Ein Versicherer kann sich nicht auf Leistungsfreiheit wegen vorsätzlicher Obliegenheitsverletzung des Versicherungsnehmers durch falsche Angaben im Fragebogen berufen, wenn der Fragebogen an seinem Ende über der Unterschriftenzeile eine Belehrung enthält, die sich drucktechnisch nicht vom übrigen Formulartext absetzt, und somit die Gefahr besteht, dass der Versicherungsnehmer die Belehrung überliest.Zum Sachverhalt: Der Kläger nahm die Beklagte aus einem Teilkaskoversicherungsvertrag wegen eines nach seiner Darstellung am 22. September 2006 (Freitag) geschehenen Diebstahls seines Fahrzeugs in Anspruch.
Am Ende des Fragebogens der Versicherung, unmittelbar vor der Unterschriftenzeile, befand sich - ohne optisch besonders hervorgehoben zu sein - die Belehrung über die Folgen einer möglichen Obliegenheitsverletzung durch vorsätzlich falsche Angaben des Versicherungsnehmers.
Der Kläger hat beantragt,die Beklagte zu verurteilen, an ihn 24 943,37 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22.12.2006 sowie weitere 1 093,37 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit, also seit dem 03.08.2007, zu zahlen, hilfsweise hiervon freizustellen.Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.
Sie hat behauptet, der Versicherungsfall sei vorgetäuscht; außerdem hat sie sich auf Leistungsfreiheit wegen Falschangaben in der Schadensanzeige berufen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, da die Beklagte wegen vorsätzlicher Obliegenheitsverletzung dem Kläger gegenüber leistungsfrei geworden sei. Der Kläger habe bewusst falsche Angaben zu seinem Aufenthaltsort sowie zu möglichen Zeugen gemacht. Über die Folgen einer möglichen Obliegenheitsverletzung durch vorsätzlich falsche Angaben sei der Kläger im Fragebogen ordnungsgemäß belehrt worden. Dem Erfordernis der Deutlichkeit sei durch die Platzierung unmittelbar vor der Unterschriftszeile in einem eigenen Absatz Rechnung getragen.
Hiergegen wendete sich der Kläger mit der Berufung.
Nachdem der Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 06.05.2008 beantragt hat, unter Aufhebung des Urteils des Landgerichts Aachen vom 16.11.2007 - 9 O 315/07 - die Beklagte zu verurteilen, an ihn 24.943,37 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22.12.2006 sowie weitere 1.093,37 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 03.08.2007 zu zahlen, hat er die Berufung durch anwaltlichen Schriftsatz vom 30.05.2008 in Höhe des zehnprozentigen Kaskoselbstbeteiligungsbetrages von 2.400,00 € zurückgenommen.
Der Kläger hat sodann in der Berufungsinstanz noch beantragt,unter Aufhebung des Urteils des Landgerichts Aachen vom 16.11.2007 - 9 O 315/07 - die Beklagte zu verurteilen, an ihn 21.600,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22.12.2006 sowie weitere 1.023,16 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit, also seit dem 03.08.2007, zu zahlen, hilfsweise insoweit Freistellung.Die Beklagte hat die Zurückweisung des Rechtsmittels beantragt.
Die Berufung blieb erfolglos.
Aus den Entscheidungsgründen:
"Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.
Mit dem angefochtenen Urteil hat das Landgericht die Klage zu Recht abgewiesen. Dem Kläger steht ein Entschädigungsanspruch nach § 12 Abs. 1 I b) AKB wegen des behaupteten Diebstahls des Fahrzeugs der Marke BMW Alpina E 46/B3 3,3 Cabrio mit dem amtlichen Kennzeichen … am 22.09.2006 nicht zu.
Abweichend von der landgerichtlichen Auffassung ist der Senat allerdings der Ansicht, dass die Klage nicht bereits deshalb unbegründet ist, weil sich die Beklagte auf Leistungsfreiheit nach § 7 V Abs. 4 AKB i.V. mit § 6 Abs. 3 VVG a.F. wegen vorsätzlicher Obliegenheitsverletzung des Klägers durch falsche Angaben im Fragebogen vom 28.09.2006 beruft. Leistungsfreiheit des Versicherers bei vorsätzlicher Obliegenheitsverletzung des Versicherungsnehmers setzt bei Folgenlosigkeit - die das Landgericht unterstellt hat - nach der vom Landgericht zutreffend dargestellten „Relevanzrechtsprechung“ eine ordnungsgemäße Belehrung des Versicherungsnehmers über die Folgen einer möglichen Obliegenheitsverletzung durch bewusst unrichtige Angaben voraus. Daran fehlt es hier.
Der Fragebogen vom 25.09.2006 enthält überhaupt keine Belehrung.
Die Belehrung in dem Fragebogen mit Datum vom 28.09.2006 genügt zwar den Anforderungen, die der Bundesgerichtshof an den Inhalt einer Belehrung stellt, denn die von der Beklagten gewählte Formulierung ist „klar und unmissverständlich“ (so schon BGH VersR 1973, 174) und „inhaltlich zutreffend“ ( BGH VersR 1998, 447f; VersR 2007, 683), jedoch ist die drucktechnische Gestaltung nicht ausreichend. Soweit sich die Belehrung am Ende des Fragebogens über der Unterschriftenzeile befindet, hat dies zwar den Vorteil, dass dem Versicherungsnehmer die Rechtsfolgen bewusst unrichtiger Angaben unmittelbar vor Augen geführt werden. Drucktechnisch setzt sich die Belehrung allerdings nicht von dem übrigen Formulartext ab, denn sie ist in der gleichen Größe gedruckt und auch nicht durch Fettdruck hervorgehoben.
Der Bundesgerichtshof hatte bisher keinen Anlass, sich mit den drucktechnischen Anforderungen zu befassen. Das OLG Nürnberg ( VersR 1996, 746) und das OLG Hamm ( VersR 1999, 89) haben entschieden, dass eine Belehrung, die in gleicher Größe gedruckt ist wie die Formularfragen und sich aus dem Text des Formulars nicht hervorhebt, nicht ausreichend ist. Das OLG Oldenburg ist dem für den Fall gefolgt, in dem sich die Belehrung - wie hier - am Schluss der Schadensanzeige unmittelbar vor dem vorgesehenen Raum für die Unterschrift befand, hat aber eine solche Belehrung am Anfang des Formulars in einem eigenständigen Absatz für ausreichend gehalten ( VersR 1999, 1406). In Ansehung der ebenfalls vom Bundesgerichtshof gewählten Formulierung, dass „der Versicherungsnehmer durch einen äußerlich auffallenden und allgemein verständlichen Hinweis auf dem Fragebogen oder einem Begleitzettel ausdrücklich belehrt werden muss“ ( NJW 1969, 607), ist mit den Oberlandesgerichten Nürnberg, Hamm und Oldenburg eine drucktechnische Hervorhebung zu fordern, der die Belehrung der Beklagten in dem Fragebogen vom 28.09.2006 nicht gerecht wird. Da die Schriftgröße der Belehrung sich nicht von der des übrigen Textes unterscheidet und der Belehrungstext auch ansonsten nicht besonders hervorgehoben ist, besteht - entgegen der Auffassung des Landgerichts und der Beklagten - die Gefahr, dass der Versicherungsnehmer die Belehrung überliest.
Eine ordnungsgemäße Belehrung war auch nicht entbehrlich. Zwar kann das Bedürfnis einer erneuten Belehrung entfallen, wenn der Versicherungsnehmer einmal ordnungsgemäß belehrt worden ist (vgl. BGH VersR 2007, 683); zum Zeitpunkt des Ausfüllens des Fragebogens am 28.09.2006 war der Kläger aber nicht ordnungsgemäß belehrt. Die eigentliche Schadensanzeige (Bl. 73, 74), die vor der Unterschriftenzeile eine durch Fettdruck hervorgehobene und damit ordnungsgemäße Belehrung enthält, unterzeichnete der Kläger erst am 24.10.2006. Dass dem Kläger zu diesem Zeitpunkt die in den Fragebögen enthaltenen Angaben und deren Korrekturbedürftigkeit vor Augen gestanden hätten, kann nicht unterstellt werden. Soweit der Kläger in dieser Schadensanzeige den Kilometerstand des Fahrzeugs mit 73 000 angegeben hat, führt dies auch dann nicht zur Leistungsfreiheit der Beklagten, wenn entsprechend den Ausführungen des Sachverständigen X von tatsächlich gefahrenen 77 119 km auszugehen ist. Zwar besteht die Verpflichtung des Versicherungsnehmers, den Versicherer wahrheitsgemäß und vollständig über solche Umstände zu unterrichten, die für die Feststellung des Hergangs des Schadenereignisses und die Höhe des Schadens von Bedeutung sind, auch im Hinblick auf die Laufleistung (vgl. Senat, r+s 1998, 320; r+s 2001, 278); die Obliegenheitsverletzung war allerdings nicht generell geeignet, die Interessen der Beklagten als Versicherer ernsthaft zu gefährden. Bei der Ermittlung des Wiederbeschaffungswertes (§ 13 AKB) ist die Laufleistung zwar ein wesentlicher Bewertungsfaktor, so dass dem Versicherer die Ermittlung des konkreten Wertes durch falsche Angaben des Versicherungsnehmers unmöglich gemacht wird. In Entwendungsfällen ist der Versicherer erst recht auf zuverlässige und zutreffende Angaben des Versicherungsnehmers angewiesen, weil das Fahrzeug für eine Begutachtung durch einen Sachverständigen nicht mehr zur Verfügung steht. Es sind aber nur solche Abweichungen der Kilometerleistung generell geeignet, die berechtigten Interessen des Versicherers ernsthaft zu gefährden, die mehr als 10 % betragen (vgl. Senat r+s 1994, 401; 2001, 278; OLG Saarbrücken, r+s 2005, 322); denn es liegt auf der Hand, dass sich eine solche Kilometerdifferenz nicht nur marginal auf den Kaufpreis auswirkt. Hier beträgt die Kilometerabweichung nur 4 119 und damit prozentual 5 %, so dass eine Beeinflussung der Ermittlung des Wiederbeschaffungswertes und folglich eine ernsthafte Gefährdung der Interessen der Beklagten nicht in Betracht kommt.
Die Berufung hat jedoch deshalb keinen Erfolg, weil der Versicherungsfall nicht nachgewiesen ist. (... wird ausgeführt ...)"