Das Verkehrslexikon

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Tiergefahr - Haftungsabwägung gegenüber der Betriebsgefahr von Fahrzeugen

Tierhalterhaftung - Tiergefahr - Haftungsabwägung gegenüber der Betriebsgefahr von Fahrzeugen




Gliederung:


-   Einleitung
-   Weiterführende Links
-   Allgemeines
- Entlastungsbeweis
- Abgrenzung Tierhalterhaftung / Amtspflichtverletzung
- Pferde und Ponys
- Hunde
- Katzen
- Rinder
- Schafe



Einleitung:


Ähnlich wie Halter von Kraftfahrzeugen für die von ihren Fahrzeugen ausgehende Betriebsgefahr auch ohne eigenes Verschulden Dritten für Schäden haften müssen, die beim Betrieb des Kfz verursacht werden, trifft auch die Halter von Tieren die sog. Tierhalterhaftung. Sie müssen gem. § 831 BGB verschuldensunabhängig für die Folgen der durch die von Tieren typischerweise ausgehenden Gefahren - insbesondere auch im Straßenverkehr - eintreten.


Diese Art der Gefährdungshaftung ist die Folge der spezifischen Tiergefahr, die sich dann realisiert, wenn ein Tier unberechenbar reagiert, siehe OLG Celle (Urteil vom 19.12.2002 - 14 U 94/02):

   "Mit dem Scheuen des Pferdes vor einer Pfütze oder den lauten Geräuschen, die der Lkw der Beklagten verursacht hat, hat sich dessen typische Tiergefahr realisiert [BGH, VRS 20, 255]. Ein unverhofftes Zurseitespringen, plötzliches Rückwärtsgehen oder fluchtartiges Vorwärtsstürmen eines Pferdes vor einem "imaginären Hindernis" stellt ein unberechenbares und oftmals schwer bis gar nicht zu beherrschendes Verhalten dar, das auch geländesichere Pferde, die an Straßenverkehr gewöhnt sind, unvorhersehbar an den Tag legen können. Ein Reiter darf sich in der heutigen Zeit, in der sich das Verhältnis zwischen Mensch und Tier deutlich entfremdet hat, nicht darauf verlassen, dass andere Verkehrsteilnehmer Verständnis für diese tiertypischen Eigenschaften aufbringen und sich entsprechend rücksichtsvoll verhalten."

Eine Haftungsprivilegierung hat der Gesetzgeber allerdings vorgesehen:

   Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Schaden durch ein Haustier verursacht wird, das dem Beruf, der Erwerbstätigkeit oder dem Unterhalt des Tierhalters zu dienen bestimmt ist, und entweder der Tierhalter bei der Beaufsichtigung des Tieres die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beobachtet oder der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt entstanden sein würde.

Die Haftungserleichterung kommt also nur bei bestimmten Haustieren zum Zuge, wenn gleichzeitig dem Tierhalter nicht der Vorwurf eines verkehrswidrigen Verhaltens gemacht werden kann.

Ein anderes nicht unwichtiges Haftungsproblem ergibt sich im Versicherungsrecht aus der Problematik, inwieweit ein Ersatz von Fahrzeugschäden aus einem Fahrzeugversicherungsvertrag in Betracht kommt, wenn es ohne zumutbares Bremsen zu einer Kollision mit einem Tier kommt; siehe hierzu Rettungskosten - Bremsen bzw. Ausweichen vor Tieren.

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Weiterführende Links:


Stichwörter zum Thema Unfallschadenregulierung

Betriebsgefahr und verschuldensunabhängige Gefährdungshaftung

Zur verschuldensunabhängigen Halterhaftung

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Allgemeines:


BGH v. 02.11.1965:
Wird der Kfz-Führer durch das plötzliche Auftauchen eines Tieres (hier: eines Dackels) überrascht, so steht ihm eine Schrecksekunde zu; erst nach deren Ablauf ist er verpflichtet, sach- und verkehrsgemäß zu reagieren. Trifft ihn kein Vorwurf, fällt hingegen dem Tierhalter Fahrlässigkeit zur Last, dann führt die Haftngsabwägung zwischen Betriebs- und Tiergefahr zur vollen Haftung des Tierhalters.

BGH v. 19.01.1988:
Die Haftung als Halter eines Pferdes nach BGB § 833 bleibt unberührt, wenn das Pferd bei einem Dritten untergestellt ist und von diesem eigenmächtig zu einer Reitstunde eingesetzt wird.

AG Bremen v. 18.10.2002:
Wird ein Schaden durch ein Kraftfahrzeug und durch ein Tier verursacht, so hängt im Verhältnis des Fahrzeughalters und des Tierhalters zueinander die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist. Die Seitenabstände zum Überholten und zum Gegenverkehr müssen so ausreichend groß sein, dass sie Schreckreaktionen anderer Verkehrsteilnehmer ausschließen. Der Seitenabstand darf insbesondere nicht bedrängend gering sein. Bei der Haftungsabwägung führt das Nichteinhalten eines ausreichenden Seitenabstandes unter Berücksichtigung der hohen Tiergefahr zu einer Schadensteilung.




BGH v. 30.06.2009:
Die Haftungsprivilegierung des Nutztierhalters verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1.

LG Erfurt v. 07.09.2010:
Für Inanspruchnahme des Tierhalters aus der Tiergefahr muss das tierische Verhalten nicht die einzige Ursache des eingetretenen Unfalls sein. Es genügt vielmehr, wenn das Verhalten des Tieres für die Entstehung des Schadens adäquat mitursächlich geworden ist. Ein unmittelbarer Kontakt zwischen Tier und Geschädigtem ist nicht erforderlich. Es genügt eine Einwirkung des Tieres auf einen Menschen, wenn der Mensch infolge der Einwirkung einen Schaden hervorruft.

OLG Rostock v. 10.12.2010:
Läuft ein Dalmatiner in einer Koppel auf ein dort herumlaufendes Pferd zu und gerät dieses dadurch in Panik, so dass es sich bei dem Sprung über den Zaun verletzt, so haftet der Hundehalter dem Pferdehalter gem. § 833 BGB in Höhe von 50% des Schadens. Gem. § 254 Abs. 1 BGB muss auch die Tiergefahr des Pferdes berücksichtigt werden. Der Grundsatz, dass die auf Seiten des Geschädigten mitwirkende Sach- und Betriebsgefahr den Ersatzanspruch beschränkt, gilt auch für die Tierhalterhaftung. Die Tiergefahr des Pferdes wiegt mindestens gleich hoch wie die des Hundes. Zwar ist ein Pferd - anders als ein Hund - kein Jagdtier, das andere Tiere angreift oder hetzt. Eine Gefahr ergibt sich aber auch bei Pferden aus der Unberechenbarkeit des tierischen Verhaltens.

BGH v. 21.12.2010:
Einem Idealverein, der sich im Rahmen seiner satzungsmäßigen Aufgaben der Reittherapie von Behinderten widmet, steht grundsätzlich die Entlastungsmöglichkeit nach § 833 Satz 2 BGB nicht zu.

OLG Koblenz v. 16.04.2012:
Die spezifische Tiergefahr realisiert sich, wenn der Schaden auf der Unberechenbarkeit tierischen Verhaltens beruht. Das ist dann der Fall, wenn ein Tier ausbricht und ein Verkehrshindernis darstellt; also wenn es unmittelbar vor dem Verkehrsteilnehmer auf die Straße läuft. Die Realisierung der Tiergefahr liegt dann darin begründet, dass das Tier ausgerissen ist und sich eigenmächtig auf die Fahrbahn begeben hat.

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Entlastungsbeweis:


BGH v. 30.06.2009:
Zu den Anforderungen an den dem Tierhalter obliegenden Entlastungsbeweis gemäß § 833 Satz 2 BGB.

BGH v. 14.02.2017:
§ 833 Satz 2 BGB räumt dem Tierhalter die Möglichkeit, sich von der Gefährdungshaftung des § 833 Satz 1 BGB zu entlasten, nur dann ein, wenn der Schaden durch ein Haustier verursacht worden ist, das dem Beruf, der Erwerbstätigkeit oder dem Unterhalt des Tierhalters - d.h. einem wirtschaftlichen Zweck - zu dienen bestimmt ist. - Unter Erwerbstätigkeit im Sinne des § 833 Satz 2 BGB ist jede Tätigkeit zu verstehen, die auf Gewinnerzielung gerichtet ist. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn die Tätigkeit objektiv darauf angelegt ist und subjektiv von der Absicht getragen wird, Gewinn zu erzielen. Die bloße Gewinnerzielungsabsicht als solche, die in den objektiven Umständen keinen Niederschlag findet, genügt dagegen nicht.

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Abgrenzung Tierhalterhaftung/Amtspflichtverletzung:


OLG Brandenburg v. 18.11.2008:
Kommt es zu einem Unfall mit einem Diensthund, den ein Zollbeamter aufgrund öffentlich-rechtlicher Dienstpflicht sowie seiner Verpflichtungserklärung führt, pflegt und beaufsichtigt, so bestehen Ansprüche nicht aus der Tierhalterhaftung sondern aus Amtspflichtverletzung, weil § 839 BGB eine Spezialvorschrift ist, durch die § 833 BGB verdrängt wird. Die Entlastungsmöglichkeit gem. § 833 Satz 2 BGB bleibt jedoch erhalten.

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Pferde und Ponys:


BGH v. 27.05.1986:
Auch für Halter von Reitpferden, die ihre Tiere zum Ausritt vermieten, kann BGB § 833 S 2 Anwendung finden. Zu den Anforderungen an den nach dieser Vorschrift zu führenden Entlastungsbeweis, wenn der Tierhalter ein Reitpferd zum Ausreiten im Straßenverkehr vermietet.

BGH v. 19.01.1988:
Die Haftung als Halter eines Pferdes nach BGB § 833 bleibt unberührt, wenn das Pferd bei einem Dritten untergestellt ist und von diesem eigenmächtig zu einer Reitstunde eingesetzt wird.

OLG Koblenz v. 08.05.1991:

  1.  Benutzt ein Pferdehalter die Tiere im allgemeinen als Holzrückpferde im Wald und setzt er sie ausnahmsweise bei einem Karnevalsumzug als Zugtiere vor einer alten Feuerwehrspritze ein, so kann er sich gleichwohl auf das Entlastungsprivileg für Nutztiere (BGB § 833 S 2) berufen.

  2.  Auch bei zwei "lammfrommen" Kaltblütern ist ein unberechenbares tierisches Verhalten nicht ausgeschlossen.

  3.  Bleibt unklar, warum Pferde ausgebrochen sind, so geht diese Unklarheit zu Lasten des Halters.


OLG Celle v. 19.12.2002:
Ein unverhofftes Zurseitespringen, plötzliches Rückwärtsgehen oder fluchtartiges Vorwärtsstürmen eines Pferdes vor einem "imaginären Hindernis" stellt ein unberechenbares und oftmals schwer bis gar nicht zu beherrschendes Verhalten dar, das auch geländesichere Pferde, die an den Straßenverkehr gewöhnt sind, unvorhersehbar an den Tag legen können. Ein Reiter darf sich in der heutigen Zeit, in der sich das Verhältnis zwischen Mensch und Tier deutlich entfremdet hat, nicht darauf verlassen, dass andere Verkehrsteilnehmer Verständnis für diese tiertypischen Eigenschaften aufbringen und sich entsprechend rücksichtsvoll verhalten. Bei der Haftungsabwägung zwischen der Betriebsgefahr eines Lkw und der Tiergefahr eines plötzlich scheuenden Pferdes ist eine Haftungsquote von 70:30 zu Lasten des Pferdes angemessen, wenn weder dem Reiter noch dem Lkw-Fahrer ein Verkehrsverstoß nachgewiesen werden kann.

OLG Nürnberg v. 06.04.2004:
Wer zu gewerblichen Zwecken Pferde hält, kann sich nach einem durch ein entlaufenes Pferd verursachten Verkehrsunfall von der Tierhalterhaftung grundsätzlich nur dann gemäß § 833 Satz 2 BGB entlasten, wenn er für den Fall seiner Abwesenheit vom Gehöft Vorsorge gegen unbefugtes Freilassen der Pferde durch Dritte getroffen hat.

OLG Celle v. 13.05.2004:
Zur Haftungsverteilung bei einem Zusammenstoß Pkw/Pferd zwischen dem mit 70 km/h innerorts und auf Warnhinweise nicht reagierenden Pkw-Fahrer (2/3) und dem Pferdehalter (1/3). Bei der Abwägung wertet der Senat das Verschulden des alkoholisierten Kfz-Führers, der die Warnhinweise einer Zeugin aufgrund egoistischer Motive (70 km/h innerorts und ganz offensichtlich herabgesetzte Aufmerksamkeit infolge Alkoholeinwirkung) einfach ignoriert hat, als grob fahrlässig. Demgegenüber kann dem Tierhalter nur einfache Fahrlässigkeit angelastet werden.

OLG Celle v. 03.01.2005:
Ein (leichter) Verstoß des Kraftfahrers gegen das Sichtfahrgebot kann hinter dem erheblichen mitwirkenden Verschulden des Tierhalters vollständig zurücktreten, dessen vier Pferde nach dem Ausbruch aus einer unmittelbar an einer Bundesstraße gelegenen unzureichend gesicherten Weide auf der Fahrbahn nur schwer erkennbare Hindernisse bildeten.

OLG Schleswig v. 17.02.2005:
Die einfache Betriebsgefahr eines Kraftfahrzeuges tritt bei einer Kollision mit einem Großtier – hier: Pony – im öffentlichen Verkehrsraum grundsätzlich vollständig hinter die (gesteigerte) Tiergefahr zurück.

OLG Hamm v. 25.04.2006:
Tierhalter und Tierhüter haften bei einem Unfall eines Kraftfahrzeugs mit einem Pferd als Gesamtschuldner nach einer im Verhältnis zum Geschädigten einheitlichen Quote; eine unterschiedliche Quotierung der Haftungsanteile ist nicht geboten. Der dem Tieraufseher mögliche Entlastungsbeweis zur Haftungsfreistellung ist nicht geführt, wenn über mehrere Stunden unbeaufsichtigt gewesene Pferde nach 18 Uhr aus einer nicht ordnungsgemäß gesicherten Stallbox entweichen. Eine Geschwindigkeit von 65 km/h und mehr bei Dunkelheit auf einer Landstraße genügt nicht den Anforderungen eines Fahrens auf Sicht, weil die Erkennbarkeitsentfernung in Bezug auf Pferde - ebenso wie bei dunkel gekleideten Fußgängern - nicht mehr als 30 Meter beträgt (Haftungsquote 2/3 zu Lasten des Tierhalters).

OLG Hamm v. 08.10.2009:
Eine Zaunhöhe von 1,20 m ist für eine Pferdeweide (hier: Weidegang von Springpferden) nicht genügend. Kommt es zur Nachtzeit auf einer Landstraße zur Kollision zwischen einem Kraftfahrzeug und einem ausgebrochenen Pferd, ist eine höhere Haftungsquote des Kfz-Halters von mehr als 50% selbst dann nicht gerechtfertigt, wenn ein Verstoß gegen das Sichtfahrgebot mitgewirkt hat.

LG Erfurt v. 07.09.2010:
Für Inanspruchnahme des Tierhalters aus der Tiergefahr muss das tierische Verhalten nicht die einzige Ursache des eingetretenen Unfalls sein. Es genügt vielmehr, wenn das Verhalten des Tieres für die Entstehung des Schadens adäquat mitursächlich geworden ist. Ein unmittelbarer Kontakt zwischen Tier und Geschädigtem ist nicht erforderlich. Es genügt eine Einwirkung des Tieres auf einen Menschen, wenn der Mensch infolge der Einwirkung einen Schaden hervorruft. Der Tierhalter haftet daher auch, wenn das Tier einen Fahrzeugführer zu unfallursächlichem Bremsen oder Ausweichen veranlasst. Die Haftung des Tierhalters dem Grunde nach entfällt auch bei einem schuldhaft verursachten Auffahrunfall, bei dem der Vordermann wegen vor ihm frei laufender Pferde eine Vollbremsung einleitet, nicht (Haftungsquote 7/8 zu Lasten des Tierhalters).

OLG Brandenburg v. 07.04.2011:
Auch unter Berücksichtigung der nicht unerheblichen Betriebsgefahr eines Lkw-Anhänger aufgrund seiner Größe und Schwere sowie angesichts seiner Eingliederung in einen Lastzug überwiegt für die Unfallentstehung gleichwohl die Tiergefahr eines Pferdes, wenn dieses scheut und sich in die Fahrspur des Lkw-Zuges hineindreht. Der Senat bewertet die Tiergefahr in einem solchen Fall doppelt so hoch wie die Betriebsgefahr des Lkw-Anhängers.




OLG Celle v. 20.01.2016:
Auch an den Straßenverkehr grundsätzlich gewöhnte Pferde können durch unverhofftes Zurseitespringen, plötzliches Rückwärtsgehen oder fluchtartiges Vorwärtsstürmen auf eine subjektiv wahrgenommene Gefahr reagieren, wodurch sich ein unberechenbares und oftmals schwer bis gar nicht zu beherrschendes Verhalten begründet, mit dem ein Reiter bzw. - wie im hiesigen Fall - ein Pferdeführer zu rechnen hat. Hinzu kommt, dass es sich bei einem Pferd um ein dem Menschen in Bezug auf Gewicht und Körperkraft erheblich überlegenes Lebewesen handelt, das für den Fall, dass es „durchgeht“, nicht zu kontrollieren ist.

OLG Celle v. 10.04.2018:

1. Sowohl beim Passieren als auch beim Begegnen eines Reiters sollte ein Fahrzeug - abhängig von den konkreten Umständen des Einzelfalls - einen Seitenabstand von wenigstens 1,50 m bis etwa 2,00 m einhalten.

2. Auch wenn das Bankett nicht zur Fahrbahn gehört, kann es die konkrete Verkehrslage als sachgerechte und vernünftige Maßnahme erscheinen lassen, das Bankett mitzubenutzen, um z. B. den gebotenen Seitenabstand zu einem Reiter einhalten zu können.

LG Frankenthal v. 05.06.2020:
Radfahrer müssen beim Überholen von Pferden einen Sicherheitsabstand von mindestens eineinhalb bis zwei Metern einhalten. Das gilt auch dann, wenn Reiter und Pferde verbotswidrig auf dem Radweg reiten.

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Hunde:


OLG Hamm v. 26.06.2001:
Kommt es zu einer Kollision zwischen dem auf einem Weg in einer Grünanlage befindlichen Radfahrer und einem auf dem oder jedenfalls in unmittelbarer Nähe des Weges laufenden, nicht angeleinten und von der Beklagten nicht ausreichend kontrollierten Hund, so verwirklicht sich hierin die spezifische Tiergefahr, nämlich die durch die Unberechenbarkeit tierischen Verhaltens hervorgerufene Gefährdung. Dies führt zur verschuldensunabhängigen Haftung des Hundehalters.

AG Wetzlar v. 11.08.2005:
Besteht für den Führer eines Pkw die Möglichkeit, die Kollision mit einem außerhalb einer geschlossenen Ortschaft auf die Straße laufenden Hund durch ein (weiteres) Ausweich- oder Bremsmanöver zu vermeiden, haftet der Halter für den unfallbedingten Sachschaden in Höhe der einfachen Betriebsgefahr des Fahrzeugs (hier 25%).

OLG Brandenburg v. 17.01.2008:
Die Anforderungen an die Aufsichtspflicht des Tierhalters richten sich nach dem Gefahrenpotential des Tieres sowie den bedrohten Rechtsgütern; dabei ist insbesondere für eine Sicherung des auf angrenzenden öffentlichen Wegen stattfindenden Verkehrs zu sorgen. Selbst ein harmloser und gutmütiger Wachhund darf nicht ohne besondere Beaufsichtigung gelassen werden, wenn er Dritten allein schon durch seine Größe und sein Gewicht gefährlich werden kann. Stürzt ein Radfahrer infolge einer gefährlich erscheinenden Annäherung eines nicht angeleinten Hundes, so ist der Tierhalter dem Radfahrer, dem kein Fehlverhalten zur Last fällt, in voller Höhe schadensersatzpflichtig.

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Katzen:


LG Krefeld v 20.02.2020:
Wird der Schaden durch ein Kraftfahrzeug und ein Tier verursacht, kommen die Vorschriften des § 17 Abs.1 bis 3 StVG entsprechend zur Anwendung. Ist der Unfall für den Kfz-Halter unvermeidbar, trägt der Tierhalter den Schaden allein.

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Rinder:


AG Plön v. 29.11.2005:
Zerstören unbekannte Täter den Zaun zur Weide einer Rinderherde und kommt es dadurch zu einem Verkehrsunfall zwischen Rindern und einem Kfz, so ist der Landwirt als Tierhalter gem. § 833 Satz 2 BGB entlastet. Der beteiligte Kfz-Führer haftet dem Landwirt für den vollen Schaden an den Rindern, wenn es ihm nicht gelingt, zu beweisen, dass der Unfall für ihn unabwendbar war.

OLG Brandenburg v. 19.07.2007:
Der für eine Rinderherde verwendete Weideplatz ist so einzufrieden, dass ein genügender Schutz gegen ein Ausbrechen der Tiere gegeben ist. Der Zaun muss hinreichend hoch sein, um ein Überspringen zu verhindern und auch im Übrigen eine ausreichende Stabilität aufweisen, wobei sich die Anforderungen im Einzelfall unter anderem an der Gefährdung der Allgemeinheit zu orientieren haben, insbesondere an der Entfernung des Weideplatzes zu öffentlichen Straßen. Dies ist bei einem 1 m hohen Elektrozaun der Fall. Ergreift der Landwirt nach dem Ausbruch die ihm zumutbaren Maßnahmen zum Wiedereinfangen der Rinder, ist er gem. § 833 Satz 2 BGB entlastet. Dem geschädigten Kfz-Eigentümer stehen keine Ersatzansprüche zu.

LG Lüneburg v. 14.02.2008:
Kommt es zu einer Kollision von infolge mangelhafter Umzäunung ausgebrochenen Rindern und einem Kfz, so haftet der Tierhalter für den Schaden des Kfz-Eigentümers voll, wenn für diesen der Zusammenstoß unabwendbar war. In der Regel tritt die Betriebsgefahr hinter die Tiergefahr zurück.

OLG Karlsruhe v. 19.03.2009:
Bei einem Verkehrsunfall (nachts auf einer unbeleuchteten Landstraße) zwischen einem PKW und mehreren Kühen, die aus einer umzäunten Weide ausgebrochen sind, ist die Tiergefahr in der Regel höher zu bewerten als die (einfache) Betriebsgefahr des PKW. (Hier: Haftung des Tierhalters zu 75 %). Eine (nachgewiesene) Überschreitung der Sichtgeschwindigkeit kann sich auf die Haftungsquote nicht auswirken, wenn nicht feststeht, ob die Schäden (hier: schwere Verletzungen) des PKW-Fahrers bei Einhalten der Sichtgeschwindigkeit geringer gewesen wären. Ein mangelhafter Weidezaun hat keine Auswirkungen auf die Haftungsquote des Tierhalters, wenn offen bleibt, ob die Kühe auch bei einem ordnungsgemäßen Zaun ausgebrochen wären, beispielsweise bei einer Panikreaktion im Gewitter.

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Schafe:


OLG Koblenz v. 16.04.2012:
Die spezifische Tiergefahr realisiert sich, wenn der Schaden auf der Unberechenbarkeit tierischen Verhaltens beruht. Das ist dann der Fall, wenn ein Tier ausbricht und ein Verkehrshindernis darstellt; also wenn es unmittelbar vor dem Verkehrsteilnehmer auf die Straße läuft. Die Realisierung der Tiergefahr liegt dann darin begründet, dass das Tier ausgerissen ist und sich eigenmächtig auf die Fahrbahn begeben hat.

OLG Schleswig v. 09.05.2013:
Bei der nächtlichen Kollision eines mit offensichtlich zu hoher Geschwindigkeit fahrenden Kraftfahrzeugs mit einer Schafherde, die wegen unzureichender Umzäunung der Weide auf Grund einer zu niedrigen Höhe im Bereich der Dammstelle und unzureichender Sicherung mit nur zwei Drähten ausgebrochen und auf eine Kreisstraße gelangt ist und diese in voller Breite versperrt hat, ist eine Haftungsverteilung von 80:20 zu Lasten des Schafhalters gerechtfertigt. Dieser haftet für den von ihm eingesetzten Tieraufseher wegen schuldhafter Verletzung der Aufsichtspflicht, wenn er trotz erkennbarer Mängel der vom Tieraufseher eingerichteten Weidezäune nichts unternommen hat.

LG Frankfurt (Oder) v. 11.10.2019:
Sowohl den Tierhalter wie den Tieraufseher trifft bei einem Verkehrsunfall zwischen einem Schaf und einem Kfz. eine überwiegende Haftung - hier 80% -, wenn ihnen ein Auswahlverschulden bei der Anschaffung von ungeeigneten Herdenhunden zu Last fällt.

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