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Landgericht Düsseldorf Urteil vom 18.06.2009 - 11 O 509/08 - Pflicht zum Hinweis auf die Möglichkeit eines Stichentscheides

LG Düsseldorf v. 18.06.2009: Pflicht zum Hinweis auf die Möglichkeit eines Stichentscheides bei Ablehnung der Deckung wegen Zweifeln an der Zweckmäßigkeit der Rechtsverfolgung


Das Landgericht Düsseldorf (Urteil vom 18.06.2009 - 11 O 509/08) hat entschieden:
  1. § 158 n VVG a.F. erfasst ausweislich seines Wortlautes Meinungsverschiedenheiten über die Erfolgsaussicht und die Mutwilligkeit einer Rechtsverfolgung. Demnach sind im Falle der Ablehnung der Leistungspflicht durch den Versicherer - weil die Wahrnehmung der rechtlichen Interessen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg biete oder mutwillig sei - Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Versicherungsnehmer und dem Versicherer über die Erfolgsaussichten oder die Mutwilligkeit einer Rechtsverfolgung per Stichentscheid gemäß § 158 n VVG a.F. beizulegen.

  2. § 158 n VVG a.F. ist angelehnt an § 114 ZPO, der die Voraussetzungen, unter denen einer wirtschaftlich schwachen Person Prozesskostenhilfe gewährt wird, regelt. Die Mutwilligkeit einer Rechtsverfolgung im Sinne des § 114 ZPO wird dann angenommen, wenn eine verständige, nicht hilfsbedürftige Partei ihre Rechte nicht in gleicher Weise verfolgen würde. Mutwillig handelt deshalb, wer von zwei gleichwertigen prozessualen Wegen denjenigen beschreitet, von dem er von vornherein annehmen muss, dass er für ihn der kostspieligere ist. Die Frage der Kostenintensität einer bestimmten prozessualen Art der Rechtsverfolgung im Vergleich zur Kostenintensivität einer anderen prozessualen Art der Rechtsverfolgung spielt daher für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter dem Aspekt der Mutwilligkeit eine Rolle. Insbesondere kann das Anstrengen eines neuen Prozesses - statt Erweiterung einer bereits anhängigen Klage - den Tatbestand der Mutwilligkeit begründen.

  3. Durch die Anlehnung des § 158 n VVG a.F. an § 114 ZPO muss dies gleichermaßen auch für die Regelung des § 158 n VVG a.F. gelten. Auch hier stellt die Frage der Kostenintensivität einer bestimmten prozessualen Art der Rechtsverfolgung im Vergleich zur Kostenintensivität einer anderen prozessualen Art der Rechtsverfolgung eine Frage der Mutwilligkeit derselben dar und ist daher einem Stichentscheid im Sinne des § 158 n VVG a.F. zugänglich, darüber hinaus sogar wegen § 158 o VVG a.F., der eine Abweichung von der Regelung des § 158 n VVG a.F. zu Lasten des Versicherungsnehmers verbietet, einem Stichentscheid verbindlich unterworfen. Ein Stichentscheid wird demnach im Falle der Deckungsablehnung verpflichtend für die Frage, welche prozessuale Art der Rechtsverfolgung weniger kostenintensiv ist.

Siehe auch Rechtsschutzversicherung und Rechtsschutzversicherung und Dieselskandal


Tenor:

  1. Es wird festgestellt, dass die Beklagte aus dem Versicherungsvertrag mit der Vertragsnummer 00336469 verpflichtet ist, dem Kläger für die gerichtliche Durchsetzung seiner Ansprüche gegen die A + B Kostenschutz für die I. Instanz mittels separater Klage zu gewähren.

  2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte aus dem Versicherungsvertrag mit der Vertragsnummer 00336469 verpflichtet ist, dem Kläger für die außergerichtliche Geltendmachung seiner Ansprüche gegen die A + B Kostenschutz zu gewähren.

  3. Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.

  4. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.


Tatbestand:

Für den Kläger besteht bei der Beklagten seit dem 11.07.1991 ein Familienrechtsschutz unter der Versicherungsscheinnummer 00336469.

Im November 2001 schloss der Kläger mit der A einen Treuhandvertrag. Der Kläger unterzeichnete hierzu auf einem Formular mit der Überschrift "Beitrittserklärung und Treuhandvertrag" seinen Beitritt zur C. Mit seinem Beitritt verpflichtete sich der Kläger gegenüber der Treuhänderin zur Erbringung einer Kommanditeinlage in Höhe von insgesamt 16.106,19 Euro, welche vereinbarungsgemäß gegenüber der C bewirkt werden sollte.

Die Treuhänderin war selbst an der C beteiligt und Gründungsgesellschafterin. Initiatorin und weitere Gründungsgesellschafterin war die D (nachfolgend: Initiatorin) sowie die Herren E und F.

Dem Kläger wurde der Abschluss der Beteiligung angeraten, nachdem er sich aus einer Beteiligung an der G wegen zunehmender Besorgnis über die Werthaltigkeit und Eignung dieser Anlage zur beabsichtigten Altersvorsorge befreien wollte.

Der Kläger wurde sodann (konzeptionsgemäß) durch die G von der Erbringung weiterer Einlagen befreit, da er sich verpflichtete, die entsprechenden Einlagen nunmehr an die C zu leisten.

Bei der C handelt es sich um eine Auffanggesellschaft, an der die Unternehmen der H Mehrheitsbeteiligungen halten und die mit Herrn E als Geschäftsführer der Initiatorin durch ein Organmitglied der H geleitet wird.

Für die abgeschlossenen Verträge gilt der Emissionsprospekt der "I".

Nach dem Prospekt war vorgesehen, dass die C in "ausgesuchte" Investitionsbereiche investiert. Sie verfolge ein sogenanntes "Drei-​Säulen-​Konzept". Fonds 1 betraf Investitionen in offene Immobilienfonds, Fonds 2 Investitionen in Investmentfonds sowie in Akten und Fonds 3 Investitionen in Unternehmensbeteiligungen.

Desweiteren führt der Prospekt unter Punkt A. II. 4. folgende Erläuterung aus:
"…. Es handelt sich nicht um eine Kapitalanlagegesellschaft im Sinne des Gesetzes über die Kapitalanlagegesellschaften (KAGG), die der Aufsicht des Bundesaufsichtsamtes für das Kreditwesen unterliegt."
Bereits am 01.01.1998 trat in die 6. Novelle zum Gesetz über das Kreditwesen (KWG) in Kraft. Nach dieser Novelle sollten insbesondere Finanzportfolioverwaltungen künftig erlaubnispflichtig sein. Dies betrifft vor allem Finanzdienstleistungen bezüglich Wertpapieren, wie Aktien. Der Fonds 2 der Fonds KG war dahingehend ausgerichtet.

Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) hat der Treuhänderin mit Bescheid vom 17.09.2004 die Ausübung des weiteren Geschäftsbetriebes als Treuhandkommanditistin der C und der C selbst untersagt und die Abwicklung der Geschäftstätigkeit angeordnet, weil diese unerlaubte Finanzkommissionsgeschäfte durchführen.

Dem Kläger stehen - jedenfalls nach seiner Ansicht - gegen die Treuhänderin und gegenüber den Initiatoren Schadensersatzansprüche aus Delikt und aus Verschulden bei Vertragsschluss zu. Mit Schreiben vom 13.12.2006 wurde die Treuhänderin unter Fristsetzung aufgefordert, die Schadensersatzansprüche gegenüber dem Kläger anzuerkennen. Hierauf reagierte die Treuhänderin nicht.

Mit Schreiben vom 27.11.2006 wurde die Beklagte um Kostenschutz für die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegenüber der Treuhänderin sowie den Initiatoren der C gebeten (Anlage K 3).

Die Beklagte erbat sich mit Schreiben vom 05.12.2006 weitere Darlegungen zur Frage, "welche erheblichen Gründe einer gemeinsamen Inanspruchnahme der Verantwortlichen" mit den Vorständen der H in dem 2003 geführten Gerichtsverfahren entgegenstanden (Anlage K 4).

Mit Schreiben vom 11.12.2006 wurde die Beklagte darüber informiert, dass die Klage vor dem Landgericht Freiburg aus dem Jahre 2003 ausschließlich gegen ehemalige Vorstände der G wegen Prospekthaftung "im engeren Sinne" betreffend atypisch stille Gesellschaftsbeteiligungen an der G geführt wurde. Desweiteren wurde die Beklagte davon in Kenntnis gesetzt, dass keiner der in diesem Verfahren in Anspruch genommenen Personen zu irgendeinem Zeitpunkt an den Gründungsgesellschafterinnen der C beteiligt war. Ferner wurde die Beklagte darauf hingewiesen, dass es sich bei der Beteiligung an der G und dem Treuhandvertrag zur Beteiligung an der C um zwei verschiedene Angelegenheiten handele (Anlage K 5). Auf dieses Schreiben reagierte die Beklagte nicht.

Mit Schreiben vom 05.12.2007 wurde der Beklagten (nochmals) dargelegt, dass es sich bei den Initiatoren der C und den Verantwortlichen der H um verschiedene Anspruchsgegner handele und die Treuhänderin zudem eine eigenständige Rechtspersönlichkeit darstelle, so dass eine gemeinsame Inanspruchnahme nicht möglich sei bzw. gewesen sei. Desweiteren wurde die Beklagte über das Scheitern der außergerichtlichen Bemühungen sowie die drohende Verjährung der Ansprüche zum 31.12.2007 informiert und um die Erteilung von Kostenschutz für die nunmehrige Auffassung des Klägers notwendige gerichtliche Durchsetzung der Ansprüche gebeten (Anlage K 6).

Die Beklagte teilte mit Schreiben vom 12.12.2007 mit, dass sie bereits im Jahr 2005 eine "entsprechende Zusage für eine Klageerweiterung bezüglich der Vermittler erteilt" habe und den Kläger hier eine "Schadenminderungsobliegenheit" treffe (Anlage K 7).

Mit Klage vom 28.12.2007 machte der Kläger (aufgrund drohender Verjährung) seine - vermeintlichen - Ansprüche gegenüber der Treuhänderin und Initiatoren der C vor dem Landgericht Göttingen geltend (Anlage K 10).

Mit Schreiben vom 14.03.2008 wurde die Beklagte - nochmals - darauf hingewiesen, dass es sich - nach Ansicht des Klägers - um verschiedene Angelegenheiten handele und das Verfahren gegen die Vorstände der H zudem bereits abgeschlossen gewesen sei (Anlage K 11).

Die Beklagte teilte daraufhin mit Schreiben vom 15.04.2008 mit, dass sie nach erneuter eingehender Überprüfung der Angelegenheit bei ihrer Entscheidung bleibe (Anlage K 12).

Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger von der Beklagten Deckungsschutz für die gerichtliche Durchsetzung seiner Ansprüche gegen die A + B in erster Instanz mittels separater Klage sowie die Feststellung, dass die Beklagte dem Kläger Deckungsschutz für die außergerichtliche Geltendmachung seiner Ansprüche gegen die A sowie deren Gründungsgesellschaftern und Initiatoren Kostenschutz zu gewähren habe.

Der Kläger trägt im Wesentlichen vor:

Eine Leistungsfreiheit der Beklagten scheide bereits deshalb aus, weil die Beklagte den Kläger bei Ablehnung ihrer Eintrittspflicht nicht auf die bedingungsgemäß eingeräumte Möglichkeit der Einholung eines Stichentscheides bzw. der Einleitung eines Schiedsgutachterverfahrens hingewiesen und damit gegen die gesetzlich vorgeschriebene Belehrungspflicht des § 158 n Satz 2 VVG a.F. verstoßen habe. Daran ändere auch der Umstand nichts, dass sich die Beklagte bei ihrer Leistungsablehnung nicht ausdrücklich auf eine "Mutwilligkeit" der Art und Weise der Interessenwahrnehmung berufen habe, sondern die angezeigte Interessenwahrnehmung als Verletzung einer vertraglich vereinbarten Obliegenheit deklariert hat. Dies verstoße indessen gegen das Abweichungsverbot des § 158 o VVG a.F.

Im Übrigen stelle die separate Klageerhebung vorliegend schon deshalb kein "mutwilliges" Verhalten dar, weil dem Kläger die frühere Geltendmachung der streitgegenständlichen Ansprüche in dem im Jahre 2003 vor dem Landgericht Freiburg geführten und bereits Mitte Mai 2005 vor dem Oberlandesgericht Karlsruhe abgeschlossenen Verfahrens überhaupt nicht möglich gewesen wäre, denn insoweit habe es sich seinerzeit um völlig andere Anspruchsgegner gehandelt.

Im Übrigen habe der Kläger objektiv auch keine Obliegenheiten verletzt.

Der Kläger beantragt,
wie erkannt.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie trägt im Wesentlichen vor:

Sie könne sich auf Leistungsfreiheit wegen Obliegenheitsverletzung gemäß § 15 Abs. 1 d cc ARB 75 in Verbindung mit § 6 VVG a.F. berufen.

Gemäß § 15 Abs. 1 d cc ARB 75 habe der Versicherungsnehmer alles zu vermeiden, was eine unnötige Erhöhung der Kosten oder eine Erschwerung ihrer Erstattung durch die Gegenseite verursachen könnte, soweit seine Interessen nicht unnötig beeinträchtigt werden. Dies bedeute, dass dort, wo es billiger gehe, dem Versicherungsnehmer aufgegeben sei, keine höheren Kosten zu verursachen. Daher dürfe er grundsätzlich nicht zwei Prozesse führen, wenn sein Ziel kostengünstiger auch mit einem Prozess erreichbar sei.

Genau aus diesem Grunde habe die Beklagte die Deckung für ein außergerichtliches Verfahren und eine separate Klage abgelehnt und nicht wegen mangelnder Erfolgsaussichten. Die Ausführungen des Klägers zu § 158 n VVG a.F. lägen neben der Sache.

Im vorliegenden Fall hätte ein nicht rechtsschutzversicherter Kläger unter Kostengesichtspunkten eine gemeinsame Klage eingereicht, denn im Hinblick auf die getätigte Kapitalanlage habe der gesamte Schadensfall auf einem einheitlich zu betrachtenden Lebenssachverhalt beruht.

Unter Kostenminderungsgesichtspunkten sei auch eine außergerichtliche Tätigkeit der Prozessbevollmächtigten des Klägers nicht erforderlich gewesen. Zunächst sei nicht ersichtlich, worin diese bestanden haben soll. Angesichts des gesamten "H-​Szenario" sei auch in keiner Weise zu erwarten gewesen, dass die Schadensersatzansprüche des Klägers außergerichtlich reguliert würden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt verwiesen.


Entscheidungsgründe:

Die Klage ist begründet.

Versicherungsschutz in Bezug auf das gerichtliche und außergerichtliche Vorgehen des Klägers gegen die A + B besteht - was zwischen den Parteien unstreitig ist - grundsätzlich.

Entgegen der Auffassung der Beklagten steht dem Kläger indessen auch ein Anspruch auf Deckungsschutz für die separate gerichtliche und außergerichtliche Rechtsverfolgung in dem geltend gemachten Umfang zu.

Das Rechtsschutzbedürfnis des Klägers in Bezug auf die separat gegen die genannten juristischen und natürlichen Personen gerichtliche Rechtsverfolgung gilt gemäß § 158 n Satz 3 VVG a.F. als anerkannt. Die Beklagte hat den begehrten Deckungsschutz für die außergerichtliche Interessenwahrnehmung mit Schreiben vom 05.12.2006 (Anlage K 4) sowie für die - separate - gerichtliche Inanspruchnahme der Initiatoren und der Treuhänderin mit Schreiben vom 17.12.2007 (Anlage K 7) unter Hinweis auf Kosten- bzw. Schadensminderungsobliegenheiten des Klägers abgelehnt, ohne diesen auf die Möglichkeit eines Stichentscheides über die Mutwilligkeit der von dem Kläger beabsichtigten Rechtsverfolgung nach § 158 n VVG a.F. hinzuweisen. Von der Mutwilligkeit einer Rechtsverfolgung im Sinne des § 158 n VVG a.F. werden auch Fragen der Kostenintensivität und Zweckmäßigkeit einer Rechtsverfolgung erfasst.

Anders als in einem ähnlichen Fall (Urteil vom 25.01.2007, 11 0 279/06) ist das Gericht zu der vorgenannten Auffassung nunmehr aus folgenden Gründen gelangt:

§ 158 n VVG a.F. erfasst ausweislich seines Wortlautes Meinungsverschiedenheiten über die Erfolgsaussicht und die Mutwilligkeit einer Rechtsverfolgung. Demnach sind im Falle der Ablehnung der Leistungspflicht durch den Versicherer - weil die Wahrnehmung der rechtlichen Interessen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg biete oder mutwillig sei - Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Versicherungsnehmer und dem Versicherer über die Erfolgsaussichten oder die Mutwilligkeit einer Rechtsverfolgung per Stichentscheid gemäß § 158 n VVG a.F. beizulegen. § 158 n VVG a.F. ist angelehnt an § 114 ZPO, der die Voraussetzungen, unter denen einer wirtschaftlich schwachen Person Prozesskostenhilfe gewährt wird, regelt. Die Mutwilligkeit einer Rechtsverfolgung im Sinne des § 114 ZPO wird dann angenommen, wenn eine verständige, nicht hilfsbedürftige Partei ihre Rechte nicht in gleicher Weise verfolgen würde. Mutwillig handelt deshalb, wer von zwei gleichwertigen prozessualen Wegen denjenigen beschreitet, von dem er von vornherein annehmen muss, dass er für ihn der kostspieligere ist. Die Frage der Kostenintensität einer bestimmten prozessualen Art der Rechtsverfolgung im Vergleich zur Kostenintensivität einer anderen prozessualen Art der Rechtsverfolgung spielt daher für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter dem Aspekt der Mutwilligkeit eine Rolle. Insbesondere kann das Anstrengen eines neuen Prozesses - statt Erweiterung einer bereits anhängigen Klage - den Tatbestand der Mutwilligkeit begründen.

Durch die Anlehnung des § 158 n VVG a.F. an § 114 ZPO muss dies gleichermaßen auch für die Regelung des § 158 n VVG a.F. gelten. Auch hier stellt die Frage der Kostenintensivität einer bestimmten prozessualen Art der Rechtsverfolgung im Vergleich zur Kostenintensivität einer anderen prozessualen Art der Rechtsverfolgung eine Frage der Mutwilligkeit derselben dar und ist daher einem Stichentscheid im Sinne des § 158 n VVG a.F. zugänglich, darüber hinaus sogar wegen § 158 o VVG a.F., der eine Abweichung von der Regelung des § 158 n VVG a.F. zu Lasten des Versicherungsnehmers verbietet, einem Stichentscheid verbindlich unterworfen. Ein Stichentscheid wird demnach im Falle der Deckungsablehnung verpflichtend für die Frage, welche prozessuale Art der Rechtsverfolgung weniger kostenintensiv ist.

Ein weiteres Verständnis des Tatbestandsmerkmals der "Mutwilligkeit" in § 158 n VVG a.F., das - über die Erfassung der Kostenintensivität hinausgehend - auch die Zweckmäßigkeit einer Rechtsverfolgung umfasst, gebietet überdies Artikel 6 der Richtlinie 37/344/EWG des Rates vom 22.06.1987 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Rechtsschutzversicherung, den § 158 n VVG a.F. in deutsches Recht umsetzen soll (BT-​Drucksache 11/6341, Seite 37). Nach Artikel 6 der Richtlinie haben die Mitgliedsstaaten der EU alle zweckdienlichen Vorkehrungen zu treffen, damit ein Schiedsverfahren oder ein anderes Verfahren vorgesehen wird, das vergleichbare Garantien für die Objektivität bietet, nach dem die Haltung, die bei Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Rechtsschutzversicherer und seinem Versicherten hinsichtlich des Vorgehens zur Beilegung des Streitfalles einzunehmen ist, entschieden wird. Um Artikel 6 der Richtlinie eine möglichst weitgehende praktische Wirksamkeit zukommen zu lassen, ist es erforderlich, § 158 n VVG a.F. im Lichte des Artikels 6 der Richtlinie weit auszulegen.

Für diese Auslegung spricht nicht zuletzt auch die Entstehungsgeschichte des § 158 n VVG a.F., wonach ein Stichentscheid auch die einzunehmende Haltung bei Meinungsverschiedenheiten zwischen Versicherungsnehmer und Versicherer in der Frage der Zweckmäßigkeit eines Gerichtsverfahrens festlegen sollte (vgl. Unterrichtung des Bundestages durch die Bundesregierung, BT-​Drucksache 8/3295, Seite 5).

Auf die konkrete vertragliche Grundlage, aufgrund derer ein Versicherer den Deckungsschutz ablehnt, kann es demgegenüber für das Verständnis des § 158 n VVG a.F. nicht ankommen. Zwar korrespondiert § 158 n VVG a.F. mit § 1 Abs. 1 ARB 75, so dass sich § 158 n VVG a.F. auch nur auf Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Versicherungsnehmer und dem Versicherer über § 1 Abs. 1 ARB 75 zu beziehen scheint. Bei Meinungsverschiedenheiten über bloße Obliegenheitsverletzungen im Sinne des § 15 Abs. 1 d cc ARB 75 scheint demnach kein Hinweis auf einen Stichentscheid nach § 158 n VVG a.F. erforderlich, so dass die Fiktionswirkung des § 158 n Satz 3 VVG a.F. auch nicht für den Fall eingreifen könne, dass der Versicherer einen derartigen Hinweis unterlässt.

Indessen wird eine solche Sichtweise der Bedeutung des § 158 n VVG a.F. nicht gerecht, worauf insbesondere das Hanseatische Oberlandesgericht in der richterlichen Verfügung vom 26.04.2006 (9 U 48/06, Anlage K 13) sowie das Landgericht Hamburg in dem Urteil vom 08.07.2007 - 332 O 97/06 - (Anlage K 14) hingewiesen haben. Das Gericht schließt sich dieser überzeugenden Sichtweise an.

Wie demnach geschehen, ist § 158 n VVG a.F. weit auszulegen, als auch Meinungsverschiedenheiten über Kostenintensivität und Zweckmäßigkeit einer Rechtsverfolgung erfassend, was auch sinnvoll erscheint. Denn anderenfalls hätte es der Versicherer in der Hand, sich durch bloße "Deklarierung" eines der Sache nach auf Mutwilligkeit im Sinne des § 158 n VVG a.F. abzielenden Vorwurfs als eine Obliegenheitsverletzung im Sinne des § 15 Abs. 1 d cc ARB 75 den Rechtsfolgen des § 158 n VVG a.F. zu entziehen. Dem steht indes bereits § 158 o VVG a.F. entgegen.

Selbst wenn demnach der Kostenminderungsobliegenheit des § 15 Abs. 1 d cc 2. Alternative ARB 75 gegenüber § 1 Abs. 1 ARB 75 keinerlei eigenständige Bedeutung mehr verbliebe, weil der Versicherte schon insofern zur Kostenminderung angehalten ist, als er keine mutwillige Rechtsverfolgung wählen darf, rechtfertigt dies keine abweichende rechtliche Beurteilung.

Zudem kann der Kostenminderungspflicht des § 15 Abs. 1 d cc 2. Alternative ARB 75 durchaus noch eigenständige Bedeutung zukommen. Beispielsweise ist es vorstellbar, dass § 15 Abs. 1 d cc 2. Alternative ARB 75 nur solche Kosten betrifft, die nicht unmittelbar mit der gewählten - prozessualen - Art der Rechtsverfolgung im engeren Sinne zu tun haben.

Die Beklagte kann sich demnach nicht auf eine Befreiung von ihrer Leistungsverpflichtung gemäß § 15 Abs. 2 ARB berufen, weil der Kläger seine Obliegenheit aus § 15 Abs. 1 d cc 2. Alternative ARB 75 verletzt habe, indem er durch die separate rechtliche Inanspruchnahme, die Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreites ist, unnötige Kosten verursacht habe. Wie ausgeführt, ist die Frage der Kostenintensivität und Zweckmäßigkeit einer Rechtsverfolgung eine Frage der Mutwilligkeit der Rechtsverfolgung. Insoweit gilt vorliegend das Rechtsschutzbedürfnis des Klägers gemäß § 158 n Satz 3 VVG a.F. als anerkannt. Es ist der Beklagten wegen des Verbotes des § 158 o VVG a.F. verwehrt, die Notwendigkeit der durch die konkret gewählte - prozessuale - Art der Rechtsverfolgung entstandenen Kosten (nachträglich) in Frage zu stellen.

Angesichts dessen kommt es nicht mehr darauf an, ob die vom Kläger gewählte Art der Rechtsverfolgung "mutwillig" ist und/oder die Verletzung einer Kostenminderungsobliegenheit im Sinne des § 15 Abs. 1 d cc ARB 75 darstellt, was sich beides jedenfalls nicht aufdrängt.

Soweit die Beklagte einwendet, die gegenüber der C und deren Initiatoren und Gründungsgesellschaftern durch die Prozessbevollmächtigten des Klägers zunächst entfaltete außergerichtliche Interessenwahrnehmung sei nicht notwendig gewesen, da "in keiner Weise zu erwarten (war), dass die Schadensersatzansprüche des Klägers außergerichtlich reguliert würden", handelt es sich um den Einwand fehlenden Erfolgsaussichten, den die Beklagte auf die Deckungsanfrage des Klägers vom 27.11.2006 (Anlage K 3) hin hätte erheben können und - gegebenenfalls - auch hätte erheben müssen. Die Beklagte hat dies indessen unterlassen. Daher ist sie mit diesem Einwand nunmehr ausgeschlossen. Auch mit dem Einwand fehlender Erfolgsaussichten ist die Beklagte ausgeschlossen, weil der Versicherer dieses Recht verliert, wenn er dies dem Versicherungsnehmer entgegen § 17 Abs. 1 Satz 2 ARB 75 bzw. §§ 18 Abs. 1 ARB 94/2000 nicht unverzüglich schriftlich mitteilt, was vorliegend nicht der Fall war. Zudem ist auch nicht erkennbar, dass die außergerichtliche Interessenwahrnehmung gegenüber der C sowie deren Initiatoren und Gründungsgesellschaftern ein sinnloses oder wirtschaftlich in hohem Maße unvernünftiges Verhalten darstellte, wie der Kläger in seinem Schriftsatz vom 01. April 2009 zutreffend vorgetragen hat.

Nach alledem hat die Klage insgesamt Erfolg.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 Satz 1 und 2 ZPO. Streitwert: 6.860,29 Euro.