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Indizienbeweisführung und Unfallbetrug

Indizienbeweisführung und Unfallbetrug




Gliederung:


- Einleitung
- Weiterführende Links
- Allgemeines



Einleitung:


Zur Beweisführung beim Verdacht eines manipulierten Unfalls hat das OLG Brandenburg (Urteil vom 18.12.2008 - 12 U 152/08) ausgeführt:

"Erhebt wie im vorliegenden Fall der Versicherer den Vorwurf der Unfallmanipulation, hat zunächst der Geschädigte den äußeren Tatbestand der Rechtsgutsverletzung, also die Beschädigung des Eigentums durch das gegnerische Fahrzeug, sowie das Ausmaß des unfallbedingten Schadens darzulegen und zu beweisen. Demgegenüber trifft den Versicherer die Beweislast dafür, dass es sich um einen vorgetäuschten Unfall handelt. Der Nachweis, dass es sich um einen verabredeten Unfall handelt, kann auch im Wege des Indizienbeweises erbracht werden. Dieser wird geführt durch die Sammlung von Hilfstatsachen, die den Schluss auf die gesuchte Haupttatsache rechtfertigen, wobei die Hilfstatsachen feststehen müssen, also unstreitig oder bewiesen sein müssen (vgl. Lemcke r+s 1993, 121, 123). Dabei sind nicht nur die belastenden, sondern auch die entlastenden Umstände zu berücksichtigen.


Die Überzeugungsbildung des Gerichts setzt insoweit keine wissenschaftlich lückenlose Gewissheit voraus, es genügt vielmehr der Nachweis einer erheblichen Wahrscheinlichkeit für ein unredliches Verhalten, wobei die Grundsätze des Anscheinsbeweises auch für die Fälle der Unfallvereinbarung anwendbar sind (vgl. BGH NJW 1978, 2154; BGH VersR 1987, 503; BGH VersR 1988, 683; BGH NJW-RR 1989, 983; OLG Köln VersR 2001, 872; KG NZV 2006, 264, 265 jeweils m.w.N.; Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 39. Aufl., § 7 StVG Rn. 48). Die ungewöhnliche Häufung von Beweisanzeichen, die für eine Manipulation spricht, gestattet eine entsprechende Feststellung gem. § 286 ZPO."

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Weiterführende Links:


Unfallschadenregulierung

Unfallmanipulationen - Unfallbetrug - Berliner Modell

Die Beweiswürdigung in Zivilsachen

Der Beweisantrag im Zivilprozess

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Allgemeines:


KG Berlin v. 13.06.2005:
Zu den Voraussetzungen einer erheblichen Wahrscheinlichkeit für einen manipulierten Unfall auf Grund von vielen Indizien trotz möglicher Verletzung des Fahrers des Opferfahrzeugs.

KG Berlin v. 06.02.2006:
Als Indizien für das Vorliegen eines manipulierten Geschehens sind insbesondere Art und Zustand der beteiligten Fahrzeuge, Hergang des "Unfalls" sowie das nachträgliche Verhalten der Beteiligten von Bedeutung. - Es stellt ein erhebliches Indiz für ein manipuliertes Geschehen dar, wenn die Darstellung des Fahrers des Mietfahrzeugs ("Um den Unfall zu vermeiden, habe ich sofort das Lenkrad nach links gerissen…") nach der Auswertung des UDS des Mietwagens durch einen gerichtlichen Sachverständigen widerlegt ist.

OLG München v. 07.03.2008:
Bei Vorliegen einer Vielzahl von voneinander unabhängigen Indizien für einen gestellten Unfall kann eine Überzeugungsbildung des Gerichts von einem Unfallhergang, der nur auf eine vorsätzliche Selbstschädigung hindeutet, in Betracht kommen. Die einzelnen Hilfstatsachen müssen aber feststehen, also unstreitig oder bewiesen sein, um in ihrer Kombination bei fallbezogener Gesamtwürdigung ihr Gewicht zu erlangen.

OLG Brandenburg v. 25.09.2008:
Den auf Schadensersatz in Anspruch genommenen Haftpflichtversicherer trifft die Beweislast dafür, dass es sich um einen vorgetäuschten Unfall handelt. Der Nachweis kann auch im Wege des Indizienbeweises erbracht werden. Dieser wird durch die Sammlung von Hilfstatsachen geführt, die den Schluss auf die gesuchte Haupttatsache rechtfertigen. Kann keine der beiden unfallbeteiligten Parteien eine plausible Erklärung für das behauptete Unfallgeschehen abgegeben und ist nicht nachvollziehbar, wie es unter den geschilderten Umständen zu der angegebenen Uhrzeit, unter Berücksichtigung der Straßenverhältnisse und der Verkehrssituation zu dem behaupteten Auffahrunfall hat kommen können, ist aufgrund von Indizien von einer Unfallmanipulation auszugehen.

OLG Brandenburg v. 18.12.2008:
Erhebt der Versicherer den Vorwurf der Unfallmanipulation, hat zunächst der Geschädigte den äußeren Tatbestand der Rechtsgutsverletzung, also die Beschädigung des Eigentums durch das gegnerische Fahrzeug, sowie das Ausmaß des unfallbedingten Schadens darzulegen und zu beweisen. Demgegenüber trifft den Versicherer die Beweislast dafür, dass es sich um einen vorgetäuschten Unfall handelt. Der Nachweis, dass es sich um einen verabredeten Unfall handelt, kann auch im Wege des Indizienbeweises erbracht werden. Dieser wird geführt durch die Sammlung von Hilfstatsachen, die den Schluss auf die gesuchte Haupttatsache rechtfertigen, wobei die Hilfstatsachen feststehen müssen, also unstreitig oder bewiesen sein müssen.




OLG Rostock v. 05.02.2010:
Bei § 152 VVG a. F. handelt es sich, wie allgemein anerkannt ist, nicht um eine Obliegenheitsverletzung, die den Versicherer nachträglich von seiner Verpflichtung zur Leistung befreit, sondern um einen subjektiven Risikoausschluss, bei dem von vornherein festgelegt ist, dass ein solcher Schadensfall nicht unter den Schutz des Versicherungsvertrages fällt. Diese Begrenzung der Haftung gilt auch gegenüber dem geschädigten Dritten. Der Versicherer trägt für den Deckungsausschluss gem. § 152 VVG a. F. die volle Beweislast. Dabei hilft ihm der Indizien-, nicht aber der Anscheinsbeweis.

OLG Schleswig v. 24.06.2010:
Zur Beantwortung der Frage, ob ein Unfallgeschehen manipuliert ist, bedarf es einer Gesamtwürdigung aller für und gegen ein manipuliertes Geschehen sprechender Tatsachen und Indizien. Dass der verklagte Haftpflichtversicherer den Nachweis einer Bekanntschaft zwischen Schädiger und Geschädigten nicht führen kann, steht der Überzeugungsbildung von einer Unfallmanipulation nicht entgegen.

KG Berlin v. 07.09.2010:
Zu den Voraussetzungen der Feststellung einer erheblichen Wahrscheinlichkeit für einen manipulierten Unfall bei nächtlicher Kollision im fließenden Verkehr auf der Stadtautobahn, wobei das "Täterfahrzeug" den Fahrstreifen nach links wechselt und das "Opferfahrzeug" nach links gegen die Leitplanke schiebt. Für die erforderliche Überzeugungsbildung über die erhebliche Wahrscheinlichkeit eines manipulierten Unfalls kommt es nicht darauf an, dass bestimmte, nach ihrer Anzahl und/oder ihrer äußeren Erscheinungsform immer gleiche Beweisanzeichen festgestellt werden müssen; entscheidend ist vielmehr stets die Werthaltigkeit der Beweisanzeichen. Es ist auch ohne Bedeutung, wenn sich für einzelne Indizien - isoliert betrachtet - eine plausible Erklärung finden lässt oder die Umstände jeweils für sich allein nicht den Schluss auf ein gestelltes Ereignis nahe legen.

OLG Düsseldorf v. 05.10.2010:
Ist der Zusammenstoß der Fahrzeuge als solcher unstreitig oder bewiesen, so hat nach der ständigen Rechtsprechung des Senats der Versicherer zu beweisen, dass der aus dem Kollisionsereignis Schadensersatzansprüche ableitende Kläger in die Beschädigung des Fahrzeuges eingewilligt hat. Dieser Nachweis kann durch ein unfallanalytischen Gutachten geführt werden, aus dem sich Auffälligkeiten ergeben, die für eine manipulative Unfallverursachung sprechen. Voraussetzung für eine gerichtliche Überzeugungsbildung dahingehend, dass ein bestimmtes Unfallereignis manipuliert ist, ist keine mathematisch lückenlose Gewissheit, die bei einem Indizienbeweis ohnehin kaum zu erlangen ist. Vielmehr reicht ein für das praktische Leben brauchbarer Grad an Gewissheit, welcher Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen. Gewinnt das Gericht aus einem unfallanalytischen Gutachten die Überzeugung, dass der angeblich Geschädigte an einer kollusiven Kollisionsmanipulation mitgewirkt hat, ist seine Klage auf Schadensersatz rechtsmissbräuchlich.

OLG Köln v. 19.07.2011:
Der Nachweis einer die Haftung ausschließenden Manipulation obliegen dem Schädiger oder dem Haftpflichtversicherer. Dabei bedarf es zum Nachweis einer Kollisionsabsprache allerdings keiner lückenlosen Gewissheit im Sinne einer mathematischen Beweisführung. Es reicht vielmehr die Feststellung von Indizien aus, die in lebensnaher Zusammenschau und praktisch vernünftiger Gewichtung den Schluss auf ein kollusives Zusammenwirken zulassen, das die Rechtswidrigkeit der angeblichen Rechtsverletzung ausschließt. Es kommt nicht darauf an, dass bestimmte, nach ihrer Anzahl und/oder ihrer äußeren Entscheidungsformel immer gleiche Beweisanzeichen festgestellt werden müssen. Entscheidend ist stets die Werthaltigkeit der Beweisanzeichen in der Gesamtschau, nicht die isolierte Würdigung der einzelnen Umstände.

OLG Saarbrücken v. 30.10.2012:
Der dem geschädigten Anspruchssteller obliegende Beweis für das äußere Unfallgeschehen ist nicht erbracht, wenn bei einem Fehlen von objektiven Beweisanzeichen für das Unfallereignis durchgreifende Bedenken gegen die Glaubhaftigkeit der Unfallschilderung durch die Unfallbeteiligten bestehen und weitere objektive Indizien nach anerkannter Kasuistik für ein manipuliertes Unfallgeschehen streiten.

OLG Schleswig v. 14.11.2012:
Eine unplausible Fahrstrecke und ein für einen vermeintlichen Abbiegeunfall ganz ungewöhnlicher Kollisionswinkel als maßgebliche Indizien für ein verabredetes Geschehen.

OLG München v. 08.03.2013:
Im Falle des Verdachts des Versicherungsbetrugs durch Unfallmanipulation ist es Sache des Geschädigten, den äußeren Tatbestand der Rechtsgutsverletzung - also insbesondere der Kollision der Fahrzeuge - und die Verursachung der etwa festzustellenden Sach- und Körperschäden durch die Kollision der Fahrzeuge zu beweisen. Hingegen obliegt der beklagten Kfz-Kaskoversicherung grundsätzlich der Beweis dafür, dass der Geschädigte mit der Verletzung seines Rechtsguts einverstanden gewesen ist oder diese sogar gewünscht hat. Dieser Nachweis wird von der Versicherung nicht erbracht, wenn es letztlich nur ein tragfähiges Indiz gibt, das für einen abgesprochenen Unfall sprechen würde.

OLG Hamm v. 11.03.2013:
Der Beweis einer Einwilligung in ein Unfallgeschehen ist am Maßstab des § 286 ZPO zu messen. Es gelten weder die Grundsätze über den Anscheinsbeweis, noch reicht es aus, wenn der Versicherer nur die erhebliche Wahrscheinlichkeit eines manipulierten Verkehrsunfalls nachweist. Andererseits dürfen die Anforderungen an den in solchen Fällen regelmäßig anzutretenden Indizienbeweis nicht überspannt werden. Das Gericht darf und muss sich zur Überzeugungsbildung mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit begnügen, der Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen. Eine mathematische, jede Möglichkeit eines abweichenden Geschehensablaufs ausschließende, von niemandem mehr anzweifelbare Gewissheit ist nicht erforderlich. Eine solche Gewissheit ist bei einem möglicherweise provozierten Unfall nur im Wege des Indizienbeweises zu erlangen. Die gesammelten Hilfstatsachen müssen bei einer Gesamtwürdigung den Schluss auf die gesuchte Haupttatsache rechtfertigen. Die Indizien müssen entweder unstreitig oder bewiesen sein. Mutmaßungen reichen nicht aus.

OLG Düsseldorf v. 19.03.2013:
Hat der Geschädigte eines Verkehrsunfalls das Zustandekommen des Unfalls und damit den äußeren Tatbestand der Rechtsgutverletzung bewiesen, ist es Sache der Gegenseite, zu beweisen, dass ein Schadensersatzanspruch aufgrund einer Einwilligung ausscheidet. In der Regel steht hierfür allein der Indizienbeweis zur Verfügung.


OLG Köln v. 12.04.2013:
Zum Nachweis einer Kollisionsabsprache bedarf es keiner lückenlosen Gewissheit im Sinne einer mathematischen Beweisführung. Es reicht vielmehr die Feststellung von Indizien aus, die in lebensnaher Zusammenschau und praktisch vernünftiger Gewichtung den Schluss auf ein kollusives Zusammenwirken zulassen, das die Rechtswidrigkeit der angeblichen Rechtsverletzung ausschließt.

OLG Köln v. 18.10.2013:
Zum Nachweis einer Kollisionsabsprache bedarf es keiner lückenlosen Gewissheit im Sinne einer mathematischen Beweisführung. Es reicht vielmehr die Feststellung von Indizien aus, die den Schluss auf ein kollusives Zusammenwirken zulassen. Zu den hier zu berücksichtigenden Indizien gehören die Häufigkeit, die Art und die Örtlichkeit des jeweiligen Unfallgeschehens, die an den Unfällen beteiligten Fahrzeuge, der Vortrag und die Einlassung der jeweiligen Beteiligten zum Randgeschehen der Unfälle, die gemeinsame Herkunft der an den Unfällen Beteiligten, angespannte finanzielle Verhältnisse sowie fehlende Kompatibilität eines Teils der Schäden.

OLG Koblenz v. 06.12.2013:
Bei Vorliegen einer Vielzahl voneinander unabhängiger Indizien für einen gestellten Unfall kann eine Überzeugungsbildung des Gerichts von einem Unfallhergang, der nur auf eine vorsätzliche Selbstschädigung des Versicherungsnehmers hindeutet, in Betracht kommen. Die einzelnen Hilfstatsachen müssen aber feststehen, also unstreitig oder bewiesen sein. Etwaige Zweifel bzw. vernünftigerweise verbleibende Restzweifel an der Unfreiwilligkeit des Unfallgeschehens gehen im Ergebnis stets zu Lasten der beklagten Versicherung.

OLG Saarbrücken v. 03.04.2014:
Zum Nachweis eines sog. manipulierten Unfalls ist am Maßstab des § 286 Abs. 1 ZPO der volle Beweis dafür zu erbringen, dass das Unfallgeschehen zwischen den Beteiligten abgesprochen war. Da der direkte Beweis für ein kollusives Zusammenwirken kaum gelingt, ist es zulässig, die richterliche Überzeugungsbildung auf Indizien und anerkannte Fallgruppen bzw. typisierte Sachverhalte zu stützen. Für deren Beweiswert und den Nachweis des Manipulationseinwands muss der Richter in der Gesamtschau und Gesamtwürdigung aller Indizien die volle und zweifellose Überzeugung gewinnen, dass der Unfall abgesprochen war.

OLG Naumburg v. 03.04.2014:
Gegen einen fingierten Verkehrsunfall kann u. a. sprechen, dass das Geschehen am späten Vormittag auf einem belebten Parkplatz vor einem Einkaufszentrums stattfand, beide beteiligten Fahrzeuge nach dem Unfall vor Eintreffen der Polizei nicht bewegt worden waren und der Geschädigte sein Fahrzeug vor einer Veräußerung dem Sachverständigen des gegnerisches Haftpflichtversicherers zur Begutachtung zur Verfügung gestellt hat.

OLG Düsseldorf v. 24.06.2014:
Indizien aus technischer Sicht, die für eine Einwilligung in den Unfallschaden sprechen, sind ein zu viel zu steiler Fahrstreifenwechsel, der atypisch ist, das Ausweichen des Geschädigten in die Leitplanke, ohne dass dafür objektiv Anlass besteht und das Aufrechterhalten des Kontakts mit der Leitplanke ohne Ausweichmanöver über einen längeren Zeitraum. - Weitere Indizien sind das Fehlen von Zeugen, ein Unfall zur Nachtzeit und die fiktive Abrechnung eines lukrativen Seitenschadens. - Es ist nicht erforderlich, eine konkrete Bekanntschaft der Beteiligten oder aber die Verwicklung in eine Vielzahl an anderen Unfällen nachzuweisen.

LG Bochum v. 07.11.2016:
Ergibt die Auswertung des elektronischen Datenschreibers des Fahrzeugs des Unfallverursachers, dass das Fahrzeug fünf Sekunden vor der Kollision mit dem Fahrzeug des Geschädigten stand und dann relativ stark (hier: auf eine Geschwindigkeit von 34 km/h) beschleunigt wurde, wobei das Lenkrad zunächst nach links gedreht war und anschließend eine leichte Lenkbewegung nach rechts sowie ein leichtes Abbremsen folgte, bevor es zur Kollision kam, spricht dies – neben einer Vielzahl weiterer Indizien – für einen gestellten Verkehrsunfall, da dies kein plausibles und nachvollziehbares Fahrmanöver darstellt.

OLG Saarbrücken v. 28.04.2016:
Wird eine vor dem Schadensereignis bereits bestehende Freundschaft oder Bekanntschaft der Unfallbeteiligten verschwiegen oder wahrheitswidrig in Abrede gestellt und sodann durch verdeckte Befragung von Seiten des in Anspruch genommenen Haftpflichtversicherers oder auf andere Weise aufgedeckt und im Rechtsstreit nachgewiesen, liegt darin ein besonders werthaltiges Indiz für eine Unfallmanipulation.

OLG Schleswig v. 23.09.2016:
Grundsätzlich hat die gegnerische Haftpflichtversicherung den Nachweis zu führen, dass ein vorgetäuschter Unfall vorliegt. Doch genügt für den Nachweis die erhebliche Wahrscheinlichkeit für ein unredliches Verhalten. - Die ungewöhnliche Häufung von Beweisanzeichen kann die Feststellung rechtfertigen, dass sich ein Unfall entweder überhaupt nicht ereignet oder aber es sich um ein manipuliertes Unfallgeschehen handelt. Beweisanzeichen können sich zum Beispiel ergeben aus dem Unfallhergang, der Art der Schäden, der Art der beteiligten Fahrzeuge, Anlass der Fahrt, fehlende Kompatibilität, persönliche Beziehungen oder wirtschaftliche Verhältnisse.

OLG Schleswig v. 30.01.2017:
Eine ungewöhnliche Häufung von Beweisanzeichen kann die Feststellung rechtfertigen, dass es sich um ein manipuliertes oder aber überhaupt nicht stattgefundenes Unfallgeschehen handelt. Beweisanzeichen können sich z. B. ergeben aus dem Unfallhergang, der Art der Schäden, der Art der beteiligten Fahrzeuge, Anlass der Fahrt, fehlende Kompatibilität, persönliche Beziehungen oder wirtschaftliche Verhältnisse. Die Haftung des Schädigers entfällt dann, wenn in ausreichendem Maße Umstände vorliegen, die die Feststellung gestatten, dass es sich bei dem behaupteten Unfall um ein manipuliertes Geschehen handelt. In diesem Fall scheitert der Ersatzanspruch bereits an der Einwilligung des Geschädigten.



OLG Celle v. 30.03.2017:
Die fehlende persönliche Inanspruchnahme des Unfallgegners spricht nach der allgemeinen richterlichen Erfahrung ebenso für ein manipuliertes Unfallereignis wie die fiktive Schadensabrechnung, die zurückhaltenden Angaben des Zeugen gegenüber der Beklagten, der Ausschluss einer gesundheitlichen Gefährdung des Klägers und des Zeugen und ein unfassender Lackvorschaden am klägerischen Fahrzeug.

OLG Hamm v. 21.12.2018:
Nach ständiger Rechtsprechung kann eine einverständliche Herbeiführung eines Unfalls aufgrund von Indizien festgestellt werden, die im Wege einer Gesamtschau zu überprüfen sind. Dabei geht es nicht um eine mathematisch genaue Sicherheit, es reicht vielmehr aus, wenn die vorliegenden Indizien in ihrer Gesamtschau nach der Lebenserfahrung den Schluss zulassen, dass der Unfall auf einer Verabredung beruht und der Geschädigte mit der Beschädigung seines Fahrzeugs einverstanden war. Dabei genügt ein für das praktische Leben brauchbarer Grad von Gewissheit, d.h. ein für einen vernünftigen, die Lebensverhältnisse klar überschauenden Menschen so hoher Grad von Wahrscheinlichkeit, dass er Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie mathematisch lückenlos auszuschließen. Demnach ist eine Häufung der für eine Manipulation sprechenden Beweisanzeichen und Indizien geeignet, die Überzeugung des Gerichts zu begründen, ein gestellter Unfall liege vor (vgl. OLG Frankfurt NJW-RR 2007, 603 m.w.N.; OLG Hamm Urt. v. 22.03.2000 - 13 U 144/99, VersR 2001, 1127).

OLG Schleswig v. 04.01.2021:
1. Bei der Behauptung, der Geschädigte sei mit der Verletzung seines Rechtsgutes einverstanden gewesen, handelt es sich um den Einwand der fehlenden Rechtswidrigkeit. Ein solcher Rechtfertigungsgrund ist vom Schädiger bzw. im Falle der Direktklage von dessen Haftpflichtversicherung nach dem Maßstab des § 286 ZPO zu beweisen.

2. Die ungewöhnliche Häufung von Beweisanzeichen für eine Manipulation kann der unmittelbaren Überzeugungsbildung des Tatrichters dienen. Beweisanzeichen können sich z.B. ergeben aus dem Unfallhergang, der Art der Schäden, der Art der beteiligten Fahrzeuge, dem Anlass der Fahrt, fehlender Kompatibilität, den persönlichen Beziehungen oder wirtschaftlichen Verhältnissen. Selbst wenn es für jede einzelne verdächtige Feststellung bei separater Betrachtung eine unverfängliche Erklärung geben mag, kann deren durch Zufall nicht mehr lebensnah erklärbare Häufung die Schlussfolgerung auf ein gemeinsames betrügerisches Vorgehen zu Lasten des beklagten Versicherers begründen.

3. Ein wichtiges objektives Kriterium ist die fehlende Kompatibilität. Das ist bei einem Parkplatzunfall z.B. dann der Fall, wenn sich nach den Feststellungen des Sachverständigen die behauptete und skizzierte Kollisionsstellung der beteiligten Fahrzeuge mit einem üblichen Ausparkvorgang durch das unfallverursachende Fahrzeug nicht in Einklang bringen lässt. Wenn der Kläger daraufhin seinen Vortrag entsprechend anpasst, ist dies unplausibel.

4. Bei im Laufe des Prozesses festgestellten Vorschäden ist es nicht Aufgabe des Gerichts, den technisch und rechnerisch abgrenzbaren Schaden von Amts wegen zu ermitteln. Der Geschädigte hat vielmehr auszuschließen, dass Schäden gleicher Art und gleichen Umfangs zuvor vorhanden waren, Zweifel gehen insoweit zu seinen Lasten.

5. Bei gestellten Unfällen ist ein Parkplatzunfall zur Nachtzeit häufig anzutreffen. Bei einer solchen Konstellation sind Personenschäden nicht zu erwarten, außerdem können aufgrund der geringen Geschwindigkeiten Schäden dosiert beigebracht werden, sodass sich das Risiko für die Beteiligten deutlich minimiert.

OLG Schleswig v. 20.02.2023:
  1.  Grundsätzlich trägt der Schädiger die Beweislast, dass der vermeintlich Geschädigte in die Beschädigung seines Fahrzeuges eingewilligt hat. Die ungewöhnliche Häufung von Beweisanzeichen für eine Manipulation kann für die Überzeugungsbildung des Tatrichters genügen. Beweisanzeichen können sich z.B. ergeben aus dem Unfallhergang, der Art der Schäden, der Art der beteiligten Fahrzeuge, dem Anlass der Fahrt, fehlender Kompatibilität, den persönlichen Beziehungen oder wirtschaftlichen Verhältnissen. Ausschlaggebend ist dabei eine Gesamtwürdigung, bei der aus einer Indizienkette auf die planmäßige Vorbereitung und Herbeiführung des vermeintlichen Unfalls geschlossen werden kann. Selbst wenn es für jede einzelne verdächtige Feststellung bei separater Betrachtung eine unverfängliche Erklärung geben mag, kann deren durch Zufall nicht mehr lebensnah erklärbare Häufung die Schlussfolgerung auf ein gemeinsames betrügerisches Vorgehen zu Lasten des gegnerischen Haftpflichtversicherers begründen.

  2.  Maßgeblicher objektiver Umstand für ein manipuliertes Ereignis ist die fehlende Kompatibilität, wenn sich das Schadensbild am Klägerfahrzeug nicht mit dem behaupteten und von dem vermeintlichen Unfallverursacher bekundeten „Unfallhergang“ (hier rückwärtigen Ausparkvorgang) technisch in Einklang bringen lässt.

  3.  Weitere für eine Manipulation sprechende Umstände sind: hochwertiges Geschädigtenfahrzeug der Oberklasse (hier Mercedes-Benz E 250) und Vollkasko versichertes, älteres Fahrzeug auf Beklagtenseite; lukrativer Streifschaden, der meist wesentlich kostengünstiger in Privat-/Niedrigpreiswerkstätten oder in Eigenregie repariert werden kann; Kollision auf einem Parkplatz, wo wegen geringer Geschwindigkeiten Blechschäden - ohne besonderes Risiko für Personenschäden - dosiert beigebracht werden können.

  4.  Wenn der vermeintliche Unfallverursacher als Zeuge zum Unfallhergang bereits vom Gericht ausführlich gehört worden ist und danach ein überzeugendes Sachverständigengutachten eingeholt wurde, dass - im Widerspruch zur Zeugenaussage - keine entsprechende technische Kompatibilität des Schadenshergangs festgestellt hat, ist in der Regel eine erneute Zeugenvernehmung nicht mehr erforderlich. Ein Gehörsverstoß liegt nicht vor. Der behauptete Unfallhergang wäre nämlich nur mit einer an das Sachverständigengutachten entsprechend angepassten Zeugenaussage plausibel erklärbar. Solche Bekundungen wären aber wenig überzeugend und wegen Widerspruchs zur vorherigen Aussage auch unglaubhaft.

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