Das Verkehrslexikon

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Rechtliches Gehör im Straf- und Ordnungswidrigkeitenverfahren

Rechtliches Gehör im Straf- und Ordnungswidrigkeitenverfahren




Gliederung:


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Weiterführende Links:


Rechtliches Gehör in den verschiedenen Verfahrensarten

Stichwörter zum Thema Ordnungswidrigkeiten

Stichwörter zum Thema Verkehrsstrafsachen

Bußgeldverfahren / Ordnungswidrigkeitenverfahren

Rechtsbeschwerde in Bußgeldsachen

Der Beweisantrag im Straf- und Ordnungswidrigkeitenverfahren

Akteneinsichtsrecht in die Rohmessdaten von Messgeräten

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Allgemeines:


BVerfG v. 21.02.1984:
Geldbußen wegen Ordnungswidrigkeiten, die den Betrag von 80 DM nicht erreichen und nicht in das Verkehrszentralregister eingetragen werden, stellen in aller Regel keinen schweren und unabwendbaren Nachteil im Sinne des BVerfGG § 93a Abs 4 dar.

OLG Hamm v. 25.08.2008:
Eine Verletzung rechtlichen Gehörs ist nur dann gegeben, wenn die erlassene Entscheidung des Tatrichters auf einem Verfahrensfehler beruht, der seinen Grund in unterlassener Kenntnisnahme und Nichtberücksichtigung des Sachvortrags der Partei hat. Das kann bei der Ablehnung eines Beweisantrags selbst dann nicht angenommen werden, wenn das Amtsgericht einen vom Betroffene gestellten Beweisantrag entgegen den Grundsätzen der §§ 77 OWiG, 244 StPO abgelehnt hat. Die Aufhebung eines Urteils wegen Versagung des rechtlichen Gehörs kommt nur in solchen Fällen in Betracht, in denen es sich aufdrängt und nicht zweifelhaft erscheint, dass ein Urteil einer Nachprüfung durch das Bundesverfassungsgericht nicht standhalten würde.

OLG Hamm v. 24.09.2009:
Bei einem Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde wegen Verletzung des rechtlichen Gehörs muss der Betroffene substantiiert darlegen, was er im Falle seiner Anhörung geltend gemacht hätte.

OLG Hamm v. 16.10.2009:
Das Gebot des rechtlichen Gehörs soll als Prozessgrundrecht sicherstellen, dass einerseits dem Betroffenen Gelegenheit gegeben wird, sich dem Gericht gegenüber zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen zu äußern, Anträge zu stellen und Ausführungen zu machen und soll andererseits das Gericht dazu verpflichten, seine Ausführungen zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Um die Zulässigkeit einer Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs zu begründen, müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen so genau bezeichnet und vollständig angegeben werden, dass das Beschwerdegericht schon anhand des Zulassungsantrages ohne Rückgriff auf die Akten prüfen kann, ob ein Verfahrensfehler vorliegt, falls die behaupteten Tatsachen zutreffen. Dies ist jedoch nur dann der Fall, wenn die Entscheidung auf einem Verfahrensfehler beruht, der seinen Grund in unterlassener Kenntnisnahme und Nichtberücksichtigung des Sachvortrages des Betroffenen hat, und wenn durch sie zugleich das unabdingbare Maß verfassungsrechtlich verbürgten rechtlichen Gehörs verkürzt wird.

OLG Stuttgart v. 11.06.2010:
Wird die Hauptverhandlung gemäß § 74 Abs. 1 OWiG in Abwesenheit des Betroffenen durchgeführt, darf sich das Urteil nur auf dem Betroffenen bekannte Beweismittel stützen. Beabsichtigt das Gericht die Einführung von Beweismitteln, zu denen sich der Betroffene bislang noch nicht äußern konnte, muss es die Verhandlung unterbrechen bzw. aussetzen und den Betroffenen und seinen Verteidiger entsprechend unterrichten, andernfalls verletzt es das Recht des Betroffenen auf rechtliches Gehör.

OLG Hamm v. 25.02.2011:
Es verletzt den Anspruch des Betroffenen auf rechtliches Gehör, wenn das Amtsgericht seinen Einspruch gegen den Bußgeldbescheid nach § 74 Abs. 2 OWiG verwirft, obwohl er Betroffene von seiner Pflicht zum persönlichen Erscheinen entbunden worden ist.

OLG Düsseldorf v. 04.04.2011:
Begründet der Betroffene seinen Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde mit der Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs, die darauf gestützt wird, dass das Amtsgericht den Einspruch gegen den Bußgeldbescheid ohne Verhandlung zur Sache nach § 74 Abs. 2 OWiG verworfen hat, obwohl die Hauptverhandlung nach Entbindung von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen gemäß § 74 Abs. 1 Satz 1 OWiG in Abwesenheit des Betroffenen hätte durchgeführt werden müssen, ist darzulegen, welcher Sachvortrag, der nach § 74 Abs. 1 Satz 2 OWiG in die Hauptverhandlung einzuführen gewesen wäre, infolge der Einspruchsverwerfung unberücksichtigt geblieben sind.

OLG Jena v. 27.06.2011:
Die unterlassene Verbescheidung eines in der Hauptverhandlung gestellten - nicht offensichtlich unzulässigen - Beweisantrages verletzt das Verfahrensgrundrecht des Betroffenen auf rechtliches Gehör (vgl. Art. 103 Abs. 1 GG); hier: Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens.

OLG Hamm v. 13.07.2011:
Allein der Umstand, dass einem Antrag auf Entbindung von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen objektiv hätte entsprochen werden müssen und somit ein Urteil nach § 74 Abs. 2 OWiG nicht hätte ergehen dürfen, begründet die Verletzung des rechtlichen Gehörs.

OLG Braunschweig v. 19.10.2011:
Der Verstoß gegen den Anspruch auf ein faires Verfahren verletzt zwar Art. 2 Abs.1 GG, stellt jedoch nicht zwingend auch einen Verstoß gegen den Grundsatz rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs.1 GG) dar. Ein Verstoß gegen Art. 103 Abs.1 GG liegt jedoch vor, wenn durch eine Verfahrensrüge vorgebracht wird, dass das Gericht bei Ablehnung des Terminsverlegungsgesuchs Entschuldigungsvorbringen nicht gewürdigt hat. Hat das Gericht kein Entschuldigungsvorbringen übergangen, kommt ein Verstoß gegen Art. 103 Abs.1 GG auch dann in Betracht, wenn der Betroffene in einer Verfahrensrüge vorträgt, was er in der Hauptverhandlung, zu seiner Verteidigung vorgebracht hätte.

OLG Oldenburg v. 23.11.2011:
Die Rechtsbeschwerde ist zuzulassen, wenn es nicht zweifelhaft erscheint, dass das Urteil einer Nachprüfung durch das Bundesverfassungsgericht nicht standhalten würde. Zwar ist nicht jede rechtsfehlerhafte Ablehnung eines Beweisantrags gem. § 77 OWiG zugleich eine Verletzung des rechtlichen Gehörs. Eine Gehörsverletzung ist (nur) dann gegeben, wenn die Entscheidung auf einem Verfahrensfehler beruht, der seinen Grund in unterlassener Kenntnisnahme und Nichtberücksichtigung des Sachvortrags einer Partei hat. Dies ist der Fall, wenn auf der Hand liegt, dass das Gericht den Inhalt eines Beweisantrags gar nicht zur Kenntnis genommen hat.

KG Berlin v. 12.06.2013:
Wenn die Voraussetzungen zur Entbindung des Betroffenen von seiner Anwesenheitspflicht in der Hauptverhandlung vorliegen, ist die Zurückweisung des Freistellungsantrages des Betroffenen und die anschließende Verwerfung seines Einspruchs nach § 74 Abs. 2 OWiG rechtsfehlerhaft. Die Verletzung des rechtlichen Gehörs liegt in der unterbliebenen, bei rechtsfehlerfreier Entscheidung gebotenen materiell-rechtlichen Prüfung.

OLG Dresden v. 05.08.2014:
Die Rechtsbeschwerde ist wegen der Versagung rechtlichen Gehörs zuzulassen und das erstinstanzliche Urteil ist aufzuheben, wenn der Betroffene von der Pflicht zum persönlichen Erscheinen in der Hauptverhandlung entbunden war und die Entscheidungsgründe des amtsgerichtlichen Urteils keine Auseinandersetzung mit dem schriftsätzlichen Sachvortrag des Verteidigers des Betroffenen erkennen lassen.

OLG Hamm v. 19.05.2015:
Eine Verletzung des Anspruchs eines Betroffenen auf rechtliches Gehör liegt nicht vor bei einem rechtsmißbräuchlich gestellten Entbindungsantrag nach § 73 Abs. 2 OWiG.




OLG Köln v. 24.06.2015:
Beanstandet der Betroffene als Versagung des rechtlichen Gehörs, dass seine Verurteilung auf nicht in die Hauptverhandlung eingeführten Beweismitteln und mithin auf einem Verstoß gegen § 261 StPO beruht, bedarf es zur ordnungsgemäßen Ausführung der Verfahrensrüge nicht des Vortrages, ob und gegebenenfalls wie er sich im Falle der ordnungsgemäßen Einführung zu diesen verhalten hätte.

OLG Köln v. 04.09.2015:
Allein eine eventuell prozessordnungswidrige Zurückweisung eines Beweisantrages begründet noch keinen Verstoß gegen den Anspruch auf Gewährung des rechtlichen Gehörs.

OLG Naumburg v. 05.11.2015:
Durch die Nichtbescheidung eines Beweisantrages vor Urteilsverkündung schneidet das Gericht dem Betroffenen das rechtliche Gehör ab. Darauf beruht das Urteil.

OLG Hamm v. 15.12.2015:
Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs gebietet, dass Beweisanträge, auf die es für die Entscheidung ankommt, vom Gericht berücksichtigt werden müssen, sofern nicht Gründe des Prozessrechts es gestatten oder dazu zwingen, sie unbeachtet zu lassen. Die Ablehnung eines Beweisantrages ohne nachvollziehbare, auf das Gesetz zurückführbare Begründung, die unter Berücksichtigung der das Grundgesetz beherrschenden Gedanken nicht mehr verständlich ist, verletzt deshalb das rechtliche Gehör. Auch die unterlassene Verbescheidung eines in der Hauptverhandlung gestellten - nicht offensichtlich unzulässigen - Beweisantrages verletzt das Verfahrensgrundrecht des Betroffenen auf Gewährung rechtlichen Gehörs.

OLG Hamm v. 13.01.2016:
Hat sich der anthropologische Gutachter nicht in der Lage gesehen, den Bruder des Betroffenen ohne dessen persönliche Inaugenscheinnahme als möglichen Fahrer auszuschließen, muss sich für das Gericht aufdrängen, den Bruder des Betroffenen als Zeugen zu laden. Die pauschale Ablehnung des entsprechenden Beweisantrages und die Tatsache, dass der entsprechende Vortrag des Betroffenen in den Urteilsgründen keinen Niederschlag gefunden hat, lassen den Schluss zu, dass dieses - nachvollziehbare - Verteidigungsvorbringen des Betroffenen von dem erstinstanzlichen Gericht entweder gar nicht zur Kenntnis genommen oder bei der Entscheidungsfindung zumindest nicht in Erwägung gezogen worden ist. Dies verletzt den Anspruch des Betroffenen auf rechtliches Gehör.

OLG Bamberg v. 20.01.2016:
Die Ablehnung eines Beweisantrages vermag nur dann einen Verstoß gegen das rechtliche Gehör zu begründen, wenn die Entscheidung auf einem Verfahrensmangel beruht, der seinen Grund in der unterlassenen Kenntnisnahme und Nichtberücksichtigung des Sachvortrages des Betroffenen hat und dadurch zugleich das unabdingbare Maß verfassungsrechtlich verbürgten rechtlichen Gehörs verkürzt wird. - Ein Fall der unterlassenen Kenntnisnahme und Nichtberücksichtigung des Sachvortrages des Betroffenen liegt nicht vor, wenn der Tatrichter den Beweisantrag des Betroffenen zur Kenntnis genommen und durch begründeten Beschluss über ihn entschieden und sich in den Urteilsgründen darüber hinaus mit dem diesbezüglichen Vorbringen des Betroffenen auseinander gesetzt hat.

OLG Jena v. 18.04.2016:
Ist die Tat, die dem Betroffenen zur Last gelegt wird, nicht so bezeichnet dass der Betroffene erkennen kann, welches Tun oder Unterlassen den Gegenstand des Verfahrens bildet, gegen welchen Vorwurf er daher seine (mögliche) Verteidigung richten muss. Dies stellt einen Verstoß gegen den Anspruch des Betroffenen auf Gewährung rechtlichen Gehörs dar und rechtfertigt die Zulassung einer Rechtsbeschwerde. - Insbesondere ist ein Bußgeldbescheid, der den Inhalt der Auflage "Fahrzeit" und der "Brückenauflagen" nicht konkretisiert und demzufolge auch nicht darstellt, wodurch ein betroffener Lkw-Fahrer gegen diese Auflagen verstoßen haben soll, inicht geeignet, Grundlage eines gerichtlichen Bußgeldverfahrens zu sein.

OLG München v. 15.07.2016:
Das Übergehen von Beweisanträgen auf Einholung unfallanalytischer oder biomechanischer Sachverständigengutachten zur Beurteilung der Entstehung von Schleudersyndromen kann den Anspruch auf rechtliches Gehör verletzen.

OLG Karlsruhe v. 02.08.2016:
Eine Gehörsverletzung liegt nicht nur dann vor, wenn einem Betroffenen keine Möglichkeit eingeräumt wird, sich zu allen entscheidungserheblichen und für ihn nachteiligen Tatsachen und Beweisergebnissen zu äußern, sondern auch dann, wenn das Gericht den Sachvortrag einer Partei aus unzulässigen verfahrensrechtlichen Gründen nicht zur Kenntnis nimmt. Dies ist der Fall, wenn sachliche Einwendungen des Betroffenen deshalb unberücksichtigt bleiben, weil bei seinem Ausbleiben in der Hauptverhandlung nicht in Abwesenheit des Betroffenen zur Sache verhandelt wird, obwohl die Voraussetzungen dafür nach § 74 Abs. 1 OWiG vorliegen.

OLG Hamm v. 09.08.2016:
Zwar bedarf es grundsätzlich bei der Verhängung einer höheren als im Bußgeldbescheid festgesetzten Geldbuße keines gerichtlichen Hinweises an den Betroffenen. Eine andere Beurteilung ist aber dann geboten, wenn es sich bei der Erhöhung der Geldbuße um eine unzulässige Überraschungsentscheidung handelt, d.h. wenn der Betroffene ohne einen entsprechenden Hinweis des Gerichtes nicht damit rechnen muss, dass die gegen ihn im Bußgeldbescheid verhängte Regelgeldbuße erhöht werden würde.



OLG Dresden v. 06.12.2016:
Eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör kommt in Betracht, wenn sich aus den besonderen Umständen des einzelnen Falles deutlich ergibt, dass das Gericht das tatsächliche Vorbringen des Betroffenen entweder nicht zur Kenntnis genommen oder bei seiner Entscheidung ersichtlich nicht in Erwägung gezogen hat. - War der Betroffene in einem Bußgeldverfahren vom persönlichen Erscheinen in der Hauptverhandlung entbunden und hat auch sein Verteidiger nicht an der Hauptverhandlung teilgenommen, jedoch vor der Hauptverhandlung einen Schriftsatz mit Erklärungen für den Betroffenen bezüglich der Bemessung der Geldbuße abgegeben, und wurde dieser Schriftsatz nicht in die Hauptverhandlung eingeführt und fehlen im Urteil jegliche Auseinandersetzungen mit dem Verteidigungsvorbringen, so wird dadurch der Anspruch des Betroffenen auf rechtliches Gehör verletzt (Festhaltung OLG Dresden, 5. August 2014, OLG 21 Ss 511/14 (Z), DAR 2014, 708).

OLG Düsseldorf v. 31.01.2017:
Bei der Ablehnung eines Beweisantrages kommt ein Verstoß gegen das Gebot rechtlichen Gehörs erst dann in Betracht, wenn die Ablehnung ohne nachvollziehbar, auf des Gesetz zurückzuführende Begründung erfolgt, die tatrichterliche Entscheidung mithin unter Berücksichtigung der das Grundgesetz beherrschenden Gedanken nicht mehr verständlich erscheint und als willkürlich angesehen werden muss (BVerfG NJW 1992, 2811; OLG Köln NStZ-RR 1988, 345, 346; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 30. April 2015 - IV-3 RBs 15/15, 3 RBs 15/15, 3 RBs 15/15 – IV 3 RBs 15/15 - 2 Ss OWi 23/15, 3 RBs 15/15 - 2 Ss OWi 23/15 -, Rn. 14, juris; KK-Senge, OWiG, 4, Aufl., § 80 Ihn. 41d).

OLG Hamm v. 09.03.2017:
Eine Verletzung rechtlichen Gehörs ist nur dann gegeben, wenn die erlassene Entscheidung des Tatrichters auf einem Verfahrensfehler beruht, der seinen Grund in unterlassener Kenntnisnahme und Nichtberücksichtigung des Sachvortrags der Partei hat, und wenn durch die Entscheidung zugleich das unabdingbare Maß verfassungsrechtlich verbürgten rechtlichen Gehörs verkürzt wird (vgl. hierzu BVerfG, NJW 1992, 2811). Das Gebot des rechtlichen Gehörs soll als Prozessgrundrecht sicher-stellen, dass einem Betroffenen Gelegenheit gegeben wird, sich dem Gericht gegen-über zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen zu äußern, Anträge zu stellen und Ausführungen zu machen und dass das Gericht seine Ausführungen zur Kenntnis nehmen und in Erwägung ziehen muss.

OLG Dresden v. 23.05.2017:
Hat das Gericht die Anträge des Betroffenen auf Entbindung von der Pflicht zum persönlichen Erscheinen abgelehnt und deshalb sein Fernbleiben in der Hauptverhandlung als nicht genügend entschuldigt angesehen mit der Folge, dass das schriftliche Vorbringen des Betroffenen zur Sache bei der Entscheidung nicht berücksichtigt wurde, so liegt hierin eine Verletzung des rechtlichen Gehörs, die die Zulassung der Rechtsbeschwerde begründet (OLG Bamberg, Beschluss vom 10. August 2006 - 3 Ss OWi 1064/2006 -, juris).

KG Berlin v. 14.09.2017:
Gründet das Gericht seine Überzeugung auch auf Tatsachen, die nicht Gegenstand der Hauptverhandlung waren, zu denen sich also der Angeklagte dem erkennenden Gericht gegenüber nicht abschließend äußern konnte, so verstößt das Verfahren nicht nur gegen § 261 StPO, sondern zugleich auch gegen den in § 261 StPO zum Ausdruck kommenden Grundsatz des rechtlichen Gehörs.

OLG Bamberg v. 03.07.2018:
Nach Art. 103 Abs. 1 GG ist eine schriftliche, gegebenenfalls durch die Verteidigung weitergeleitete Sacheinlassung des von der Erscheinenspflicht in der Hauptverhandlung entbundenen (abwesenden) Betroffenen auch dann zu berücksichtigen, wenn sie dem Gericht erst am Sitzungstag unmittelbar vor dem anberaumten Termin übermittelt wird. Darauf, ob die Sacheinlassung bis zum Erlass der angefochtenen Entscheidung dem Gericht vorgelegt wird oder ihr Inhalt tatsächlich zur Kenntnis des Gerichts gelangt ist, kommt es nicht an.

OLG Hamm v. 05.02.2019:
Wird ein Beweisantrag erst nach Urteilsverkündung beschieden, kann dies die Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs begründen.




OLG Köln v. 26.02.2019:
Eine lediglich prozessordnungswidrige Behandlung von Beweisanträgen stellt daher noch keine Verweigerung rechtlichen Gehörs dar (Senat VRS 83, 446). Nur die willkürliche Ablehnung eines Beweisantrags, also die Ablehnung ohne nachvollziehbare, auf das Gesetz zurückführbare Begründung, die unter Berücksichtigung der das Grundgesetz beherrschenden Gedanken nicht mehr verständlich ist, verletzt das rechtliche Gehör (BVerfG NJW 1992, 2811; Senat NZV 1998, 476).

OLG Karlsruhe v. 03.04.2019:
Die unterbliebene Beiziehung von Messunterlagen berührt nicht den Anspruch auf rechtliches Gehör.

OLG Karlsruhe v. 08.05.2019:
Die Ablehnung des Antrags auf Beiziehung von nicht bei den Akten befindlichen Messunterlagen, die eine Überprüfung des Messergebnisses eines standardisierten Messverfahrens ermöglichen, verletzt nicht den Anspruch auf rechtliches Gehör.

OLG Bremen v. 15.04.2020:
Der Anspruch des Betroffenen auf rechtliches Gehör ist nicht verletzt, wenn das Gericht einen Beweisantrag auf Überprüfung der Messergebnisse eines standardisierten Messverfahrens zur Geschwindigkeitsmessung im Bußgeldverfahren nach § 77 Abs. 2 Nr. 1 OWiG ablehnt, weil der Betroffene keine konkreten Anhaltspunkte für Messfehler dargetan hat.

OLG Köln v. 27.12.2022:
Im Abwesenheitsverfahren nach § 74 Abs. 1 OWiG dürfen grundsätzlich nur die dem Betroffenen bekannten Beweismittel verwendet werden. Dies folgt aus dem auch im Bußgeldverfahren verbindlichen, aus Art. 103 Abs. 1 GG sich ableitenden Anspruch auf rechtliches Gehör. Dieser Grundsatz kann jedoch Einschränkungen erfahren, soweit der Betroffene damit rechnen kann und muss, dass bestimmte Tatsachen oder Beweismittel im Verfahren Berücksichtigung finden. - Vor diesem Hintergrund bedarf es für einen vollständigen Rechtsbeschwerdevortrag der Angabe, welche Unterlagen genau in der Abwesenheitsverhandlung zur Urteilsgrundlage geworden sind, ohne dass der Betroffene von Ihnen zuvor Kenntnis gehabt hätte.

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Antrag auf Zurückversetzung des Verfahrens:


Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

OLG Zweibrücken v. 12.06.2018:
Der Mangel der Begründung eines Antrags auf Zurückversetzung des Verfahrens gem. § 356a StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG ist der Wiedereinsetzung nicht zugänglich.

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