Das Verkehrslexikon

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Folgen der Nichtbeibringung des MPU-Gutachtens - Mitwirkungsverweigerung an Untersuchungen

Folgen der Nichtbeibringung des MPU-Gutachtens - Mitwirkungsverweigerung an Untersuchungen




Gliederung:


   Einleitung
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Allgemeines

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Einleitung:


Dass nur eine wirksame angemessene Fristsetzung für die Beibringung eines Fahreignungsgutachtens die Behörde berechtigt, im Fall der Nichtvorlage den Schluss auf die fehlende Eignung des Betroffenen zu ziehen, hat das Verwaltungsgericht Saarlouis (Beschluss vom 26.04.2013 - 10 L 574/13) erläutert:

   "Nach Satz 1 dieser Regelung darf die Fahrerlaubnisbehörde bei ihrer Entscheidung auf die Nichteignung des Betroffenen schließen, wenn dieser sich weigert, sich untersuchen zu lassen, oder der Fahrerlaubnisbehörde das von ihr geforderte Gutachten nicht fristgerecht beibringt. Dies setzt allerdings voraus, dass die rechtlichen Voraussetzungen für die Anforderung eines solchen Gutachtens vorlagen, diese insbesondere anlassbezogen und verhältnismäßig war, und für die Weigerung, das Gutachten beizubringen, bzw. für dessen nicht fristgerechte Vorlage kein ausreichender Grund bestand. Nur im Falle einer grundlosen Weigerung bzw. Nichtvorlage ist nämlich die Vermutung berechtigt, der Fahrerlaubnisinhaber wolle einen ihm bekannten Eignungsmangel verbergen. ...


Es bestehen allerdings berechtigte Zweifel daran, ob das von dem Antragsgegner danach in der Sache zu Recht geforderte medizinisch-​psychologische Fahreignungsgutachten auch den sich aus § 11 Abs. 6 FeV ergebenden formellen Anforderungen genügt, insbesondere die Fristsetzung für die Beibringung dieses Gutachtens ausreichend bemessen war. Eine angemessene Frist setzt dabei voraus, dass dem Betroffenen unter Berücksichtigung der regionalen Umstände und der üblichen Terminstände der jeweiligen amtlich anerkannten Begutachtungsstellen für Fahreignung eine fristgerechte Vorlage des geforderten Gutachtens zuzumuten und möglich ist. ..."

Wird ein positives MPU-Gutachten nicht innerhalb der gesetzten Frist von dem für die Aufklärung von Zweifeln an seiner Fahreignung mitwirkungspflichtigen Betroffenen beigebracht, darf die Fahrerlaubnisbehörde allein aus diesem Umstand auf Fahrungeeignetheit schließen. Allerdings muss die Behörde auch nachträgliches Vorbringen bis zum Abschluss des Verwaltungsverfahrens berücksichtigen, also auch ein verspätet vorgelegtes Gutachten inhaltlich zur Kenntnis nehmen und zur Grundlage ihrer Entscheidung machen.

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Weiterführende Links:


Stichwörter zum Thema medizinisch-psychologische Untersuchung (MPU)

Facharztgutachten im Fahrerlaubnisrecht

Facharztgutachten oder MPU?

Facharztgutachten (Alkohol)

Facharztgutachten (Drogen)

Folgen der Nichtbeibringung des Facharzt-Gutachtens - Mitwirkungsverweigerung an Untersuchungen

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Allgemeines:


OVG Hamburg v. 24.10.1997:
Der Ablehnung der Beibringung eines Gutachtens steht es gleich, wenn der Fahrerlaubnisinhaber im Rahmen des Drogenscreenings die Haaranalyse verweigert und lediglich mit der Urinuntersuchung einverstanden ist.

OVG Koblenz v. 10.08.1999:
Voraussetzung für eine rechtmäßige Anordnung eines Gutachtens ist, dass sich der Betroffene untersuchen lassen muss, ist, dass ihm die Eignungszweifel der Behörde nachvollziehbar mitgeteilt werden. Ein Betroffener weigert sich, sich untersuchen zu lassen, wenn er die von ihm zu Recht geforderte Mitwirkungshandlung nicht erbringt.

VG Neustadt v. 09.02.2011:
Die in der Anforderung eines fachärztlichen Gutachtens gemäß § 11 Abs. 2 FeV gegenüber dem Fahrerlaubnisinhaber mitgeteilte Fragestellung, ob eine Erkrankung oder ein Mangel nach Anlage 4 oder 5 der FeV vorliegt, ohne dass die in Betracht kommende Krankheit oder der Mangel näher bezeichnet wird, ist zu unbestimmt und genügt nicht den Anforderungen des § 11 Abs. 6 FeV. Kommt der Betroffene einer solchen Aufforderung nicht nach, kann nicht gemäß § 11 Abs. 8 FeV auf seine fehlende Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen geschlossen werden.

BVerwG v. 21.03.2013:
Hat die Fahrerlaubnisbehörde für die Erteilung einer Fahrerlaubnis die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens gefordert und die Erteilung wegen Nichtvorlage des Gutachtens abgelehnt, kann sich der Betroffene nur dann auf ein Rehabilitierungsinteresse berufen, wenn die Beibringungsanordnung wegen besonderer Umstände des Einzelfalls eine diskriminierende Wirkung hat.

VG Saarlouis v. 26.04.2013:
Der Schluss auf die Nichteignung des Fahrerlaubnisinhabers gemäß § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV ist nicht gerechtfertigt, sofern die Nichtvorlage des geforderten Gutachtens darauf beruht, dass die Gutachtenerstellung von der Begutachtungsstelle von sachlich nicht gerechtfertigten zusätzlichen Anforderungen abhängig gemacht wird.

VG Würzburg v. 07.01.2014:
Richtige Rechtsgrundlage zur Klärung von Eignungszweifeln bei einer Alkoholproblematik ist nicht der allgemeine § 11 FeV, sondern der spezielle § 13 FeV. Wird die Gutachtensanordnung fälschlicherweise mit § 11 Abs. 2 FeV anstatt mit dem zutreffenden § 13 FeV begründet, kann der Wegfall der Fahreignung und die Entziehung der Fahrerlaubnis nicht auf die Nichtvorlage des Gutachtens gestützt werden. Konkret ordnet § 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 FeV an, dass ein ärztliches Gutachten beizubringen ist, wenn Tatsachen die Annahme von Alkoholabhängigkeit begründen, während § 11 Abs. 2 Fev nur allgemein von Bedenken gegen die die körperliche und geistige Eignung spricht und auf die Anlage 4 und 5 der FeV verweist.

OVG Lüneburg v. 07.05.2014:
Wird wegen Zweifeln an der Fahreignung gemäß § 11 Abs 6 S 1 FeV ein Gutachten zu zwei Fragen angefordert, von denen sich eine nur auf die gesteigerten Eignungsanforderungen für die Klasse D (§ 11 Abs 1 S 4 FeV) bezieht, muss dies schon in der Gutachtenanordnung deutlich werden. Wird in einem solchen Fall der nach § 11 Abs 8 S 2 FeV gebotene Hinweis, bei Nichtvorlage des geforderten Gutachtens könne auf die Nichteignung geschlossen werden, nicht näher differenziert, ist ein auf § 11 Abs 8 S 1 FeV gestützter Entzug der Fahrerlaubnis der Klassen, für die keine gesteigerten Anforderungen erfüllt sein müssen, nicht rechtmäßig.

VGH München v. 07.08.2014:
Eine Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außer Orts um 21 km/h, die zu einer Eintragung von einem Punkt im Verkehrszentralregister führt, ist in der Regel nicht erheblich im Sinne von § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 1. Alt. FeV. Eine einzelne Verkehrsordnungswidrigkeit, die gerade einmal die Schwelle der Eintragungspflichtigkeit ins Verkehrszentralregister überschreitet, dürfte daher nur im äußersten Ausnahmefall Anlass für ein Vorgehen außerhalb des Punktsystems sein können. Ob eine MPU-Anordnung nach vormaligem Entzug wegen des Erreichens von 18 Punkten bei nur einem Verkehrsverstoß nach Wiedererteilung der Fahrerlaubnis gestützt werden kann, ist fraglich.

VG Augsburg v. 18.09.2015:
Wenn die Behörde eine MPU anordnet, wobei sie sich auch auf Aussagen aus dem Polizeibericht stützt hat, die geeignet sind, eine Straftat im Sinne des § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 FeV als „erheblich“ zu bewerten, die sich aber im Strafurteil nicht finden, ist sie zum Nachteil des Klägers vom Inhalt des Urteils, nämlich von dessen Feststellung des Sachverhalts, entgegen § 3 Abs. 4 Satz 1 StVG abgewichen. Dies macht die Anordnung rechtswidrig, so dass nach der nicht fristgemäßen Beibringung eines positiven Gutachtens keine Entziehung der Fahrerlaubnis erfolgen darf.



VG Gelsenkirchen v. 27.09.2016:
Die Teilnahme an einem illegalen Autorennen stellt ein besonders rücksichtloses verkehrswidriges Verhalten dar und rechtfertigt daher die Anordnung einer medizinisch-psychologischen Begutachtung, Die Nichtvorlage des Gutachtens führt zur Entziehung der Fahrerlaubnis.

VGH München v. 07.08.2018:
Zwar trifft es zu, dass nach § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV auf die Ungeeignetheit des Betreffenden geschlossen werden kann, wenn das Gutachten nicht fristgerecht vorgelegt wird. Dabei handelt es sich aber nicht um eine Ausschlussfrist (vgl. Siegmund in Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 1. Auflage 2016, § 11 FeV Rn. 130) nach deren Ablauf weiteres Vorbringen präkludiert ist und z.B. auch bei verspäteter Vorlage eines positiven Gutachtens die Fahrerlaubnis entzogen werden könnte, sondern weiterer Sachvortrag und andere Erkenntnisse sind bis zum Abschluss des Verwaltungsverfahrens zu berücksichtigen (vgl. BayVGH, U.v. 30.11.1998 – 11 B 96.2648 – NZV 99, 183; OVG NW, B.v. 10.7.2002 – 19 E 808/01 – VRS 105, 76; Dauer in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 44. Auflage 2017, § 11 FeV Rn. 54).

VG Bayreuth v. 30.04.2020:
Die Anordnung eines medizinisch-psychologischen Fahreignungsgutachtens ist rechtswidrig, wenn die Behörde von dem ihr gesetzlich eingeräumten Ermessen keinen oder keinen fehlerfreien Gebrauch gemacht hat. Dies ist der Fall, wenn der Fahrerlaubnisinhaber nach dem Blockieren einer Rettungsgasse nur wegen Nötigung ohne Fahrerlaubnisentzug oder Fahrverbot und ohne Punktebewertung im Fahreignungs-Bewertungssystem sanktioniert wurde und sich auch bei einer umfassenden Prüfung aller Umstände nicht sicher ist, ob die sich aus der begangenen (Anlass-)Straftat (sowie ggf. weiteren Umständen) ergebenden Eignungszweifel hinreichend gewichtig sind, um die Anforderung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens zu rechtfertigen. Die Behörde muss ihre diesbezüglichen Erwägungen auch offenlegen.

OVG Bautzen v. 18.05.2020:
Zwar beurteilt sich die Rechtmäßigkeit der Fahrerlaubnisentziehung nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten behördlichen Entscheidung. Dass die Rechtmäßigkeit der Entziehungsverfügung in den Fällen des § 11 Abs. 8 FeV voraussetzt, dass die Gutachtenanforderung ihrerseits rechtmäßig gewesen ist, bedeutet aber nicht, dass auch insoweit auf die gegenwärtigen Verhältnisse oder die Verhältnisse im Zeitpunkt der Entziehungsverfügung abzustellen wäre. Denn die Rechtmäßigkeit einer hierauf gestützten Fahrerlaubnisentziehung hängt davon ab, ob die Behörde von der Nichteignung des Betroffenen ausgehen durfte, weil er einer rechtmäßigen Anordnung nicht nachgekommen ist. Damit erfordert die Überprüfung der Entziehungsentscheidung eine inzidente Prüfung der Rechtmäßigkeit der ihr zeitlich vorangegangenen Gutachtenanordnung und nicht eine hypothetische Prüfung, ob die Anordnung auch noch im Zeitpunkt der Entziehungsverfügung getroffen werden könnte. Dabei liegt es in der Natur der Sache, auf die Verhältnisse im Zeitpunkt der zu überprüfenden Anordnung abzustellen. Dies entspricht im Übrigen der ganz herrschenden Meinung in Rechtsprechung und Literatur (BVerwG, Urt. v. 17. November 2016 - 3 C 20.15 -, juris Rn. 14; Beschluss vom 21. Mai 2012 - 3 B 65.11 -, juris Rn. 7; SächsOVG, Beschluss vom 13. August 2019 - 3 B 122/19 -, juris Rn. 7; OVG Saarland, Beschluss vom 5. Februar 2018 - 1 B 12/18 -, juris Rn. 7; BayVGH, Beschluss vom 27. Mai 2015 - 11 CS 15.645 -, juris Rn. 11 f. m. w. N.; Dauer in: Henschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, Kommentar, 45. Aufl. 2019, § 13 FeV Rn. 22 und § 11 FeV Rn. 55).

OVG Schleswig v. 04.08.2021:
  1.  Hinsichtlich des genauen Grades der Konkretisierung, die die von der Fahrerlaubnisbehörde festzulegende und mitzuteilende Fragestellung aufweisen muss, kommt es - wie unmittelbar § 11 Abs. 6 Satz 1 FeV entnommen werden kann - auf die besonderen Umstände jedes Einzelfalls an; der Beibringungsanordnung muss sich indes zweifelsfrei entnehmen lassen, welche Problematik auf welche Weise geklärt werden soll.

  2.  Die scharfe Sanktion des § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV setzt grundsätzlich eine vollständig rechtmäßige Gutachtensanordnung voraus; es kann dem Betroffenen nicht zugemutet werden, selbst entsprechende rechtliche Differenzierungen vorzunehmen und letztlich klüger und präziser sein zu müssen als die Fachbehörde.

VGH München v. 14.09.2021:
Begründen Tatsachen Zweifel an der Fahreignung, kann die Fahrerlaubnisbehörde nach § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens anordnen. Nach § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV darf sie bei ihrer Entscheidung auf die Nichteignung des Betroffenen schließen, wenn dieser sich weigert, sich untersuchen zu lassen, oder wenn er das von ihr geforderte Gutachten nicht fristgerecht beibringt. Der Schluss aus der Nichtvorlage eines angeforderten Fahreignungsgutachtens auf die fehlende Fahreignung ist gerechtfertigt, wenn die Anordnung formell und materiell rechtmäßig, insbesondere anlassbezogen und verhältnismäßig war.

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