Die Betriebserlaubnis für ein im Übrigen vorschriftsmäßiges und mit einer EG-Betriebserlaubnis versehenes Kraftrad darf nicht allein deshalb versagt werden, weil das Kraftrad mit in Großbritannien hergestellten und dort ohne Beschränkung für diesen Motorradtyp zugelassenen Carbon-Rädern ausgestattet worden ist.
Tatbestand:
Der Kläger ist Halter und Eigentümer des Kraftrades MV Augusta Typ F4102001, Fahrzeug Id. Nr. ZC GF …. Er beabsichtigt die Umrüstung dieses Motorrads mit den im Tenor genannten Carbon-Rädern und beantragte dazu am 09.01.2008 die Erteilung einer Betriebserlaubnis für das umgebaute Motorrad bei der Zulassungsstelle des Landratsamtes ...
Zur Begründung führte er aus: Bei den Carbon-Rädern handle es sich um Sonderräder, die für das Fahrzeug des Klägers gefertigt worden seien. Sie entsprächen den Prüfrichtlinien für Räder zur Verwendung im öffentlichen Straßenverkehr Britisch Standard (BS) AU 50 (Räder für Motorräder, die ganz oder teilweise aus Leichtmetall gefertigt sind). Dies sei aus den Bescheinigungen der DYMAG Racing U.K. Ltd. und DYMAG Composites Ltd. vom 19.12.2007 zu entnehmen. Der BS AU 50 sei der von der British Standard-Institution (BSI) London erstellte und vorgegebene einschlägige technische Standard für Räder für Motorräder. Die BSI sei die offizielle nationale Stelle in Großbritannien für die Erstellung und Festlegung technischer Standards. Räder, die dem Standard BS AU 50 entsprächen, verfügten in Großbritannien über eine Betriebserlaubnis zur Verwendung im öffentlichen Straßenverkehr, die auch für alle übrigen Mitgliedstaaten der Europäischen Union gelte. Diese britische Genehmigung sei auf Grund von Rechtsakten der Europäischen Gemeinschaften auch in der Bundesrepublik Deutschland anzuerkennen, nämlich auf Grund der innergemeinschaftlichen Warenverkehrsfreiheit als Kernbestandteil der europäischen Grundfreiheiten. Die Nichtanerkennung wäre als „Maßnahme gleicher Wirkung“ i.S. des Art. 28 des EG mit dem europäischen Primärrecht unvereinbar und deshalb gemeinschaftswidrig. In ihr läge eine Einfuhrbeschränkung von gleicher Wirkung wie eine mengenmäßige Einfuhrbeschränkung, die gegen die innergemeinschaftliche Warenverkehrsfreiheit verstoßen würde.
Dem Prozessbevollmächtigten des Klägers wurde vom Innenministerium Baden-Württemberg mitgeteilt: Mit den anliegend übersandten Nachweisen sei eine Eintragung in die Fahrzeugpapiere nicht möglich. Ohne Prüfung des Kraftrades nach § 19 bzw. § 21 StVZO einschließlich eines besonderen Eignungsnachweises der Carbon-Sonderräder (Dauerlauftest) sei eine Umrüstung im Rahmen einer deutschen Fahrzeugbetriebserlaubnis nicht zulässig. Die beigelegten Nachweise ließen weder einen anerkannten Technischen Dienst noch die konkret erfüllten Prüfungen erkennen. Derzeit gebe es noch keine europäisch standardisierten Prüfkriterien für Carbonräder, da eine Beurteilung nach den Kriterien für Aluminiumräder auf Grund abweichender Werkstoffeigenschaften nicht automatisch vergleichbar sei. Eine EG- oder ECE-Typengenehmigung für Carbonräder existiere derzeit noch nicht. Es gebe derzeit keine vereinbarten Bedingungen, internationale Normen oder EG- bzw. ECE-Bestimmungen zu Carbonrädern. Eine englische Zulassung der Sonderräder bedinge nicht automatisch deren Anerkennung in Deutschland, da Sonderräder (insbesondere an Krafträdern) ein erhebliches Gefährdungspotenzial darstellen könnten.
Der Kläger betonte daraufhin nochmals, dass die Carbonräder in Großbritannien über eine Betriebserlaubnis zur Verwendung im öffentlichen Verkehr verfügten. Bei dieser Betriebserlaubnis handle es sich um eine Genehmigung, die auf Grund von Rechtsakten der Europäischen Gemeinschaften gemäß § 21a Abs. 1a StVZO in der Bundesrepublik Deutschland anzuerkennen sei. Eine Nichtanerkennung verstoße gegen das umfassende Beschränkungsverbot aus Art. 28 EG. Für eine Ausnahme vom Grundsatz des Art. 28 EG gebe es im vorliegenden Fall keine Rechtfertigung. Es liege weder ein Rechtfertigungsgrund nach Art. 30 EG noch ein gemeinschaftsrechtlich anerkannter ungeschriebener Rechtfertigungsgrund vor. Der Anwendungsbereich des Art. 30 EG setze voraus, dass objektiv eine Gefahr für ein betroffenes Schutzgut bestehe. Die bloße Behauptung des Innenministeriums, dass Carbonräder ein erhebliches Gefährdungspotenzial darstellen könnten, genüge diesen strengen Anforderungen nicht einmal ansatzweise. Ein zwingendes Erfordernis für ein derartiges nationales Handelshemmnis sei nicht ersichtlich. Selbst wenn ein solches vorliegen würde, müsse bei Beschränkungen des freien Warenverkehrs der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt bleiben.
Mit Bescheid vom 01.04.2008 lehnte das Regierungspräsidium Stuttgart den Antrag auf Erteilung einer Betriebserlaubnis gemäß §§ 19/21 StVZO für die MV Augusta nach Umrüstung auf Carbon-Sonderräder „DYMAG“-Fünf-Speichen-Carbon ab.
Zur Begründung wurde unter anderem ausgeführt, dass Erkenntnisse für eine umfassende Bewertung von Kunststoffrädern noch nicht ausreichend vorlägen. Ein geeignetes Prüfverfahren und angemessene Vorgaben für eine Überwachung seien gegenwärtig nicht zu realisieren. Auf die 145. Sitzung des Bund-Länder-Fachausschusses „Technisches Kraftfahrwesen“ (BLFA-TK) vom 27./28.02.2008 werde hingewiesen. Die Handelsbeschränkung sei daher nach Art. 30 EG zulässig, da diese zum Schutz der Gesundheit und des Lebens von Menschen gerechtfertigt sei. Zahlreiche sicherheitsrelevante Fragen seien noch ungeklärt. Dies gelte vor allem für das Temperaturverhalten, die Betriebslasten, die Medieneinwirkung (UV-Strahlung, Feuchte, chemische Einwirkungen) und die Dauerhaltbarkeit von Carbonfelgen. Das Inverkehrbringen von bislang nur unvollständig erforschten Produkten stelle eine latente Gefahr für die Gesundheit und Menschenleben dar.
Der Kläger hat dagegen am 02.05.2008 Klage erhoben, mit der er sein Begehren auf Erteilung der beantragten Betriebserlaubnis weiterverfolgt.
In der Begründung verweist er unter Vorlage der Bescheinigungen der DYMAG Racing U.K. Ltd. und DYMAG Composites Ltd. vom 19.12.2007 nochmals darauf, dass die Räder dem Standard BS AU 50 entsprächen und in Großbritannien über eine Betriebserlaubnis zur Verwendung im öffentlichen Straßenverkehr verfügten. Ein Rechtsanspruch des Klägers auf Erteilung der Betriebserlaubnis ergebe sich daher aus §§ 19, 21 StVZO i.V.m. § 21a Abs. 1 S. 1 und Abs. 1a StVZO. Die britische Betriebserlaubnis sei wegen Art 28 EG in der Bundesrepublik Deutschland unmittelbar anzuerkennen. Eine Nichtanerkennung wäre eine „Maßnahme gleicher Wirkung“ i.S. des Art. 28 EG. Für eine Ausnahme vom Grundsatz des Art. 28 EG existiere keine Rechtfertigung. Unter Hinweis auf die europarechtliche Rechtsprechung (EuGH – Dassonville) sei hier die staatliche Maßnahme (Versagung der Betriebszulassung), die geeignet sei, den innergemeinschaftlichen Handel unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potenziell zu behindern, nach Art. 28 EG verboten. Nationale Vorschriften, die Waren einem Zulassungsverfahren unterwerfen oder eine Genehmigung für das Inverkehrbringen erfordern, entfalteten grundsätzlich eine einfuhrbehindernde Wirkung im Sinne von Art. 28 EG und stellten damit eine „Maßnahme gleicher Wirkung“ im Sinne dieser Vorschrift dar. Nach dem Willen der EU-Kommission solle ein Erzeugnis, das in einem Mitgliedstaat hergestellt und in den Verkehr gebracht worden ist, überall in der Gemeinschaft verkauft werden können. Für eine Ausnahme vom Grundsatz des Art. 28 EG gebe es im vorliegenden Fall keine Rechtfertigung. Es läge weder ein Rechtfertigungsgrund nach Art. 30 EG noch ein gemeinschaftsrechtlich anerkannter ungeschriebener Rechtfertigungsgrund vor. Ein Mitgliedstaat, der sich auf eine Ausnahme nach Art. 30 EG berufe, müsse nachweisen, dass objektiv eine Gefahr für das betroffene Schutzgut (Gesundheit und Menschenleben) bestehe. Die bloße Behauptung einer Gefahr bzw. allgemeine Überlegungen reichten zur Rechtfertigung einer Einschränkung der Warenverkehrsfreiheit nicht aus. Die bloße Behauptung der Beklagten, dass die Carbonräder ein erhebliches Gefährdungspotenzial darstellen könnten, genüge diesen strengen Anforderungen nicht einmal ansatzweise. Sie sei auf keinerlei wissenschaftliche Erkenntnisse gestützt und werde zudem durch die Erfahrungen in Großbritannien widerlegt.
Ein ungeschriebener Rechtfertigungsgrund sei ebenfalls nicht einschlägig. Nach der „Cassis-de-Dijon“-Rechtsprechung des EuGH seien nationale Handelshemmnisse, die sich nicht auf Art. 30 EG stützen ließen, nur dann hinzunehmen, wenn sie notwendig seien, um zwingenden Erfordernissen gerecht zu werden. Dabei könne es lediglich um zwingende Erfordernisse des Allgemeininteresses gehen. Im vorliegenden Fall sei ein solches zwingendes Erfordernis nicht einmal ansatzweise ersichtlich und vom Beklagten auch nicht dargetan. Darüber hinaus müsse auch bei Vorliegen eines zwingenden Erfordernisses des Allgemeininteresses der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt werden. Die betreffende, den freien Warenverkehr beschränkende Maßnahme müsse geeignet und notwendig sein, um dem jeweiligen öffentlichen Interesse des Allgemeinwohls zu entsprechen. Zudem müsse die Abwägung der Beeinträchtigung des freien Warenverkehrs mit dem Interesse des Mitgliedstaates an der Verfolgung des zwingenden Erfordernisses zu Gunsten des Letzteren ausfallen. Ein Mitgliedstaat, der sich auf einen ungeschriebenen Ausnahmetatbestand berufe, trage für das Vorliegen seiner Voraussetzungen in vollem Umfange die Beweislast. Auch insofern genüge der lapidare, völlig unsubstanziierte und unzutreffende Verweis auf ein „erhebliches Gefährdungspotenzial“ von Carbonrädern bzw. das Vorliegen einer „latenten Gefahr“ diesen strengen Anforderungen nicht.
Die Auffassung des 174. FKT am 24.10.2007 sowie die 145. Sitzung des BLFA-TK vom 27./28.02.2008 könne zu keiner anderen Entscheidung führen. Zum einen seien diese Gremien nicht befugt, grundrechtsrelevante Entscheidungen zu treffen. Weiter gehörten diesen Gremien unter anderem Fahrzeug- und Zubehörhersteller an, die ein erhebliches wirtschaftliches Eigeninteresse daran hätten, derartige (neue) Produkte entgegen der Rechtslage vom deutschen Markt fernzuhalten.
Auf den Einwand des Beklagten, dass es sich bei der DYMAG Wheels Certification“ vom 19.12.2007 weder um eine amtliche Genehmigung noch um eine auf Grundlage des harmonisierten EG- oder ECE-Rechts für Kunststoff-/Carbonräder erstellte Bescheinigung handle, führte der Kläger am 28.11.2008 ergänzend aus: Bei einer rechtmäßigen Herstellung der Räder in einem Mitgliedstaat müsse eine freie Einfuhr und eine Freizirkulation zulässig sein. Der Nachweis einer drohenden Gesundheitsgefahr im Sinne von Art. 30 EG sei bislang nicht geführt worden.
Unter Hinweis auf die Richtlinien für die Prüfung von Sonderrädern für Kfz und Anhänger vom 25.11.1998 wird betont, dass darin von einer Offenheit hinsichtlich der Werkstoffe ausgegangen werde und keine Festlegung auf bestimmte Werkstoffe getroffen worden sei. Damit seien Verbundkonstruktionen ausdrücklich zugelassen. Auch nach einem Gutachten des TÜV … vom 14.11.2003 seien Carbonräder prüfbar. Sie seien im Technologiecentrum der Typprüfstelle … anhand der Richtlinie geprüft worden mit dem Ergebnis, dass auf Grund der durchgeführten Prüfungen keine technischen Bedenken bestehen, die o.g. Sonderräder (Carbonräder) an den in den Verwendungsbereichsgutachten genannten Krafträdern unter den dort aufgeführten Bedingungen zu verwenden.
Weiter würden, unabhängig von der Prüfbarkeit, bei der Homologation von Fahrzeugen, an Räder keinerlei Prüfanforderungen gestellt. Im Rahmen der Fahrzeugbetriebserlaubnis würden von den Fahrzeugherstellern im Rahmen ihrer Produktverantwortung Räder geprüft und freigegeben.
Außerdem sei zu berücksichtigen, dass die Kunststoffräder bisher keinerlei Unfälle verursacht hätten. Dies werde vom Beklagten auch nicht in Frage gestellt.
Das Versagen der Betriebserlaubnis verstoße im Übrigen auch gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Es sei das schwerste denkbare Mittel. Der Beklagte habe insoweit nicht einmal eine Abwägung anderer möglicher Mittel, wie etwa die Einschränkung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit oder die Festlegung von Prüf- und Austauschzyklen der Räder, vorgenommen.
Eine Ablehnung der Erteilung einer Betriebserlaubnis sei auch bereits deshalb unzulässig, weil der Kläger, sofern er das Kraftrad im Vereinigten Königreich erworben und nach Deutschland eingeführt hätte, dies lediglich an seinem Wohnort in Deutschland hätte anmelden müssen, ohne darüber hinaus eine deutsche Betriebserlaubnis zu beantragen.
Der Kläger beantragt,den Beklagten zu verpflichten, dem Kläger unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom 01.04.2008 – Az.: 46-3861.6/... 001 – die beantragte Betriebserlaubnis für das Motorrad MV Augusta, Typ: F 4102001; Handelsbezeichnung: F 4 S 1+1; Fahrzeugident.-Nr. ZCGF…; EG-BE-Nr. / ABE-Nr. E92/61 0024 00; mit folgender Räderausstattung: Vorderrad: Rad-Nr. 611025; Größe: 3,5 × 17; Typ: 5SF; Handelsbezeichnung: DYMAG Fünf Speichen Carbon; Zeichnungs-Nr. : B2146A17350FSF; Hinterrad: Rad-Nr. : 611026; Größe: 6,0 × 17; Typ: 5SFS; Handelsbezeichnung: DYMAG Fünf Speichen Carbon; Zeichnungs-Nr. B2145A17600FSF, zu erteilen.Der Beklagte beantragt,die Klage abzuweisen.Er ist der Auffassung, dass ein Anspruch auf Erteilung der beantragten Betriebserlaubnis weder auf der Grundlage des nationalen Rechts noch auf Grund von Art. 28 des EG-Vertrags bestehe. Dieser erfahre eine Einschränkung durch Art. 30, der eine Einfuhrbeschränkung aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zum Schutze der Gesundheit und des Lebens von Menschen rechtfertige.
Bei der „DYMAG Wheels Certification“ vom 19.12.2007 handle es sich weder um ein amtliche Genehmigung, noch sei diese auf Grundlage des harmonisierten EG- oder ECE-Rechts für Kunststoff-/Carbonräder erstellt worden. Derzeit existierten noch keine national oder international abgestimmten oder allgemein akzeptierten Prüfkriterien. Eine Freigabe der Fahrzeughersteller für Carbonräder gebe es ebenfalls noch nicht. Der fehlende Nachweis für die Verkehrssicherheit reiche für die Anwendung von Art. 30 des EG-Vertrages aus. Auch unter Berücksichtigung des einschränkenden Charakters des Art. 30 EG sei eine Gefährdungslage für die oben genannten Schutzgüter ausreichend.
Im Termin der mündlichen Verhandlung am 26.11.2008 hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers weiter erklärt, dass sowohl in Großbritannien als auch in Holland die im Streit stehenden Carbon-Räder unproblematisch an den hierfür zugelassenen Motorrädern montiert werden und diese am Straßenverkehr teilnehmen könnten. In England obliege die Zulassung dem Hersteller, der eine entsprechende Bescheinigung ausstelle, die letztendlich zu einer Herstellerhaftung führen könne. Ein weiterer hoheitlicher Genehmigungsakt sei nicht notwendig. Die Bauteile Räder unterlägen in Großbritannien keiner besonderen Überprüfung. Der Hersteller eines Fahrzeugs könne über die von ihm verwendeten Bauteile und Prüfungen selbst bestimmen.
Der Beklagten-Vertreter hat erklärt, dass in Deutschland zwar die ABE-Zertifizierung beantragt, aber nicht erteilt worden sei.
Der Vertreter der Firma DYMAG, Herr B., betonte, dass allein 1000 Carbonräder an Dukati und KTM ausgeliefert worden seien. Seit 1993 würden Carbonräder in Rennen und im Straßenverkehr laufen. Man versuche seit Jahren bei entsprechenden Gremien in Deutschland die Bedenken gegen eine Zulassung der Räder im Straßenverkehr auszuräumen.
Der im Termin anwesende Sachverständige des TÜV … räumte ein, dass bislang keine Vorschriften bestünden, die auf Carbonfaser abstellten. Es gebe hier auch verschiedene Aufbauformen und unterschiedliche Herstellungsprozesse. Hier handle es sich um ein endlosfaserverstärktes Kunststoffrad. Die Wannungen bei Pkw-Kunststoffrädern seien nicht unbedingt auf Carbonräder übertragbar. Problematisch bei Kunststoffrädern könnten Steinschlagschäden, Dampfstrahlschäden oder UV-Einwirkungen sein. Ein entsprechendes Prüfpaket sei bislang noch nicht geschnürt worden. Die Richtlinie 1998 habe sich nicht wesentlich geändert im Vergleich zur Richtlinie 1982. Bei einer Hauptuntersuchung sei eine Rissfeststellung kaum möglich. Dies gelte für alle Räder. Bei Carbonrädern seien an Schadstellen Verfärbungen festzustellen. Die Carbonräder seien teilweise sogar dem Metallbauteil überlegen. Bei mehrlagigen Verbundteilen brauche die Beschädigung einer Lage nicht durch weitere Lagen durchzuwachsen. Bei sachgerechter Herstellung seien Carbonräder seiner Auffassung nach nicht gefährlicher als Metallräder. Die vom TÜV-Mainz (2003) vorgenommene Prüfung sei bezüglich der Prüfkriterien nicht vollständig gewesen.
Die Beteiligten haben sich im Termin der mündlichen Verhandlung darauf verständigt, dass vom Sachverständigen … (TÜV-…) Prüfrichtlinien für ZFK-Motorradräder entworfen werden und dem Kläger die beantragte Betriebserlaubnis erteilt wird, sofern dieser den Nachweis vorlegt, dass die im Streit befindlichen Räder dem Entwurf dieser Richtlinien entsprechen.
Die Beteiligten haben daraufhin das Ruhen des Verfahrens beantragt.
Der Kläger hat am 20.03.2009 das Verfahren wieder angerufen und erklärt, dass der vom TÜV-Süd am 21.01.2009 übermittelte Prüfvorschlag ungeeignet und unverhältnismäßig sei. So habe der Kläger erfolglos versucht, ein Prüfinstitut zu finden, das die streitbefangenen Räder anhand des Prüfvorschlags prüft. Lediglich die TÜV-… GmbH habe ein eingeschränktes Angebot erstellt. Damit stehe fest, dass eine Prüfung der streitbefangenen Räder des Klägers anhand des von Herrn … unterbreiteten Prüfvorschlags nicht möglich ist. Der Prüfvorschlag sei aus mehreren Gründen zu unbestimmt bzw. ungeeignet. Außerdem seien die vorgeschlagenen Prüfungen, soweit sie überhaupt durchführbar seien, überwiegend mit unangemessen hohem Material- und Kostenaufwand verbunden und damit unverhältnismäßig. Einige Prüfungen habe der Hersteller zudem ohnehin bereits durchgeführt und bestanden.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die beigezogenen Behördenakten sowie auf die vorbereitenden Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Das Gericht konnte ohne (weitere) mündliche Verhandlung entscheiden, da sich die Beteiligten damit einverstanden erklärt haben (§ 101 Abs. 2 VwGO).
Die Klage ist zulässig und begründet.
Der angefochtene Ablehnungsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 01.04.2008 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Der Kläger hat einen Anspruch auf Erteilung einer Betriebserlaubnis für sein Kraftrad MV Augusta Typ F 4102001, das mit DYMAG Fünf-Speichen Carbonrädern ausgerüstet ist (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
Dieser Anspruch ergibt sich zwar nicht aus den nationalen Regelungen der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung in der im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts maßgeblichen Fassung der Bekanntmachung vom 28.09.1988 (BGBl. I, S. 1793), zuletzt geändert durch Art. 3 V. vom 21.04.2009 (BGBl. I S. 872) -StVZO-, und insbesondere nicht aus § 21 StVZO (nachfolgend 1.). Der Anspruch ergibt sich vielmehr aus dem Anwendungsvorrang des Art. 28 EG, der hier unmittelbar Anwendung findet (nachfolgend 2.).
1. Das Regierungspräsidium ist für die Genehmigung von Ausnahmen von den Vorschriften des Abschnittes B der StVZO in bestimmten Einzelfällen -einen solchen hat der Beklagte hier zutreffend angenommen – sachlich und instanziell zuständig (§ 2 Abs. 2 der VO des Verkehrsministeriums über Zuständigkeiten zur Zulassung von Fahrzeugen).
Ein Anspruch auf Betriebszulassung als Einzelfahrzeug nach § 21 StVZO steht dem Kläger bereits deshalb nicht zu, weil sein Motorrad über eine EG-Betriebserlaubnis verfügt und in Deutschland (ohne die gewünschten Carbon-Räder) für den Straßenverkehr zugelassen ist. Das Motorrad gehört daher „zu einem genehmigten Typ“ i.S.v. § 21 Abs. 1 S. 1 StVZO. Verliert dieser genehmigte Typ durch den Umbau einzelner Teile seine Betriebszulassung, so unterfällt dies nicht dem Anwendungsbereich des § 21 StVZO (vgl. Dauer in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 40. Aufl. § 21 Rdn. 3). Der Kläger hat zudem auch nicht die für Betriebszulassung des Motorrads als Einzelfahrzeug erforderlichen Gutachten mit der technischen Beschreibung des Motorrads und den Ergebnissen der Prüfprotokolle (vgl. § 21 Abs. 1 und Abs. 2 StVZO) vorgelegt.
2. Der Kläger hat gleichwohl einen Anspruch darauf, dass ihm auf seinen gestellten Antrag für das auf endlosfaserverstärkte Carbon-Kunststoff-Räder umgerüstete Motorrad eine Betriebserlaubnis erteilt wird.
a.) Hierbei kann offen bleiben, ob die Betriebserlaubnis dem Kläger bereits deshalb neu zu erteilen ist, weil die bisherige allgemeine EG-Betriebserlaubnis für dieses Motorrad durch die Umrüstung auf Carbon-Kunststoff-Räder nicht erlischt. Dieses Rechtsschutzziel könnte der Kläger zwar auch mit einer Feststellungsklage erreichen, dies steht der Zulässigkeit der von ihm erhobenen Verpflichtungsklage jedoch nicht entgegen. Denn der Beklagte geht nach den im Verfahren abgegebenen Erklärungen davon aus, dass nach dem beabsichtigten Umbau die für das Kraftrad erteilte EG-Betriebserlaubnis erloschen ist. Da diese Rechtsauffassung auch von Zulassungsbehörden in anderen Bundesländern geteilt wird, besteht ein Rechtsschutzinteresse des Klägers, für das umgebaute Kraftrad eine neue Betriebserlaubnis zu erhalten.
b.) Eine Betriebserlaubnis erlischt nach § 19 Abs. 2 Satz 2 StVZO, wenn Änderungen vorgenommen werden, durch die 1. die in der Betriebserlaubnis genehmigte Fahrzeugart geändert wird, 2. eine Gefährdung von Verkehrsteilnehmern zu erwarten ist oder 3. das Abgas- oder Geräuschverhalten verschlechtert wird. Da die Fahrzeugart (Kraftrad) durch den Umbau nicht geändert und das Abgas- oder Geräuschverhalten ersichtlich nicht verschlechtert wird, käme allenfalls der Erlöschenstatbestand des § 19 Abs. 2 Nr. 2 StVZO in Betracht. Hinreichend konkrete Anhaltspunkte dafür, dass mit der Umrüstung des Kraftrades auf die im Streit stehenden Carbon-Räder eine Gefährdung von Verkehrsteilnehmern zu erwarten ist, hat der Beklagte – wie noch ausgeführt wird – nicht hinreichend dargetan. Die bloße Möglichkeit einer Gefährdung genügt seit der ab 01.01.1994 geltenden Fassung des Gesetzes nicht mehr (vgl. Dauer in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 40. Aufl. § 19 Rdn. 8).
c.) Die Erteilung einer neuen Betriebserlaubnis wird dem Eigentümer oder sonst. Verfügungsberechtigten auf Antrag erteilt. Sie setzt zwar grundsätzlich ein Vollgutachten eines amtlich anerkannten Sachverständigen voraus. Besteht jedoch -wie hier- unstreitig kein Anlass zur Annahme der Unvorschriftsmäßigkeit des Kraftrades im Übrigen, so wird sich die Begutachtung auf die Änderung beschränken dürfen, die zum Erlöschen geführt hat (vgl. Dauer in Hentschel/König/Dauer, aaO, § 21 Rdn. 15). Ist von der Umrüstung eine Gefährdung der Verkehrsteilnehmer nicht zu erwarten, kann dem Eigentümer auf seinen Antrag demnach auch ohne Vorlage eines Gutachtens eine Betriebserlaubnis erteilt werden.
d.) Geht man hingegen mit dem Beklagten davon aus, dass ein Erlöschengrund nach § 19 Abs. 2 Satz 2 StVZO gegeben ist, entfiele dieser vorliegend auch nicht § 19 Abs. 3 StVZO. Diese Vorschrift sieht zwar vor, dass abweichend von Abs. 2 Satz 2 die Betriebserlaubnis nicht erlischt, wenn bei Änderungen durch Ein- oder Anbau von Teilen 1. für diese Teile a) eine Betriebserlaubnis nach § 22 oder eine Bauartgenehmigung nach § 22a erteilt worden ist oder b) der nachträgliche Ein- oder Anbau im Rahmen einer Betriebserlaubnis oder eines Nachtrags dazu für das Fahrzeug nach § 20 oder § 21 genehmigt worden ist und die Wirksamkeit der Betriebserlaubnis, der Bauartgenehmigung oder der Genehmigung nicht von der Abnahme des Ein- oder Anbaus abhängig gemacht worden ist oder 2. für diese Teile a) eine EWG-Betriebserlaubnis, eine EWG-Bauartgenehmigung oder eine EG-Typengenehmigung nach Europäischem Gemeinschaftsrecht oder b) eine Genehmigung nach Regelungen in der jeweiligen Fassung entsprechend dem Übereinkommen v. 20. März 1958 (BGBL.1965 II S. 857) über die Annahme einheitlicher Bedingungen für die Genehmigung der Ausrüstungsgegenstände und Teile von Kraftfahrzeugen über die gegenseitige Anerkennung der Genehmigung, soweit diese von der Bundesrepublik Deutschland angewendet werden, erteilt worden ist.
Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.
Entgegen die Rechtsauffassung des Klägervertreters kommt hier auch keine Anerkennung einer ausländischen staatlichen Genehmigung bzw. eines Prüfzeichens nach § 21a StVZO in Betracht.
Nach § 21a Abs. 1 StVZO werden im Verfahren auf Erteilung der Betriebserlaubnis Genehmigungen und Prüfzeichen anerkannt, die ein ausländischer Staat für Ausrüstungsgegenstände oder Fahrzeugteile oder in Bezug auf solche Gegenstände oder Teile für bestimmte Fahrzeugtypen unter Beachtung der mit der Bundesrepublik Deutschland vereinbarten Bedingungen erteilt hat.
Bei den vom Kläger vorgelegten Bescheinigungen der DYMAG Racing U.K. Ltd. und DYMAG Composites Ltd. vom 19.12.2007 handelt es sich weder um amtliche britische Genehmigungen bzw. Erlaubnisse noch um auf Grundlage des harmonisierten EG oder ECE-Rechts für Kunstoff-/Carbonräder erteilte Genehmigungen, die aufgrund von Rechtsakten der Europäischen Gemeinschaft erteilt worden und daher anzuerkennen sind (§ 21a Abs. 1a StVZO). Dasselbe gilt für den von der British Standards Institution (BSI) erstellten und vorgegebenen einschlägigen technischen Standard für Räder für Motorräder. Zwar handelt es sich bei der BSI um eine offizielle nationale Stelle in Großbritanien für die Erstellung und Festlegung technischer Standards. Hierbei handelt es sich jedoch weder um nationale britische Genehmigungen und Prüfzeichen i.S.d. § 21a Abs. 1 Satz 1 StVZO, noch um Genehmigungen und Prüfzeichen, die aufgrund von Rechtsakten der Europäischen Gemeinschaften erteilt wurden oder anzuerkennen sind (§ 21a Abs. 1a StVZO).
Nach § 21b StVZO werden im Verfahren auf Erteilung der Betriebserlaubnis Prüfungen anerkannt, die aufgrund von harmonisierter Vorschriften nach § 19 Abs. 1 Satz 2 StVZO durchgeführt und bescheinigt worden sind.
Entsprechende Prüfungen bzw. Prüfrichtlinien im Sinne von § 19 StVZO gibt es jedoch bislang für endlosfaserverstärkte Carbon-Kunststoffräder weder auf EU-Ebene, noch auf nationaler deutscher Ebene. Der Kläger wäre daher derzeit nicht in der Lage, die notwendigen Gutachten vorzulegen, die ein Erlöschen der Betriebserlaubnis nach nationalem Recht verhindern könnten.
e.) Selbst wenn man damit zur Auffassung käme, dass die dem Kläger für sein Kraftrad erteilte EG-Betriebserlaubnis nach nationalem Recht erlöschen würde, schließt dies einen Anspruch des Klägers auf Erteilung einer (neuen) Betriebserlaubnis für das im Tenor genannte (umgebaute) Kraftrad nicht aus. Denn eine Versagung der Betriebserlaubnis würde vorliegend gegen Art. 28 EG, der hier unmittelbare Anwendung findet, verstoßen.
Danach sind mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen sowie alle Maßnahmen gleicher Wirkung zwischen den Mitgliedstaaten verboten.
Das Verbot „aller Maßnahmen gleicher Wirkung“ ist von zentraler Bedeutung für die Verwirklichung des Binnenmarktes in der EU. Die bisherige Rechtsprechung des EuGH zu diesem Verbot zeigt ein reiches Panorama von offenen und versteckten Diskriminierungen, mit denen die Mitgliedstaaten zum Schutz des heimischen Handels die Wareneinfuhr behindern. Der EuGH versteht den Begriff „Maßnahmen gleicher Wirkung“ in Art. 28 EG in umfassender Weise. Danach ist „jede Handelsregelung der Mitgliedstaaten, die geeignet ist, den innergemeinschaftlichen Handel unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potentiell zu behindern, als Maßnahme mit gleicher Wirkung wie eine mengenmäßige Beschränkung anzusehen (Dassonville EuGH , Rs 8/74, Slg. 1974, 837 Rn. 5). Die „Dassonville-Formel“ erfasst zunächst jegliche Diskriminierungen eingeführter Waren gegenüber einheimischen Erzeugnissen. Die besondere Bedeutung der Formel liegt jedoch darin, dass darüber hinaus auch diskriminierungsfreie Beschränkungen des Handelsverkehr erfasst werden, die in- und ausländische Waren gleichermaßen treffen (vgl. Herdegen Europarecht 10. Aufl. 2008 § 16 freier Warenverkehr; Bergmann Recht und Politik der EU Anm. 492 ff.). Im hier zu entscheidenden konkreten Fall der Verweigerung einer Betriebserlaubnis für mit Carbon Fünf-Speichenrädern ausgerüstete Krafträder handelt es sich zwar um keine Handelsregelung, sondern um eine allgemeine Zulassungsregelung für Kfz-Teile, die für alle Hersteller, also in- und ausländische, gleichermaßen gilt. Trotzdem handelt es sich hier um Zulassungsbestimmungen, die den freien Warenverkehr und damit auch Absatzmöglichkeiten in Großbritannien hergestellter und dort ohne Beschränkung zugelassener Kfz-Teile behindern. Eine unzulässige Absatzbehinderung liegt auch dann vor, wenn keine ausdrückliche Diskriminierung bestimmter Hersteller zu erkennen ist (vgl. „Cassis de Dijon“ EuGH Rs 120/78 Slg 1979, 649 Rn. 8 f.). Die Funktion der Warenverkehrsfreiheit in der EU ist neben der Verwirklichung des Binnenmarktes der Abbau spezifischer Zugangshindernisse für den grenzüberschreitenden Warenverkehr (Art. 14 Abs. 2 EG) auch das Ziel einer möglichst gleichen Einsatzmöglichkeit der Produkte in der EU. Grundsätzlich soll jedes Produkt, das in einem anderen Mitgliedstaat rechtmäßig hergestellt und dort in Verkehr gebracht worden ist, in die anderen Mitgliedstaaten eingeführt werden und dort frei zirkulieren können.
Dem steht die Weigerung des Beklagten, dem Kläger die beantragte Betriebserlaubnis zu erteilen, entgegen. Während der Kläger in Großbritannien sein mit endlosfaserverstärkten Carbonkunststoffrädern ausgestattetes Kraftrad zulässigerweise fahren und dies sogar besuchsweise nach Deutschland mitbringen kann, wird ihm hier ohne ausreichende Rechtsgrundlage die Erteilung einer Betriebserlaubnis versagt.
Das Gericht vermag auch nicht zu erkennen, dass im hier zu entscheidenden Fall die Weigerung der Beklagten, die beantragte Betriebserlaubnis zu erteilen, durch die Ausnahmevorschrift des Art. 30 EG gerechtfertigt ist.
Danach stehen die Bestimmungen der Art. 28 und 29 EG Einfuhr-, Ausfuhr und Durchfuhrverboten oder – Beschränkungen nicht entgegen, die aus Gründen der öffentlichen Sittlichkeit, Ordnung und Sicherheit, zum Schutz der Gesundheit und des Lebens von Menschen, Tieren oder Pflanzen, des nationalen Kulturguts von künstlerischem, geschichtlichem oder archäologischem Wert oder des gewerblichen und kommerziellen Eigentums gerechtfertigt sind. Diese Verbote oder Beschränkungen dürfen jedoch weder ein Mittel zur willkürlichen Diskriminierung noch eine verschleierte Beschränkung des Handels zwischen den Mitgliedsstaaten darstellen (Art. 30 EG).
Bei der Rechtfertigung von Beschränkungen des freien Warenverkehrs im Rahmen der immanenten Schranken des Art. 28 EG oder nach Art. 30 EG spielt die Prüfung der Verhältnismäßigkeit eine entscheidende Rolle (vgl. Herdegen Europarecht a.a.O. § 16 freier Warenverkehr Rn. 20 f.).
Zwar handelt es sich bei den in der StVZO aufgestellten Voraussetzungen für die Erteilung / das Erlöschen einer Betriebserlaubnis weder um formell, noch materiell diskriminierende Vorschriften, da diese unterschiedslos für einheimische und eingeführte Waren gelten (vgl. Cassis de Dijon vom 20.02.1979). Trotz alledem führen diese Bestimmungen zu einer Beschränkung des Handels und der Nutzungsmöglichkeiten für Carbon-Kunststoffräder zwischen den Mitgliedsstaaten der EU. Diese wären nach Art. 30 EG u.a. dann zulässig, wenn sie zum Schutze der Gesundheit und des Lebens von Menschen gerechtfertigt sind.
Grundsätzlich ist es zunächst Sache der Mitgliedsstaaten, in den durch den Vertrag gesetzten Grenzen zu bestimmen, in welchem Umfang sie entsprechend Schutz gewähren (Streinz EUV/EGV Art. 30 Rn. 13 ff.). Einer Ausuferung des Rechtfertigungsgrundes wird durch die Verpflichtung begegnet, das Bestehen einer Gesundheitsgefahr objektiv zu untermauern. Dies ist der Beklagten bislang nicht gelungen. Mit entsprechenden endlosfaserverstärkten Carbon-Kunststoffrädern ausgerüstete Motorräder sind seit Jahren in Großbritannien und anderen Europäischen Ländern im öffentlichen Straßenverkehr und durchweg bei internationalen Motorradrennen im Einsatz. Unfälle die auf eine fehlende Betriebssicherheit (Materialmängel, Herstellungsmängel) zurückzuführen wären, sind dem Gericht bislang nicht bekannt und wurden vom Beklagten auch nicht geltend gemacht. Bei Gebrauchs- und Vermarktungsbeschränkungen, die – wie hier –, auf einer unsicheren Tatsachengrundlage dem Gesundheitsschutz dienen (sollen), ist das Verhältnismäßigkeitsprinzip von besonderer Bedeutung. Hier bindet die Verhältnismäßigkeit die zulässige Risikovorsorge an objektivierbare Standards. Dies hat der EuGH u.a. im Verfahren um die dänischen Vermarktungsbeschränkungen für Lebensmittel mit zugesetzten Vitaminen und Mineralstoffen deutlich gemacht (vgl. EuGH, RsC-192/01-Kommission/Dänemark, Slg. 2003, I-9693 Rn. 45 ff.). Der EuGH verlangte für ein derartiges Vermarkungsverbot eine Risikobewertung auf der Grundlage aktueller wissenschaftlicher Informationen sowie eine Beurteilung der Wahrscheinlichkeit und der Schwere schädlicher Auswirkungen von Lebensmittelzusätzen.
Im hier zu entscheidenden Fall liegen aktuelle wissenschaftliche Untersuchungen und Feststellungen zu den von der Beklagten und den mit der Problematik befassten Fachausschüssen benannten Einflussgrößen wie Temperaturverhalten, Betriebslasten, Medieneinwirkungen (UV-Strahlung, Feuchte, chemische Einwirkungen), Erkennbarkeit von Vorschädigungen, Dauerhaltbarkeit/Altern des Materials, gleichmäßige Fertigungsqualität, bislang nicht vor. Daher ist, auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass es bislang noch keine auf endlosfaserverstärkte Carbonräder zurückzuführende Unfälle mit Personenschäden gab, in der Weigerung der Beklagten, eine Betriebserlaubnis zu erteilen eine unverhältnismäßige Beschränkung des Art. 28 EG zu sehen. Zwar stellt jede Teilnahme am Straßenverkehr, gerade mit schweren Krafträdern eine latente Gefahr für Verkehrsteilnehmer dar. Dies rechtfertigt jedoch nicht, auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Vorsorgeprinzips, ohne wissenschaftliche Erkenntnis über konkrete Gefährdungen und Gefahren die von der Nutzung der Carbon-Räder ausgehen, dem Kläger die beantragte Betriebserlaubnis für sein im Übrigen vorschriftsmäßiges und mit einer EG-Betriebserlaubnis versehenes Kraftrad nur deshalb zu versagen, weil dieses mit in Großbritannien hergestellten und dort ohne Beschränkung für diesen Motorradtyp zugelassenen Carbon-Rädern ausgestattet wurde.
Der vom Sachverständigen … nach der mündlichen Verhandlung vom 26.11.2008 vorgelegte Prüfkriterienentwurf führt zu keiner anderen rechtlichen Beurteilung. Zum einen handelt es sich hier nicht um allgemein verbindliche von den zuständigen Fachkreisen erstellte Prüfkriterien, sondern um Vorschläge eines Sachverständigen. Weiter sind die darin aufgestellten Verpflichtungen vom Kläger teilweise überhaupt nicht und nur unter unverhältnismäßig hohen finanziellen Verpflichtungen zu erfüllen.
Der Versuch des Beklagten, Prüfkriterien für Carbon-Kunststoffräder zu entwickeln und aufzustellen, entbindet diesen – wie oben dargelegt – nicht von der Verpflichtung konkrete Gefahren aufzuzeigen, die von der Verwendung dieser Räder ausgehen und eine Nichtzulassung aus Gründen der Sicherheit für Leib und Leben im Straßenverkehr ausnahmsweise nach Art. 30 EG rechtfertigen würden.
Der jahrelange problemlose, unfallfreie Einsatz in Großbritannien und Holland im öffentlichen Straßenverkehr und bei internationalen Motorradrennen, machen derartige Nachweise wenig wahrscheinlich.
Es wird daher Aufgabe des europäischen und des nationalen Gesetzgebers sein, entsprechende verbindliche internationale oder nationale Richtlinien zur Zulässigkeit von Carbon-Kunststoffrädern zu entwickeln. Die Kammer sieht jedenfalls nach derzeitiger Rechtslage keinen Anlass, dem Kläger die beantragte Betriebserlaubnis für sein Kraftrad MV-Augusta in Verbindung mit DYMAG Carbon Fünf-Speichenrädern zu versagen.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Berufung ist wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen (§ 124a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).