Das Verkehrslexikon

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Einholung amtlicher Auskünfte zum Wohnsitz bei EU-Führerscheinen

Die Einholung amtlicher Auskünfte zum Wohnsitz bei EU-Führerscheinen




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Allgemeines




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Stichwörter zum Thema EU-Führerschein

Das Wohnsitzprinzip bei der Erteilung von EU-Führerscheinen

Die Einholung amtlicher Auskünfte zum Wohnsitz bei EU-Führerscheinen

Auskünfte des Gemeinsamen Zentrums der deutsch-tschechischen Polizei- und Zollzusammenarbeit

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Allgemeines:


VGH Mannheim v. 27.10.2009:
Mitteilungen des Gemeinsamen Zentrums der deutschtschechischen Polizei- und Zollzusammenarbeit über die Erteilung einer Fahrerlaubnis oder die Ausstellung eines Führerscheins in der Tschechischen Republik sind grundsätzlich als vom Ausstellermitgliedstaat herrührende unbestreitbare Informationen im Sinne der Urteile des Europäischen Gerichtshofs vom 26.06.2008 (Rs. C-329/06 und C-343/06 sowie C-334/06 bis C-336/06) anzusehen.

VGH Mannheim v. 27.10.2009:
Auch nach der neuesten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zur Auslegung der Richtlinie 91/439/EWG (Beschl. v. 09.07.2009, C-445/08) sind Behörden und Gerichte des Aufnahmemitgliedstaates berechtigt, bei Behörden des Ausstellermitgliedstaates Informationen über die Umstände der Erteilung einer Fahrerlaubnis einzuholen. Es ist Sache des nationalen Gerichts des Aufnahmemitgliedstaates zu prüfen, ob die erlangten Informationen als vom Ausstellermitgliedstaat herrührende unbestreitbare Informationen zu qualifizieren sind.

BVerwG v. 25.02.2010:
Dem Inhaber eines ausländischen EU-Führerscheins kann das Recht aberkannt werden, von dieser Fahrerlaubnis im Bundesgebiet Gebrauch zu machen, wenn Ermittlungen bei den Behörden des Ausstellermitgliedstaates von dort herrührende unbestreitbare Informationen ergeben, dass der Fahrerlaubnisinhaber zum Zeitpunkt der Ausstellung seinen ordentlichen Wohnsitz nicht im Ausstellermitgliedstaat hatte.

OVG Koblenz v. 18.06.2010:
Der Verwertung einer aus dem Ausstellerstaat stammenden Auskunft zum Wohnsitz für die Beurteilung, ob der Betroffene aufgrund seiner tschechischen Fahrerlaubnis in Deutschland fahrberechtigt ist, steht nicht entgegen, dass sie auf Betreiben der Verwaltungsbehörde gegeben wurde. Der Senat hält insofern nicht mehr an seiner im Beschluss vom 14. September 2009 – 10 B 10819/09.OVG – geäußerten auf die Rechtsprechung des EuGH in den Urteilen vom 26. Juni 2008 gestützten gegenteiligen Rechtsauffassung fest.

VG Saarlouis v. 11.02.2011:
Steht auf der Grundlage von Angaben im Führerschein oder anderen vom Ausstellermitgliedsstaat herrührenden unbestreitbaren Informationen fest, dass der Inhaber einer EU-Fahrerlaubnis, auf den im Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedsstaates eine Maßnahme des Entzugs einer früheren Fahrerlaubnis angewendet worden ist, zum Zeitpunkt der Ausstellung des Führerscheins seinen ordentlichen Wohnsitz im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Richtlinie 91/439/EWG (juris: EWGRL 439/91) nicht im Hoheitsgebiet des Ausstellermitgliedsstaats hatte, so kann eine fehlerhafte Verfügung, mit der dem Fahrerlaubnisinhaber das Recht aberkannt wird, von seiner EU-Fahrerlaubnis im Bundesgebiet Gebrauch zu machen, gemäß § 47 Abs. 1 VwVfG (juris: VwVfG SL) in eine Feststellung des aus § 28 Abs. 4 FeV folgenden Fehlens einer durch die EU-Fahrerlaubnis vermittelten Fahrberechtigung in Deutschland umgedeutet werden.

VGH München v. 25.09.2012:
Ergibt eine Auskunft der Polizei des Ausstellerstaates, dass der Betroffene es sich bei der im Führerschein eingetragenen ausländischen Adresse um ein Hotel handelt, in dem der Betroffene vor Ausstellung seines Führerscheins zwei Tage lang gemeldet war, dann braucht das Gericht keine weiteren Nachforschungen anzustellen, ob der Betroffene zu anderen Zeitpunkten unter anderen Adressen im Ausstellerstaat wohnhaft war.

BVerwG v. 12.11.2012:
Unerheblich für die Rechtmäßigkeit einer MPU-Auflage an einen Inhaber einer polnischen EU-Fahrerlaubnis ist, ob die Erkenntnisse, die den Nachweis des Verstoßes gegen das Wohnsitzerfordernis zum Zeitpunkt der Erteilung der Fahrerlaubnis ermöglichen, erst im Nachhinein erlangt wurden. Die Beurteilung der Frage, ob es sich bei Informationen um unbestreitbare aus dem Ausstellermitgliedstaat herrührende Informationen handelt, weist der Europäische Gerichtshof den nationalen Gerichten zu (vgl. u.a. EuGH, Urteil vom 1. März 2012 - Rs. C-467/10, Baris Akyüz - DAR 2012, 193 Rn. 74). Insofern unterliegt es keinem Zweifel, dass auch die Überprüfung des Wahrheitsgehalts eines vom Fahrerlaubnisinhaber geltend gemachten Einwandes gegen die Vollständigkeit oder Richtigkeit solcher aus dem Ausstellermitgliedstaat herrührenden Informationen dem nationalen Gericht obliegt.

OLG Jena v. 28.05.2013:
Bei der Beurteilung der Frage, ob die vom Ausstellermitgliedstaat herrührenden Informationen "unbestreitbar" i.S.d. § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 FeV sind und belegen, dass der Inhaber des Führerscheins, als dieser ihm in dem ausländischen Mitgliedstaat ausgestellt wurde, dort nicht seinen ordentlichen Wohnsitz hatte, können auch alle weiteren Umstände und Beweisergebnisse des inländischen Verfahrens herangezogen werden.

VGH München v. 03.06.2013:
Die Meldedaten sagen nichts Unwiderlegbares darüber aus, ob jemand tatsächlich einen Wohnsitz unter der gemeldeten Adresse unterhält. So ist es möglich, dass eine Person unter einer bestimmten Adresse mit Wohnsitz gemeldet ist, dort aber tatsächlich nicht wohnt, und ist es ebenso möglich, dass jemand eine Wohnung im Sinne des Art. 12 der EU-Richtlinie 2006/126/EG innehat, dort aber nicht gemeldet ist.




OVG Münster v. 17.01.2014:
Aus einer im verwaltungsgerichtlichen Verfahren vom Ausstellermitgliedstaat eingeholten Meldebescheinigung können sich unbestreitbare Informationen darüber ergeben, dass der Inhaber einer EU-Fahrerlaubnis dort zum Zeitpunkt der Erteilung nicht seinen ordentlichen Wohnsitz hatte.

OLG Stuttgart v. 28.03.2014:
Eine Zeugenaussage zum Wohnsitz des Angeklagten, die im Wege der Rechtshilfe von einem Gericht des Ausstellungsmitgliedstaats protokolliert ist, stellt eine vom Ausstellungsmitgliedstaat herrührende Information im Sinn von § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 FeV dar. Ob diese Information "unbestreitbar" im Sinn von § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 FeV ist, hat das nationale Tatgericht unter umfassender Würdigung der weiteren Umstände zu würdigen.

OVG Münster v. 09.12.2014:
Strafrechtliche Ermittlungen ausländischer Behörden gegen den Inhaber einer dortigen Fahrschule wegen des Verdachts der Täuschung von Behörden über die Wohnsitzverhältnisse deutschen Fahrschulkunden bzw. ein Ermittlungsersuchen der ausländischen Staatsanwaltschaft an deutsche Ermittlungsbehörden wegen dieses Verdachts stellen keine unbestreitbaren Informationen des Ausstellerstaates über einen Wohnsitzverstoß einzelner Fahrschulkunden im Zusammenhang mit dem Erwerb einer ausländischen Fahrerlaubnis dar, die zu einer Nichtanerkennung dieser Fahrerlaubnis für die Benutzung im Inland berechtigen. - Das gilt auch dann, wenn auch eigene Einlassungen des Fahrerlaubnisinhabers oder im Inland gewonnene Erkenntnisse gegen einen mindestens 185-tägigen Aufenthalt des Inhabers einer ausländischen Fahrerlaubnis im Ausstellermitgliedstaat bzw. für das Vorliegen eines bloßen Scheinwohnsitzes sprechen.

VGH München v. 07.05.2015:
Ist in einem tschechischem EU-Führerschein ein tschechischer Wohnsitz eingetragen, so ist dessen Inhaber dennoch nicht zum Führen von Kfz im Inland berechtigt, wenn sich aus unbestreitbaren Mitteilungen des Ausstellerstaates ergibt, dass ein Wohnsitz im Ausstellerstaat bei Erteilung der Fahrerlaubnis nicht bestand. Vom Gemeinsamen Zentrum erlangte Information können die Eintragung im Führerschein widerlegen.


VGH München v. 20.05.2015:
Bei der Prüfung der Einhaltung des Wohnsitzerfordernisses sind die Behörden und Gerichte des Aufnahmemitgliedstaats berechtigt, von sich aus Informationen von einem anderen Mitgliedstaat einzuholen und die Behörden des Ausstellungsmitgliedstaats sind verpflichtet, einschlägige Informationen zur Verfügung zu stellen. Unbestreitbar sind die Informationen dann, wenn sie von einer Behörde des Ausstellungsmitgliedstaats stammen, selbst wenn sie nur indirekt in Form einer Mitteilung Dritter übermittelt wurden, und wenn sich aus ihnen die Möglichkeit ergibt, dass ein reiner Scheinwohnsitz begründet wurde, ohne dass dies bereits abschließend erwiesen sein muss.

VGH München v. 15.09.2015:
Soweit unbestreitbare Informationen des Ausstellungsmitgliedstaats vorliegen, aus denen sich die Möglichkeit ergibt oder die darauf hinweisen, dass die Wohnsitzvoraussetzung nicht gegeben war, sind zur endgültigen Beurteilung der Frage der Einhaltung der Wohnsitzvoraussetzung die Umstände des gesamten Falles heranzuziehen, also auch die „inländischen Umstände“.

VG Neustadt v. 25.01.2016:
Vom Ausstellermitgliedstaat eines EU Führerscheins herrührende Informationen müssen nicht den vollen Beweis erbringen, dass der Inhaber des Führerscheins sich im Gebiet des Ausstellerstaats nur für ganz kurze Zeit aufgehalten und dort einen rein fiktiven Wohnsitz allein zu dem Zweck errichtet hat, der Anwendung der strengeren Bedingungen für die Ausstellung eines Führerscheins im Mitgliedstaat seines tatsächlichen Wohnsitzes zu entgehen. Es ist nach der Rechtsprechung des EuGH ausreichend, wenn die Informationen des Ausstellermitgliedstaats auf eine solche Fallkonstellation hinweisen.

OVG Lüneburg v. 29.03.2016:
Überwiegendes spricht dafür, bereits in einer Mitteilung des Ausstellermitgliedstaates, die einen dortigen Wohnsitz ausschließlich auf einer melderechtlichen Grundlage bestätigt, eine unbestreitbare Information im Sinne des § 28 Abs 4 S 1 Nr 2 FeV zu sehen, die bei gleichzeitig beibehaltenem Wohnsitz im Inland auf einen fehlenden ordentlichen Wohnsitz des Betroffenen im Ausstellermitgliedstaat hinweist und es daher rechtfertigt, die Frage, ob ein solcher Wohnsitz tatsächlich bestand, aufgrund einer Gesamtschau zu beurteilen.



OVG Münster v. 09.01.2018:
  1.  Der Senat ist der Auffassung, dass wirklich nur vom Ausstellermitgliedstaat herrührende Auskünfte und deutlich auf eine bloße Umgehung des Wohnsitzerfordernisses durch den Inhaber der in Frage stehenden EU oder EWR Fahrerlaubnis hinweisende Umstände berücksichtigt werden können.

  2.  Die von einem örtlichen Mitarbeiter bzw. einer örtlichen Mitarbeiterin unterzeichnete Angabe des Transportministeriums der Tschechischen Republik, ein mindestens 185-tägiger Aufenthalt des Antragstellers bzw. die näheren Umstände und Gründe dieses Aufenthalts seien unbekannt, ist kein ausreichendes Indiz für einen bloßen Kurzaufenthalt oder Scheinwohnsitz des Betroffenen in Tschechien.

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