Das Verkehrslexikon

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Beifahrer - Der Beifahrer - Zurechnung, Haftung, Verschulden

Der Beifahrer - Zurechnung, Haftung, Verschulden




Gliederung:


   Einleitung

Weiterführende Links

Allgemeines

Zur sog. Beifahrer-Rechtsprechung

Mitverschulden des Mitfahrers

Keine Zurechnung des Fahrerverschuldens

Haftung des Fahrlehrers

Der kiffende Beifahrer

Beifahrer als Täter im Strafrecht

Haftungsausschluss gegenüber dem Beifahrer

Ansprüche des Beifahrers gegen den Entschädigungsfonds

Vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis auch für Beifahrer

Beifahrer auf Radarfoto




Einleitung:


Als Beifahrer werden die bei einer Fahrt im Fahrzeug anwesenden Insassen bezeichnet. Da sie potentiell das Fahrgeschehen sowie tatsächliche Umstände für das Zustandekommen von Unfällen wahrnehmen können, sind sie auch Unfallzeugen, wenn es später nötig wird, das Zustandekommen eines Verkehrsunfalls aufzuklären; daran ändert sich auch nichts dadurch, dass gelegentlich - sicher nicht ohne Recht - eingewandt wird, dass ihre Aussagen nicht genügend neutral seien. Dies muss das Gericht im Rahmen der freien Beweiswürdigung berücksichtigen.


Eine besondere Rolle spielt ein Beifahrer dann (z. B. bei der Frage der Wartepflicht beim unerlaubten Entfernen vom Unfallort), wenn er zugleich der Fahrzeughalter ist. Auch können sich Beifahrer durch Anstiftung oder Beihilfe an strafbaren Handlungen des Fahrzeugführers beteiligen.

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Weiterführende Links:


Stichwörter zum Thema Alkohol

Alkohol im Verkehrsrecht

Der Beifahrer - Zurechnung, Haftung, Verschulden

Zur konkreten Gefährdung des Beifahrers bei Alkoholdelikten

Der Mitverschuldensanteil des betrunkenen Kfz-Führers überwiegt in der Regel denjenigen des verletzten Beifahrers

Der Entschädigungsfonds für Schäden aus Kraftfahrzeugunfällen

Taugen Beifahrer-Aussagen in der Regel nichts?

Zur Gefährdung des Beifahrers bei Alkoholdelikten

Zur Tatbeteiligung des als Beifahrer anwesenden Halters zum unerlaubten Entfernen vom Unfallort

Alkoholisierter oder übermüdeter Kfz-Führer und Selbstgefährdung des Beifahrers als Mitverschulden an eigenen Verletzungen

Fahrschule / Fahrlehrer

Fahrlehrer als Fahrzeugführer

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Allgemeines:


KG Berlin v. 24.01.2002:
Ein Erfahrungssatz des Inhalts, dass Personen, die überwiegend in einer bestimmten Art und Weise am Straßenverkehr teilnehmen (als Pkw-Fahrer, als Lkw-Fahrer, als Kradfahrer, als Radfahrer oder als Fußgänger) sich im Fall eines Unfalls im Zweifel mit demjenigen Unfallbeteiligten solidarisieren, der in derselben Art und Weise wie sie am Straßenverkehr teilnimmt, ist d,em Gericht nicht bekannt.

KG Berlin v. 30.07.2009:
Die besonderen Sorgfaltspflichten beim Aussteigen legen nahe, Mitfahrer auf der der Fahrbahn abgewandten Fahrzeugseite aussteigen zu lassen. Ist dies - beispielsweise wegen eines Kindersitzes - nicht möglich, muss mit dem Aussteigen so lange gewartet werden, bis sich von hinten kein Verkehr mehr nähert, der gefährdet werden könnte.

OLG Saarbrücken v. 15.09.2009:
Der Haftungsausschluss des § 8 Nr. 2 StVG betrifft nicht nur Fälle, in denen der Verletzte im Unfallzeitpunkt das Fahrzeug selbst geführt hat. Auch Beifahrer können "bei dessen Betrieb tätig werden". Ein Beifahrer wird dann "beim Betrieb tätig", wenn er den Betrieb des Kfz durch das Zurverfügungstellen des Fahrzeugs erst ermöglicht und wenn er Einfluss auf die Fahrstrecke genommen hat. Ihm stehen in einem solchen Fall keine Ansprüche aus der Gefährdungshaftung zu.

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Zur sog. Beifahrer-Rechtsprechung:


Taugen Beifahrer-Aussagen in der Regel nichts?

BGH v. 03.11.1987:
Es verstößt gegen den Grundsatz der freien Beweiswürdigung, den Aussagen von Insassen unfallbeteiligter Kfz (vgl. sogenannte "Beifahrerrechtsprechung") oder von Verwandten oder Freunden der Unfallbeteiligten nur für den Fall Beweiswert zuzuerkennen, daß sonstige objektive Gesichtspunkte für die Richtigkeit der Aussagen sprechen.

KG Berlin v. 08.11.2001:
Es gibt keinen allgemeinen Erfahrungssatz des Inhalts, dass die Aussage des Insassen eines der Unfall beteiligten Fahrzeuge grundsätzlich unbrauchbar ist, da sie durch den sog "Solidarisierungseffekt" beeinflusst ist. Bei der Würdigung der Zeugenaussage ist jedoch die Möglichkeit, dass sich der Zeuge bewusst oder unbewusst mit dem Fahrer solidarisiert, zu bedenken (Anschluss BGH, 3. November 1987, VI ZR 95/87, NJW 1988, 566).

OLG München v. 16.09.2005:
Die sog. Beifahrerrechtsprechung ist ausnahmslos unzulässig.

KG Berlin v. 24.11.2008:
Es gibt keine auf einem entsprechenden Erfahrungssatz gestützte Beweisregel, dass die Aussagen von Insassen unfallbeteiligter Kraftfahrzeuge stets von einem „Solidarisierungseffekt“ beeinflusst und deshalb grundsätzlich unbrauchbar sind. Ebenso wenig können Aussagen von Unfallzeugen, die am Prozessausgang wirtschaftlich interessiert oder mit einem Unfallbeteiligten verwandt oder verschwägert sind, stets als von vornherein parteiisch und unzuverlässig gelten.

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Mitverschulden des Mitfahrers:


Alkoholisierter oder übermüdeter Kfz-Führer und Selbstgefährdung des Beifahrers als Mitverschulden an eigenen Verletzungen

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Keine Zurechnung des Fahrerverschuldens:


KG Berlin v. 13.10.2008:
Ein Mitfahrer braucht sich ein unfallursächliches Verschulden des Fahrzeugführers im Verhältnis zum Unfallgegner (Kraftfahrer) grundsätzlich nicht anspruchsmindernd anrechnen zu lassen, weil es dafür keine Zurechnungsnorm gibt.

OLG München v. 12.01.2018:
Kommt es bei einem Fahrstreifenwechsel zu einem Auffahrunfall, muss sich die zum Unfallzeitpunkt auf dem Beifahrersitz sitzende Ehefrau des Fahrzeugführers ein etwaiges Verschulden "ihres" Fahrers nicht zurechnen lassen. Um einem Beifahrer ein Fehlverhalten des Fahrers zurechnen zu können, bedürfte es einer entsprechenden Rechtsgrundlage. Daran fehlt es. Dass es sich beim Fahrer um den Ehemann handelte, genügt nicht für eine Zurechnung.

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Haftung des Fahrlehrers:


Fahrschule / Fahrlehrer

Fahrlehrer als Fahrzeugführer

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Der kiffende Beifahrer:


VGH Mannheim v. 10.02.2006:
Der Umstand, dass der Betroffene - als Beifahrer - bei einem Parallelkonsum von Cannabis und Alkohol vom Führen eines Kraftfahrzeuges bewusst Abstand genommen hat, begründet im Sinne der Vorbemerkung Nr 3 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) keine Ausnahme von dem aus Nr 9.2.2 der Anlage 4 folgenden Schluss auf das Fehlen seiner Fahreignung.

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Beifahrer als Täter im Strafrecht:


OLG Hamm v. 09.08.2005:
Zwar kann das plötzliche Ziehen der Handbremse durch den Beifahrer bei einer Geschwindigkeit von 50 km/h mit der Folge des Ausbrechens des Fahrzeugs objektiv ein gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr darstellen, in subjektiver Hinsicht ist jedoch erforderlich, dass der Beifahrer das Fahrzeug in verkehrsfeindlicher Absicht seinem Zweck als Verkehrsmittel entfremden will.

OLG Hamm v. 31.01.2017:
Täter i.S.v. § 315b Abs. 1 StGB kann jeder - auch der Beifahrer - sein, der das tatbestandsmäßige Geschehen im Sinne der Nummern 1 bis 3 beherrscht. Dies gilt auch im Fall des sogenannten verkehrsfremden Inneneingriffs.

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Haftungsausschluss gegenüber dem Beifahrer:


OLG Saarbrücken v. 21.04.2009:
Aus der reformierten Vorschrift des § 8a StVG lässt sich nicht der Schluss ziehen, diese Regelung verallgemeinernd dahingehend zu verstehen, dass ein Beifahrer generell nicht dem Haftungsausschluss des § 8 Nr. 2 StVG unterliegen kann, solange er sich im Einflussbereich der Betriebsgefahr bewegt: Normadressat des § 8a StVG ist zunächst jeder Insasse eines Kraftfahrzeugs. Demgegenüber richtet sich der Haftungsausschluss nach § 8 Nr. 2 StVG nur an diejenigen Insassen, die bei dem Betrieb des Kraftfahrzeugs tätig werden. Diese qualifizierte Voraussetzung wird nicht jeder Beifahrer, erst recht jeder Insasse eines Kraftfahrzeugs erfüllen. Mithin sind die Regelungen der § 8 Nr. 2 und § 8a StVG - bezogen auf die Haftung des Halters gegenüber Beifahrern - miteinander vereinbar, wenn man die Regelung des § 8 Nr. 2 StVG als Ausnahme zu § 8a StVG versteht: Obwohl der Halter gegenüber Beifahrern und Insassen im Grundsatz haftet (§ 8a StVG), gilt dies nicht, wenn sich der Beifahrer in einer Weise verhält, die als Tätigwerden beim Betrieb verstanden werden muss. Dies kann dadurch geschehen sein, dass der Beifahrer das Kfz dem Fahrzeugführer überlassen hat und durch Anweisungen zur Fahrtroute tätig geworden ist.

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Ansprüche des Beifahrers gegen den Entschädigungsfonds


Der Entschädigungsfonds für Schäden aus Kraftfahrzeugunfällen

OLG Celle v. 06.05.2015:
Die Vorschrift des § 12 Abs. 2 Satz 3 PflVersG ist in der Weise auszulegen, dass ein Ersatz des Sachschadens des Kfz-Halters an seinem Fahrzeug auch dann zu erfolgen hat, wenn ausschließlich der im Fahrzeug mitfahrende Beifahrer erheblich verletzt wurde und eine Zahlungspflicht des Entschädigungsfonds für Schäden aus Kfz-Unfällen gegenüber dem Beifahrer nur deshalb nicht besteht, weil der betreffende Fahrzeuginsasse den Ersatz seines Personenschadens vom Fahrzeughalter und dessen Versicherer beanspruchen kann.

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Vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis auch für Beifahrer:


OLG Düsseldorf v. 04.04.2002:
Geht man davon aus, dass schon die Benutzung eines Kraftfahrzeugs zur Begehung "allgemeiner" (nicht spezifisch verkehrsbezogener) Straftaten als Grundlage für eine Entziehung der Fahrerlaubnis in Betracht kommt, so lässt sich bei einer Tatbeteiligung mehrerer Personen der gemäß § 69 StGB erforderliche "Zusammenhang" nach Wortlaut und Zielrichtung der Norm nicht auf denjenigen Teilnehmer beschränken, der das Kraftfahrzeug eigenhändig gelenkt hat, sondern muss auch auf Beifahrer erstreckt werden.

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Beifahrer auf Radarfoto:


OLG Oldenburg v. 09.02.2015:
Wird im Rahmen einer Verkehrsüberwachungsmaßnahme ein Lichtbild gefertigt, auf dem auch der Beifahrer erkennbar ist und gelangt dieses Foto ohne Unkenntlichmachung des Beifahrers in die Gerichtsakte, unterliegt es keinem Verwertungsverbot, wenn das Amtsgericht aus der Person des Beifahrers Schlüsse auf die Identität des Fahrzeugführers zieht.

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