"a) Der Kraftfahrzeugverkehr ist gegenüber Fußgängern bevorrechtigt (§ 25 III StVO), sofern nicht ein Fußgängerüberweg (§§ 25 III 1; 41 I StVO, Anlage 2, Zeichen 293) vorliegt (§ 26 I StVO), was hier unstreitig nicht der Fall ist. Dennoch hat der Kraftfahrer die allgemeinen Verkehrsregeln zu beachten, insbesondere Geschwindigkeitsvorschriften (§ 3 I 2, III StVO; vgl. OLG Düsseldorf NZV 1994, 70), das Sichtfahrgebot (§ 3 I 4 StVO; vgl. BGH NJW 1984, 50 ff. [51 unter 2 c]) und das Rücksichtnahmegebot (§ 1 II StVO). In diesem Rahmen hat er den gesamten Verkehrsraum, auch bezüglich von links kommender Fußgänger, sorgfältig zu beobachten (BGH VersR 1966, 736 [für Sichtbehinderungen am eigenen Fahrzeug]; OLG Hamm NZV 2000, 371 [372 unter 3 a]; KG VRS 100 [2001] 269; OLG Düsseldorf NZV 2002, 90 [„... (muss) sein Augenmerk auch auf die Bürgersteige richten und beobachten, ob sich dort Fußgänger befinden, die möglicherweise an der Übergangsstelle im Bereich der abgeschalteten Ampeln die Straße überqueren wollen“]), sowie rechtzeitig und richtig auf etwaige Fehler anderer Verkehrsteilnehmer zu reagieren (OLG Hamm NZV 1993, 314 [unter I]; KG VRS 100 [2001] 269). Bei unachtsamem Verhalten eines Fußgängers bestehen Brems- und Ausweichpflichten (OLG Hamm r+s 1989, 396; OLG Koblenz NZV 2012, 177), sowie die Notwendigkeit, die Geschwindigkeit herabzusetzen, sobald der Fahrer sieht, dass ein Fußgänger die Straße betritt (OLG Düsseldorf VRS 56 [1979] 2). Gegenüber Fußgängern, die aus Sicht des Kraftfahrzeugführers wie hier von links kommend eine mehrspurige Fahrbahn überqueren wollen, gelten die gerade genannten Verpflichtungen im Grundsatz gleichermaßen. Darüber hinaus darf sich ein Kraftfahrer nicht ohne weiteres darauf verlassen, dass Fußgänger in der Fahrbahnmitte oder vor seiner Fahrbahnbegrenzung noch warten werden, um ihn vorbeifahren zu lassen (BGH VersR 1956, 804 [der Kraftfahrer darf nicht auf seine Vorfahrt vertrauen, wenn bei geringem Verkehr der Fußgänger keinen Anlaß hat, die Fahrbahn (nur) etappenweise zu überqueren]; NJW 1958, 1630; VRS 31 [1966] 332 ff.; BGH VersR 1967, 608 [„Das Verschulden des Beklagten und seine Bedeutung als Unfallursache besteht darin, daß er sich durch zu spätes Erkennen des Fußgängers jede Möglichkeit genommen hat, den Unfall durch geeignete Maßnahmen zu vermeiden“]; VersR 1968, 848 [„durfte sich der Beklagte unter den gegebenen Umständen nicht darauf verlassen, daß beide Fußgänger auf der Fahrbahnmitte stehenbleiben und ihn rechts vorbeifahren lassen würden. Bei dem geringen Abstand seines Fahrzeuges von 0,75 m zur Fahrbahnmitte ... und der herrschenden Dunkelheit mußte er mit der Möglichkeit rechnen, daß einer der auf der Fahrbahnmitte verharrende Fußgänger oder beide aus Angst eine unüberlegte Bewegung machen könnten“]; OLG Celle VersR 1977, 1131 [„Aufmerksamkeit ist auch dann erforderlich, wenn der Fußgänger „die Fahrbahn zu überqueren versucht und dabei auf das annähernde Fahrzeug nicht weiter geachtet hat“]; OLG Hamm NZV 2001, 41). Aus dem grundsätzlichen Vorrang des Kraftfahrzeugverkehrs (s.o.) folgt keineswegs ein geschütztes Vertrauen darauf, dass Fußgänger sich immer verkehrsgerecht, vorsichtig und der StVO entsprechend verhalten werden, sondern nur unter besonderen Umständen (BGH VersR 1955, 156: aufgrund besonderer Umstände bestand keine Erwartung, der Fußgänger werde richtig, vernünftig und planvoll handeln; BayObLG VRS 58, 85 = S. 221; BGH NJW 1966, 1211: Vertrauensschutz des Fußgängers!; BayObLG NJW 1978, 1491: „... andererseits muß sich ein Kraftfahrer auf Verkehrswidrigkeiten, die er rechtzeitig wahrnimmt oder bei pflichtgemäßer Aufmerksamkeit wahrnehmen müßte, einstellen. Ebenso muß er sich auf für ihn noch nicht erkennbares verkehrswidriges Verhalten Dritter einrichten, mit dem „zu rechnen er bei verständiger Würdigung aller gegebenen Umstände triftige Veranlassung hat”; BGH NJW 2000, 3069). Auch bei erheblich verkehrswidrigem Verhalten des Fußgängers ist im Regelfall nicht jeglicher Schadensersatz zu versagen (BGH VersR 1969, 373; OLG Oldenburg, VRS 69, 101 = S. 252; BGH VersR 1989, 491; OLG Köln r+s 1987, 67; OLG Düsseldorf, r+s 1987, 66; OLG Hamm r+s 1989, 396; OLG Stuttgart VersR 1980, 243: „25 % trotz Rotlichtverstoß des Fußgängers“), sondern lediglich in Fällen der Unvermeidbarkeit für den Fahrzeugführer oder bei besonderen Umständen (BGH VersR 1964, 947 = VRS 27, 107: Aussteigen aus dem haltenden Fahrzeug; VersR 1966, 877: Hervortreten aus einer Lücke zwischen abgestellten Fahrzeugen; OLG Hamm, r+s 1988, 102; KG VersR 1993, 201; OLG Dresden NZV 2001, 378; KG NZV 2007, 80: Betreten der Fahrbahn von rechts). Wer als Fußgänger Fahrbahnen ohne Beachtung des Straßenverkehrs überquert - egal in welche Richtung - (§ 25 III 1 StVO), handelt aber in erheblichem, nicht mehr nachvollziehbarem Umfang unsorgfältig (BGH NJW 2000, 3069: „besondere Vorsicht“; NJW 1984, 50), weil das Achten auf von rechts kommende Fahrzeuge eine elementare Grundregel des Straßenverkehrs darstellt, die jedem Fußgänger, der eine Straße überschreiten will, einleuchten muss (OLG Hamm NZV 1993, 314; NZV 2001, 41; OLG Koblenz NZV 2012, 177; KG VersR 1981, 332; NZV 2004 579; OLG Celle MDR 2004, 994; OLG Bremen, VersR 66, 962; OLG Düsseldorf VRS 56, 2). Dies gilt umso mehr, wenn nicht spätestens bei Erreichen der Fahrbahnmitte oder der Fahrbahnabgrenzung zur Gegenfahrspur erneut nach rechts geblickt, um sich zu vergewissern, dass ein gefahrloses Weitergehen möglich ist (OLG Saarbrücken NJW 2010, 2525; OLG Düsseldorf r+s 1987; BGH VersR 1967, 608)." |