Das Verkehrslexikon

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Ampelschaltung - "Feindliches Grün"

Ampelschaltung - "Feindliches Grün"


Dass nach einem Unfall an einer Ampel beide Seiten behaupten, dass sie jeweils Grün hatten, ist häufig; dabei kann es auch vorkommen, dass sich ein Beteiligter darauf beruft, dass die Ampelschaltung fehlerhaft gewesen sei und deshalb den dafür Verkehrssicherungspflichtigen die Verantwortung und somit - aus dem Gesichtspunkt eines enteignungsgleichen Eingriffs oder sogar der Amtspflichtverletzung auch die Haftung für die Unfallfolgen treffe.


Dass es aber auch tatsächlich vorkommt, dass für zwei sich kreuzende Fahrlinien jeweils grünes Wechsellicht angezeigt wird, ist sehr selten. Deshalb obliegt auch demjenigen, der sich auf sog. feindliches Grün beruft, die volle Darlegungs- und Beweislast, siehe Kammergericht Berlin (Beschluss vom 22.09.2008 - 12 U 3/08):

   "An die Darlegung gleichzeitigen Grünlichts einer Lichtzeichenanlage für sich querende Verkehrswege (sog. "feindliches Grün") sind besonders strenge Anforderungen zu stellen. Grund dafür ist die hochentwickelte doppelte elektronische Sicherung der Phasensteuerung, die ein gleichzeitiges Grün für "feindliche" Verkehrsströme erfahrungsgemäß weitestgehend verhindert (OLG Hamm, OLGR 2003, 364). Es reicht deshalb nicht aus, wenn die Klägerin einen solchen Schaltungsfehler lediglich behauptet, ohne nähere Umstände darzulegen. Dies insbesondere auch deshalb, weil sich bereits aus dem in der Strafakte (dort Bl. 15) befindlichen Schreiben der Verkehrslenkung Berlin vom 29. März 2007 ergibt, dass die Anlage am 28. März 2007 um 18:20) störungsfrei lief und sich dies mit den Angaben in dem Schreiben der Verkehrslenkung Berlin vom 24. Oktober 2007 (Bl. 63 der Gerichtsakte) deckt.

b) Durch die Einholung eines Sachverständigengutachtens kann der von der Klägerin behauptete Schaltfehler nicht nachgewiesen werden, da die Klägerin keine Anknüpfungstatsachen vorgetragen hat, aufgrund derer ein Sachverständiger die Frage des Vorliegens eines Schaltfehlers im Unfallzeitpunkt klären könnte."



Gliederung:


- Allgemeines



Allgemeines:


Verkehrsampel / Wechsellichtzeichen (LZA)

Ampel und zivilrechtliche Haftung

Amtshaftung im Verkehrsrecht




BGH v. 18.12.1986:
Die Abgabe einander widersprechender Lichtzeichen durch eine Lichtzeichenanlage (sog. "feindliches Grün") kann den Verkehrsteilnehmern gegenüber eine rechtswidrige Maßnahme iSd OBG NW § 39 Abs 1 Buchst b darstellen.

OLG Hamm v. 02.10.1992:
Hat ein technischer Sachverständiger ausgeschlossen, dass eine Ampelanlage für beide Fahrtrichtungen gleichzeitig "Grün" angezeigt hat, oder hat er die Schaltung "feindlichen Grüns" als extrem unwahrscheinlich bezeichnet, müssen gegenteilige Zeugenaussagen besonders kritisch überprüft werden und können nur unter ganz besonderen Verhältnissen im Ausnahmefall zum Beweis einer solchen Störung der Ampelanlage führen.

OLG Hamm v. 14.06.1996:
Das sog. "feindliche Grün" gehört zu den anspruchsbegründenden Tatsachen, so dass hierfür der Geschädigte nach allgemeinen Grundsätzen beweispflichtig ist. Angesichts der extremen Unwahrscheinlichkeit eines "feindlichen Grün" an einer Ampelanlage sind an die Beweisführung durch Zeugenaussagen sehr hohe Anforderungen zu stellen. Selbst wenn Zeugen mit geschultem Wahrnehmungs- und Erinnerungsvermögen (Polizeibeamte) Grünlicht für beide Fahrtrichtungen bestätigen, kann der Beweis nicht als erbracht angesehen werden, wenn im Randgeschehen (weitere Fahrzeuge, Fahrverhalten) unaufklärbare Widersprüche bestehen und die Ampel mit einer Signalsicherung versehen war, die "feindliches Grün" nahezu ausschließt.

OLG Hamm v. 27.05.2003:
An den Nachweis gleichzeitigen Grünlichts einer Lichtzeichenanlage für sich querende Verkehrswege (sog. "feindliches Grün") sind besonders strenge Anforderungen zu stellen. Der Beweis kann jedoch als geführt angesehen werden, wenn unfallunbeteiligte Zeugen eine Grünlichtschaltung für den Querverkehr bestätigen, sich die Kollision von Fahrzeugen im sich kreuzenden Verkehr in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit einer Betriebsstörung der Ampelanlage beim Umschalten auf ein anderes Schaltprogramm ereignet hat und ein Defekt des Sicherungssystems der Anlage nicht auszuschließen ist.

LG Dresden v. 18.08.2006:
Nach gefestigter Rechtsprechung sind an den Nachweis des von dem Geschädigten behaupteten gleichzeitigen Grünlichts einer Wechsellichtzeichenanlage für sich querende Verkehrswege (sog. „feindliches Grün“) besonders strenge Anforderungen zu stellen, denn erfahrungsgemäß verhindert die hochentwickelte doppelte elektronische Sicherung der Phasensteuerung weitestgehend ein gleichzeitiges Grün für „feindliche Verkehrsströme“. Bestätigt zudem ein Sachverständiger auch im konkreten Streitfall die Wirksamkeit der Sicherung, können gegenteilige Zeugenaussagen wegen der relativen Unsicherheit des Zeugenbeweises nur ausnahmsweise die Überzeugung des Gerichts von einem „feindlichen Grün“ begründen.

KG Berlin v. 22.09.2008:
Ergeben Auskünfte der Verkehrsbehörde, dass die Lichtzeichenanlage der Kreuzung im Unfallzeitpunkt störungsfrei lief, gebietet die bloße Behauptung eines Schaltungsfehlers („feindliches Grün“) ohne Darlegung näherer Anknüpfungstatsachen nicht das beantragte Einholen eines Sachverständigengutachtens.

OLG Frankfurt am Main v. 09.10.2012:
Zur Haftungsverteilung und der Prüfungsreihenfolge bei § 17 StVG, wenn bei feindlichem Grün der Unfallhergang nicht aufklärbar ist und zur Beweiswürdigung, wenn der Tatrichter von der Aussage des einzigen Zeugen nicht überzeugt ist.




OLG Karlsruhe v. 18.07.2013:
Wird ein Verkehrsunfall durch einen Fehler einer Ampelanlage verursacht ("feindliches Grün"), haftet der für die Straßenverkehrsbehörde verantwortliche Rechtsträger nach den Grundsätzen des enteignungsgleichen Eingriffs. Der Geschädigte muss den Fehler der Ampelanlage zum Unfallzeitpunkt beweisen. Die Anforderungen an die Beweisführung hängen vom Einzelfall ab. Unter Umständen können Zeugenangaben ausreichen, auch wenn technische Fragen des aufgetretenen Fehlers unklar bleiben.

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