägerin auf Grund der für den Verzug maßgeblichen (§ 10 Abs. 5 AKB 1988 bzw. A.1.1.4 AKB 2008, dazu Palandt/Grüneberg, BGB 74. Aufl. § 425 Rn. 3) früheren Klagezustellung an die Beklagten zu 1 und 2 am 23.09.2011 (Bd. I Bl. 66, 67 d. A., jeweils Rücks.) gemäß §§ 291 Satz 1 Halbs. 1, 187 Abs. 1 BGB ab dem Folgetag (vgl. BGH NJW 2013, 2739, 2742 Rn. 29), also ab dem 24.09.2011 verlangen, so dass die angefochtene Entscheidung insoweit im Ergebnis im Rahmen der Berufungsanträge zu bestätigen ist. Der Klägerin steht nach § 291 BGB auch ein Anspruch auf Zahlung von Rechtshängigkeitszinsen auf den unbeziffert geltend gemachten Schmerzensgeldanspruch wegen des gesamten zuerkannten Schmerzensgeldbetrages zu (BGH NJW 1965, 1374, 1376; Palandt/Grüneberg, aaO § 291 Rn. 3).

6. Der Feststellungsantrag ist zulässig und nach Maßgabe der vorstehend dargestellten gesamtschuldnerischen Haftung der Beklagten in vollem Umfang begründet.

a) Das Landgericht hat die Zulässigkeit des Feststellungsantrags im Ergebnis zu Recht bejaht.

aa) Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung ist eine Klage auf Feststellung der Verpflichtung zum Ersatz bereits eingetretener und künftiger Schäden zulässig, wenn die Möglichkeit eines Schadenseintritts besteht. Ein Feststellungsinteresse (§ 256 Abs. 1 ZPO) ist nur zu verneinen, wenn aus der Sicht des Geschädigten bei verständiger Würdigung kein Grund gegeben ist, mit dem Eintritt eines Schadens wenigstens zu rechnen (BGH VersR 2001, 876; VersR 2001, 874, 875). Nach diesen Maßstäben kann das Feststellungsinteresse vorliegend nicht verneint werden.

bb) Entgegen der Annahme im angefochtenen Urteil vom 28.11.2013 kommt es für die Zulässigkeit der Feststellungsklage nicht darauf an, ob eine Leistungsklage derzeit - gemeint wohl: im Zeitpunkt des Ablaufs der an Stelle des Schlusses der letzten mündlichen Verhandlung im ersten Rechtszug getretenen Schriftsatzfrist bis zum 07.11.2013 (Bd. II Bl. 320 d. A.) - nur im erhobenen Umfang möglich ist. Für eine neben einer Leistungsklage erhobene Feststellungsklage ist das Feststellungsinteresse im Sinne des § 256 Abs. 1 ZPO immer dann gegeben, wenn der entstandene oder noch entstehende Schaden nicht bereits in vollem Umfang durch den Antrag auf Zahlung erfasst ist (so genannte Nebenfeststellungsklage, BGH NJW-​RR 1986, 1026, 1028; NJW 1999, 1867, 1870; MünchKomm-​ZPO/Becker-​Eberhard, 4. Aufl. § 256 Rn. 53). Ist eine Feststellungsklage nach diesen Grundsätzen - wie hier - zulässig erhoben worden, braucht die klagende Partei auch dann nicht zur Leistungsklage überzugehen, wenn im Laufe des Rechtsstreits der gesamte Schaden (weiter) bezifferbar wird (BGH NJW 2006, 439, 440; 2011, 3361 Rn 16). Ist die Schadensentwicklung hingegen schon bei Klageerhebung abgeschlossen, steht der klagenden Partei grundsätzlich nur die Leistungsklage zur Verfügung. Das gilt auch dann, wenn der Schaden nur mit Hilfe eines Sachverständigen und unter Aufwendung von Kosten beziffert werden kann (BGH NJW-​RR 1988, 445). Da die Schadensentwicklung auf der Grundlage der Darstellung der Klägerin bei Klageerhebung gerade nicht abgeschlossen war, ist und bleibt die Feststellungsklage zulässig.

b) Zutreffend hat das Landgericht die Feststellungsklage für begründet erachtet (Bd. II Bl. 342 d. A.). Ein zulässiger Feststellungsantrag ist begründet, wenn die sachlichen und rechtlichen Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs vorliegen, also ein haftungsrechtlich relevanter Eingriff gegeben ist, der zu möglichen künftigen Schäden führen kann (BGH VersR 2007, 708). Auch das ist hier der Fall. Das Vorliegen eines haftungsrechtlich relevanten Eingriffs ist unstreitig. Dieser Eingriff kann zu möglichen künftigen Schäden führen. Auf Grund der unstreitigen schweren unfallbedingten Verletzungen der Klägerin, welche unter anderem zu einer MdE geführt haben, sind zukünftige materielle und immaterielle Schäden offenkundig nicht auszuschließen.

7. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 2 Nr. 1 (analog) ZPO. Legen erstinstanzlich verurteilte Gesamtschuldner erfolglos Berufung ein, haften sie auch zweitinstanzlich als Gesamtschuldner, sofern sie erstinstanzlich - wie hier die Beklagten - als solche verurteilt worden sind. Es bedarf nicht eines Gesamtschuldnerausspruchs im Berufungsurteil (Zöller/Herget, ZPO 30. Aufl. § 100 Rn. 11). Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. § 713 ZPO findet keine Anwendung.

8. Die Revision ist entgegen der Anregung der Berufung (Bd. II Bl. 394 d. A.) gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 ZPO nicht zuzulassen; denn weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.