Das Verkehrslexikon

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Zur Geltung der Vorfahrtregel "rechts vor links" auf Parkplätzen und in Parkhäusern

Zur Geltung der Vorfahrtregel "rechts vor links" auf Parkplätzen und in Parkhäusern




Gliederung:


-   Einleitung
-   Weiterführende Links
-   Allgemeines
-   Garagenhof

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Einleitung:


Je nach baulicher Fahrbahngestaltung der Gassen zwischen den beidseitig geparkten Fahrzeugen kann auf Parkgelände oder in Parkhäusern bzw. in ausreichend großen Tiefgaragen der Vorfahrtgrundsatz „Rechts-vor-Links“ gelten.

Das OLG Düsseldorf (Urteil vom 29.06.2010 - 1 U 240/09) hat zur nicht völlig uneingeschränkten Geltung der Rechts-vor-Links-Regelung folgende Grundsätze aufgestellt:

  1.  Privat- oder Firmenparkplätze, die ausdrücklich oder stillschweigend für jedermann zugelassen sind und tatsächlich so genutzt werden, sind öffentlich im Sinne des Straßenverkehrsrechts.


  2.  Auf einem allgemein zugänglichen Parkplatzgelände gilt die Grundregel "rechts vor links" (Senat a.a.O.). Vorfahrt- und Vorrangregeln gelten aber nur dort, wo angelegte Fahrspuren eindeutigen Straßencharakter haben. Für die Anwendung der Vorfahrtregel des § 8 Abs. 1 Satz 1 StVO bei einem Parkplatz ist nur dann Raum, wenn die "Fahrbahnen" zwischen den einzelnen Abstellreihen den Charakter von Straßen haben und die Vorrangfrage zwei Parkplatzbenutzer betrifft, die bei dem Befahren der Fahrbahnen mit Straßencharakter an einer Kreuzung oder Einmündung gleichzeitig zusammentreffen.

  3.  Auf öffentlichen Parkplätzen obliegen wegen der ständig zu erwartenden Ein- und Ausparkvorgänge jedem Kraftfahrer besonders hohe Sorgfalts- und Rücksichtspflichten. Auf einem Parkplatz gilt das Gebot erhöhter Vorsicht und gegenseitiger Rücksichtnahme. Konkret muss ein Fahrzeugführer angesichts der ständig wechselnden Verkehrssituationen auf einem Parkplatz bei stetiger Bremsbereitschaft mit Schrittgeschwindigkeit fahren. Schritttempo bedeutet eine sehr langsame Geschwindigkeit, die der eines normal gehenden Fußgängers entspricht, also in der Größenordnung zwischen 4 bis 7 km/h.

  4.  Besonderheiten des Verkehrs auf einem Parkplatzgelände können dazu führen, dass der Berechtigte nicht auf die Beachtung seines Vorrechtes "rechts vor links" durch andere Verkehrsteilnehmer vertrauen darf. Zwar kann der Vorfahrtberechtigte normalerweise von der Annahme der Beachtung seines Vorrechtes durch einen Wartepflichtigen ausgehen. Dieser für den Verkehr an Kreuzungen und Einmündungen von Straßen entwickelte Vertrauensgrundsatz kann aber wegen der typischen Verhältnisse auf einem Parkplatzgelände, die gekennzeichnet sind von nur schmalen Fahrspuren zwischen den einzelnen Parkreihen und unübersichtlichen "Kreuzungen" und "Einmündungen", und wegen sonstiger besonderer Einzelumstände gänzlich in Wegfall geraten.

Grundlegend und unter Darlegung des Meinunsstrteits in Rechtsprechung und Literatur hat der BGH (Urteil vom 22.11.2022 - VI ZR 344/21)sich zu diesem Thema geäußert und entschieden:

   Die Vorfahrtsregel des § 8 Abs. 1 Satz 1 StVO ("rechts vor links") findet auf öffentlichen Parkplätzen ohne ausdrückliche Vorfahrtsregelung weder unmittelbar noch im Rahmen der Pflichtenkonkretisierung nach § 1 Abs. 2 StVO Anwendung, soweit den dort vorhandenen Fahrspuren kein eindeutiger Straßencharakter zukommt.

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Weiterführende Links:


Stichwörter zum Thema Parken

Parkplatz- und Parkhausunfälle

Öffentlicher / nichtöffentlicher Verkehr

Die Vorfahrtregel "rechts vor links"

Zur Geltung der Vorfahrtregel "rechts vor links" auf Parkplätzen und in Parkhäusern

Unfälle auf Betriebs- und Werksgelände

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Allgemeines:


KG Berlin v. 03.03.1988:
Auf einem Parkplatz ist auch für den Vorfahrtsberechtigten ein Langsamfahren bei steter Bremsbereitschaft geboten, falls die Sicht wegen parkender Fahrzeuge eingeschränkt ist (Mithaftung von 1/3).

OLG Köln v. 08.12.1994:
Auf öffentlichen Parkplätzen, auf denen die Vorschriften der StVO gelten, gilt der Vertrauensgrundsatz zugunsten des Vorfahrtberechtigten angesichts der ständig wechselnden Verkehrssituation nicht uneingeschränkt; vielmehr muss der Vorfahrtberechtigte hier in besonderem Maße auch mit Vorfahrtverletzungen rechnen und insbesondere an Kreuzungen auch den Linksverkehr beobachten, und darf, falls die Sicht in die Kreuzung eingeschränkt ist, sich nur in den Kreuzungsbereich hineintasten (Haftungsverteilung von 3/4 zu 1/4 zu Lasten des Wartepflichtigen).

OLG Frankfurt am Main v. 08.07.1999:
Kommt es auf einem belebten Parkplatz eines Einkaufszentrums zu einem Zusammenstoß zwischen einem Wartepflichtigen und einem 27 km/h schnellen Vorfahrtberechtigten, so ist eine Haftungsquote von 2/3 zu Lasten des Wartepflichtigen gerechtfertigt.

OLG Celle v. 30.12.1999:
Wer auf einem Parkplatz innerhalb des Parkplatzgeländes von der Parkfläche aus auf einen von den Parkflächen erkennbar abgegrenzten Zufahrtsweg auffahren oder diesen Weg überqueren will, hat die Vorschrift des StVO § 10 Satz 1 zu beachten. Andererseits darf auch auf den besonderen Zufahrtswegen innerhalb des Parkplatzgeländes nur mit Schrittgeschwindigkeit oder einer geringfügig darüber liegenden Geschwindigkeit gefahren werden, wenn die Sicht wegen parkender Fahrzeuge behindert ist.

OLG Düsseldorf v. 30.12.1999:
Auf öffentlichen Parkplätzen gilt die Vorfahrtregel des § 8 Abs. 1 Satz 1 StVO („rechts vor links") nur, wenn die „Fahrbahnen” zwischen den einzelnen Abstellplatzreihen den Charakter von Straßen haben, und auch dann nur für den darauf „fließenden Verkehr”, nicht aber zwischen diesem und den in einen Abstellplatz einfahrenden oder aus einem solchen ausfahrenden Fahrzeugführern. Für die zuletzt Genannten gelten die Regeln des § 1 Abs. 2 StVO bzw der §§ 9 Abs. 5, 10 StVO entsprechend.

KG Berlin v. 04.02.2002:
Bei einer rechts-vor-links-Kollision auf einem privaten Großraumparkplatz haftet der Vorfahrtberechtigte zu einem Drittel, wenn er die Geschwindigkeit des von ihm geführten Fahrzeuges nicht den besonderen Verhältnissen auf dem Parkplatz angepasst hat und er nicht eine Geschwindigkeit eingehalten hat, die es ihm erlaubt hätte, innerhalb der übersehbaren Strecke anhalten zu können.

OLG Dresden v. 28.07.2006:
Die Regel "rechts vor links" (§ 8 StVO) gilt nicht für den Verkehrsteilnehmer, der von einer lediglich der Zufahrt auf Parkplätze oder Parkplatzbereiche dienenden Straße eines Einkaufszentrums auf eine an diese angrenzende oder diese durchquerende Durchgangs- oder Umlaufstraße auffahren möchte.

OLG Celle v. 08.08.2006:
Bei einer "Rechts-vor-Links"-Kollision auf einem öffentlichen Parkplatz ist eine Haftungsverteilung von 80:20 zu Lasten des von links Kommenden Kfz angemessen.

OLG Düsseldorf v. 23.03.2010:
Zwar gilt auch auf einem allgemein zugänglichen Parkplatzgelände die Grundregel "rechts vor links" (ständige Rechtsprechung des Senats, zuletzt Urteil vom 14. Januar 2008, Az.: I-1 U 111/07). Die Vorfahrt- und Vorrangregeln gelten aber nur dort, wo angelegte Fahrspuren eindeutigen Straßencharakter haben (Senat a.a.O.; OLG Düsseldorf - 2. Strafsenat - DAR 2000, 157).

OLG Düsseldorf v. 29.06.2010:
Auf einem allgemein zugänglichen Parkplatzgelände gilt die Grundregel "rechts vor links" (Senat a.a.O.). Vorfahrt- und Vorrangregeln gelten aber nur dort, wo angelegte Fahrspuren eindeutigen Straßencharakter haben. Für die Anwendung der Vorfahrtregel des § 8 Abs. 1 Satz 1 StVO bei einem Parkplatz ist nur dann Raum, wenn die "Fahrbahnen" zwischen den einzelnen Abstellreihen den Charakter von Straßen haben und die Vorrangfrage zwei Parkplatzbenutzer betrifft, die bei dem Befahren der Fahrbahnen mit Straßencharakter an einer Kreuzung oder Einmündung gleichzeitig zusammentreffen.

LG Bonn v. 21.02.2011:
Dient ein Fahrweg der Erschließung der an seinen beiden Seiten gelegenen Parkplätze und ist er optisch nicht als Durchfahrtstraße gestaltet, dann gilt auf ihm beim Zusammentreffen mit einer funktional gleichartigen und gleichartig gepflasterten Fahrfläche die Vorfahrtregel rechts vor links.

LG Saarbrücken v. 07.06.2013:
Auf dem Parkplatz eines Einkaufsmarktes findet bei einem Aufeinandertreffen der Einmündungen zweier gleichermaßen als Straßen erkennbaren Wege die Vorfahrtsregel „Rechts vor Links“ Anwendung. Das gilt auch dann, wenn die Wege jeweils unterschiedlich breit sind. Der Anscheinsbeweis spricht für ein Verschulden des Wartepflichtigen, sofern sich dieser im Unfallzeitpunkt noch nicht vollständig in den bevorrechtigten Verkehr eingeordnet hatte.

LG Bochum v. 13.06.2013:
Auf Parkplätzen, auf denen die angelegten Fahrspuren Straßencharakter haben, gilt die StVO mit der Folge, dass die Vorfahrtsregelung zu beachten ist. Kommt es aufgrund einer Missachtung dieser Regelung zu einem Unfall, haftet der Unfallverursacher für den Schaden. Der Geschädigte hat sich aber ein Mitverschulden anrechnen zu lassen, wenn er mit nicht angepasster Geschwindigkeit von 10-20 km/h die Fahrstraße befuhr.

LG Bremen v. 20.06.2013:
Die Vorfahrtregel "rechts vor links" gilt auf Parkgelände nur bei fahrbahnähnlichem Charakter der Zufahrtswege, ansonsten gilt das Gebot zu besonderer gegenseitiger Rücksichtnahme.

LG Frankfurt (Oder) v. 30.09.2013:
Wege auf einem Parkplatz haben Straßencharakter mit der Folge, dass § 8 Abs. 1 Satz 1 StVO anwendbar ist, wenn eine Parkplatzfläche stark strukturiert ist in markierte Parkflächen und dazwischen liegende rechtwinklige Wege, die erkennbar zum Erreichen und Verlassen der Parkflächen befahren werden. - Allein der Umstand, dass ein Fahrweg geradlinig über den gesamten Parkplatz führt und etwas breiter ist, als die übrigen Wege des Parkplatzes, reicht nicht aus, um insoweit von einer gesonderten Straße ausgehen zu können, gegenüber der die übrigen Benutzer der Parkplatzwege sich nach § 10 StVO verhalten müssten. Maßgeblich ist das äußere Erscheinungsbild. Sind keine weiteren Abgrenzungskriterien vorhanden, wie etwa Bordsteinkanten, und abweichende Pflasterung, so gilt rechts vor links und nicht § 10 StVO. - Ist der Vorfahrtsberechtigte, wie es § 1 Abs. 1 StVO gebietet, langsam und mit Bremsbereitschaft auf dem Parkplatz gefahren, während das beim Wartepflichtigen nicht festgestellt werden konnte, so kann bei einer Kollision eine alleinige Haftung des Wartepflichtigen gerechtfertigt sein.

OLG Düsseldorf v. 07.03.2017:
Auf allgemein zugänglichen Privatparkplätzen gelten die Bestimmungen der Straßenverkehrsordnung. Dabei gilt für jeden Fahrzeugführer das aus § 1 Abs. 2 StVO folgende Gebot der allgemeinen Rücksichtnahme. Wegen der auf einem Parkplatz ständig zu erwartenden Ein- und Ausparkvorgänge obliegen jedem Kraftfahrer dabei erhöhte Sorgfalts- und Rücksichtspflichten. Angesichts der ständig wechselnden Verkehrssituationen auf einem Parkplatz muss bei stetiger Bremsbereitschaft mit Schrittgeschwindigkeit gefahren werden. Schrittgeschwindigkeit bedeutet eine sehr langsame Geschwindigkeit, die der eines normal gehenden Fußgängers entspricht, also in der Größenordnung zwischen 4 bis 7 km/h.

KG Berlin v. 09.07.2018:
Auf allein dem Ausfahren aus einem Parkhaus dienenden, äußerlich vergleichbaren Fahrbahnen gilt grundsätzlich entsprechend § 8 Abs. 1 StVO „rechts vor links“. - Beim Verlassen des durch eine Schranke begrenzten Parkbereichs kommt eine Anwendung der besonderen Sorgfaltspflichten nach § 10 StVO in Betracht.

OLG München v. 27.05.2020:
Inwieweit die Vorfahrtregel des § 8 I StVO auf einem Parkplatz Anwendung findet, hängt davon ab, ob die Fahrspuren dem ruhenden Verkehr, d. h. dem Suchverkehr dienen, oder ob sie darüber hinaus Straßencharakter besitzen. Die Funktion des § 8 I StVO, nämlich die Schaffung und Aufrechterhaltung eines (quasi) fließenden Verkehrs, muss deutlich im Vordergrund stehen. Auf allein dem Ein- oder Ausfahren aus einem Parkhaus dienenden, äußerlich vergleichbaren Fahrbahnen gilt grundsätzlich "rechts vor links” (vgl. KG, Beschluss v. 09.07.2018, Az. 25 U 159/17[Juris]). Eine Fahrgasse zwischen markierten Parkreihen bildet keine Fahrbahn mit Straßencharakter, wenn die Abwicklung des ein- und ausparkenden Rangierverkehrs zumindest auch zweckbestimmend ist.

OLG Frankfurt am Main v. 22.06.2022:
  1.  Fahrgassen auf Parkplätzen sind grundsätzlich keine dem fließenden Verkehr dienenden Straßen und gewähren deshalb keine Vorfahrt. Kreuzen sich zwei dem Parkplatzsuchverkehr dienende Fahrgassen eines Parkplatzes bzw. eines Parkhauses, gilt für die herannahenden Fahrzeugführer das Prinzip der gegenseitige Rücksichtnahme (§ 1 StVO), d. h. jeder Fahrzeugführer ist verpflichtet, defensiv zu fahren und die Verständigung mit dem jeweils anderen Fahrzeugführer zu suchen.

  2.  Etwas anderes gilt nur dann, wenn die angelegten Fahrspuren eindeutig und unmissverständlich Straßencharakter haben und sich bereits aus ihrer baulichen Anlage ergibt, dass sie nicht der Suche von freien Parkplätzen dienen, sondern der Zu- und Abfahrt der Fahrzeuge. Für den Straßencharakter können eine für den Begegnungsverkehr ausreichende Breite der Fahrgassen und andere leicht fassbare bauliche Merkmale einer Straße wie Bürgersteige, Randstreifen oder Gräben sprechen. Fehlt es an solchen baulichen Merkmalen, muss die Ausgestaltung umso klarer durch die Fahrbahnführung und -markierung sein. Maßgeblich ist jedoch, dass die Funktion des § 8 Abs. 1 StVO, nämlich die Schaffung und Aufrechterhaltung eines (quasi) fließenden Verkehrs, auf der fraglichen Verkehrsfläche deutlich im Vordergrund steht. Eine Fahrgasse zwischen markierten Parkreihen ist daher keine Fahrbahn mit Straßencharakter, wenn die Abwicklung des ein- und ausparkenden Rangierverkehrs zumindestens auch zweckbestimmend ist.

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Garagenhof:


AG Essen-Borbeck v. 02.07.2013:
Die Straßenverkehrsordnung gilt auch auf einem privaten Garagenhof, dessen Verkehrsflächen faktisch für den Fahrzeugverkehr frei zugänglich sind. Auf einem privaten Garagenhof hat der Fahrweg keine generelle Vorfahrt gegenüber den einmündenden Flächen. Es gilt vielmehr die "eingeschränkte Vorfahrtsregel" rechts vor links. Bei einer Kollision eines aus einer Garagenreihe nach rechts abbiegenden Fahrzeugs mit einem den Zufahrtsweg nutzenden Fahrzeugs ist von einer Alleinhaftung des den Zufahrtsweg nutzenden Kraftfahrzeugführers auszugehen.

BGH v. 22.11.2022:
Die Vorfahrtsregel des § 8 Abs. 1 Satz 1 StVO ("rechts vor links") findet auf öffentlichen Parkplätzen ohne ausdrückliche Vorfahrtsregelung weder unmittelbar noch im Rahmen der Pflichtenkonkretisierung nach § 1 Abs. 2 StVO Anwendung, soweit den dort vorhandenen Fahrspuren kein eindeutiger Straßencharakter zukommt.

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