Das Verkehrslexikon

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BGH Urteil vom 12.10.2000 - III ZR 39/00 - Kein Ersatz des Personenschadens bei integrierter Schülerbeförderung

BGH v. 12.10.2000: Kein Ersatz des Personenschadens bei integrierter Schülerbeförderung


Der BGH (Urteil vom 12.10.2000 - III ZR 39/00) hat enschieden:
"Führt" der Unternehmer (hier: Stadt als Träger einer Förderschule) den Versicherungsfall auf einem Weg "herbei", den der Versicherte (hier: Schüler der Förderschule) im Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit nach und von dem Ort der Tätigkeit zurücklegt, so ist er gem. SGB VII § 104 Abs. 1 S. 1 nicht zum Ersatz des Personenschadens verpflichtet, wenn die Beförderung des Versicherten in den Betrieb eingegliedert war.

Die Entsperrung der Haftungsbeschränkung gem SGB VII § 104 Abs 1 S 1 letzter Halbsatz zweite Alternative (juris: SGB 7 Abs 1 S 1 Halbs 2 Alt 2) greift bei einem Unfall auf einem solchen Betriebsweg nicht ein.


Siehe auch Haftungsbeschränkung bei Wegeunfällen und Betriebsweg - Werksverkehr - gemeinsame Betriebsstätte - Haftungsprivileg des Unternehmers


Aus den Entscheidungsgründen:

"... Die Bekl. hat den Versicherungsfall auch nicht "auf einem nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 versicherten Weg" herbeigeführt (§ 104 Abs. 1 Satz 1 letzter Halbsatz zweite Alternative SGB VII).

aa) Bei wörtlichem Verständnis des § 104 Abs. 1 Satz 1 letzter Halbsatz zweite Alternative i. V. m. § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 SGB VII liegt es nahe, dass der Unternehmer bei Unfällen, die der Versicherte beim Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit erleidet, stets unbeschränkt haftet. Indessen ist bei der Auslegung des § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB VII davon auszugehen, daß der Gesetzgeber eine dem bis dahin geltenden Recht (§ 636 Abs. 1 Satz 1 RVO) entsprechende Regelung hat schaffen wollen (vgl. Begründung der Bundesregierung zu dem Entwurf eines Gesetzes zur Einordnung des Rechts der gesetzlichen Unfallversicherung in das Sozialgesetzbuch, BT-Drucks. 13/2204 S. 100). An Stelle des gem. § 636 Abs. 1 Satz 1 RVO maßgeblichen Abgrenzungsmerkmals, dass "der Arbeitsunfall bei der Teilnahme am allgemeinen Verkehr eingetreten ist", trat die Entsperrung der Haftungsbeschränkung für den Fall, daß der Unfall auf einem nach § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 4 SGB VII versicherten Weg herbeigeführt worden ist(§ 104 Abs. 1 Satz 1 letzter Halbsatz zweite Alternative SGB VII). Die vom Unternehmer "herbeigeführten" Wegeunfälle nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 SGB VII sind von der Haftungsbeschränkung ausgenommen worden, weil die betriebliche Risiken dort keine Rolle spielen und dem Versicherten unter diesen Voraussetzungen möglicherweise bestehende weiter gehende Ansprüche nicht abgeschnitten werden sollten (vgl. Schmitt. SGB VII 1998 § 104 Rdnr. 18; Bereiter-Hahn / Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung 5. Aufl., § 104 SGB VII Rdnr. 19 und 19.1; KassKomm - Rike, § 104 SGB VII Rdnr. 13). Folgerichtig umfaßt die Ausnahme von der Haftungsbeschränkung andererseits nicht die Betriebswege, die Teil der den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit und damit bereits gem. § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII versicherte Tätigkeit sind (vgl. Schmitt a.a.O.; Bereiter-Hahn / Mertens a.a.O. Rdnr. 19.2; Geigel / Kolb, Der Haftpflichtprozeß, 22. Aufl. 1997, Kap. 31 Rdnr. 89; Kater / Leube, Gesetzliche Unfallversicherung SGB VII 1997 § 104 Rdnr. 40; Brackmann / Krasney, Handbuch der Sozialversicherung, Bd. 3 Gesetzliche Unfallversicherung, § 104 Rdnr. 23).

Für die Unterscheidung, ob der Versicherungsfall bei einem - in die Haftungsbeschränkung des § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB VII einbezogenen - Betriebsweg oder einem - von der Haftungsbeschränkung ausgenommenen - nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 SGB VII versicherten Weg eingetreten ist, kann hinsichtlich der Kriterien innerbetrieblicher Vorgänge die zu 636 Abs. 1 Satz 1 RVO ergangene Rspr. herangezogen werden (vgl. Hauck / Nehls, SGB VII § 104 Rdnr. 8 a. E.; Bereiter-Hahn / Mehrtens a. a. O. Rdnr. 19.2; in diesem Sinne auch Wannagat / Waltermann, Sozialgesetzbuch § 104 SGB VII Rdnr. 22; einschränkend Kater / Leube a. a. O. und Brackmann / Krasney a. a. O.: Auslegung nach genuin unfallversicherungsrechtlichen Grundsätzen). Denn es ging auch bei der Abgrenzung des innerbetrieblichen Vorgangs gegenüber der "Teilnahme am allgemeinen Verkehr" darum, ob sich ein betriebliches Risiko oder ein "normales" Risiko verwirklichte, das nach dem Willen des Gesetzgebers aus Gründen der Gleichbehandlung nicht zu einem Haftungsausschluß gegenüber dem Schädiger führen sollte (BGHZ 116, 30, 35). ..."



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